McKinsey-Umfrage

Deutsche sind "digitale Bummler"

26.05.2021
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Auch wenn Online-Angebote in der Pandemie stärker genutzt werden, hinken deutsche Verbraucher im europäischen Vergleich hinterher.
Deutsche Konsumenten zögern noch, sich auf die digitale Welt einzulassen.
Deutsche Konsumenten zögern noch, sich auf die digitale Welt einzulassen.
Foto: Bagus Production - shutterstock.com

Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass immer mehr Verbraucher digitale Dienste nutzen. Das ist das zentrale Ergebnis des "Digital Sentiment Survey", einer repräsentativen Umfrage von McKinsey, für die zwischen dem 5. und 10. April über 20.000 europäische Konsumenten aus 19 Ländern befragt wurden, darunter über 1.200 aus Deutschland. Demzufolge haben rund 80 Prozent der Europäer mit Internetzugang während der vergangenen sechs Monate mindestens einen digitalen Dienst aus den Bereichen Lebensmittel, Banking, Versicherungen, Einzelhandel, Unterhaltung, Bildung, öffentliche Verwaltung oder Gesundheit genutzt.

Auch in Deutschland ist der Trend ungebrochen. Nahezu jeder fünfte deutsche Verbraucher habe im vergangenen halben Jahr erstmals online eingekauft, digitale Lernangebote ausprobiert, digitale Behördengänge erledigt oder Unterhaltungsplattformen in Anspruch genommen, stellten die McKinsey-Berater fest. Insgesamt seien die Konsumenten hierzulande jedoch weniger affin als ihre europäischen Nachbarn. Mit 65 Prozent digitalen Nutzern rangiert Deutschland im Europa-Ranking auf dem vorletzten Platz. Weniger digital ist nur noch die Schweiz (64 Prozent). Vorne liegt Großbritannien, das mit 86 Prozent den derzeit höchsten Anteil an digitalen Nutzern in Europa hat, gefolgt von Frankreich (82 Prozent) und den Niederlanden (80 Prozent).

Deutsche Verbraucher sind besonders kritisch

Ein Alarmsignal aus Sicht von McKinsey: "Es zeigt sich, dass wir als Gesellschaft noch stärker die Chancen der Digitalisierung betonen müssen, wenn wir nicht dauerhaft als digitale Bummler wahrgenommen werden wollen", sagte Gérard Richter, Leiter von McKinsey Digital in Deutschland. Dafür müssten allerdings auch die Online-Angebote besser werden. Die Pandemie habe an dieser Stelle viele Mängel offengelegt. Die beiden Hauptgründe für die Unzufriedenheit hierzulande mit digitalen Diensten über alle Branchen sind, dass online nicht alle Produkte und Dienstleistungen des jeweiligen Anbieters zur Verfügung stehen sowie ein schlechter Kundenservice.

Dazu kommt, dass deutsche Verbraucher besonders kritisch sind. In keinem europäischen Land ist das Misstrauen gegenüber digitalen Angeboten so ausgeprägt wie bei uns, lautet das Fazit der Berater. Auf einer Skala von eins bis fünf liege der Vertrauensgrad der deutschen Nutzer bei 3,42. Das größte Vertrauen in digitale Dienste und Angebote haben Finnen (3,7) und Norweger (3,66). Um Vertrauen zu schaffen, steht McKinsey zufolge der sorgsame Umgang mit persönlichen Daten (48 Prozent) an erster Stelle. Allerdings fürchtet hierzulande jeder fünfte Befragte, dass seine Daten nicht ausreichend geschützt werden.

Es fehlt an Vertrauen

"Unsere Umfrage zeigt einen deutlichen Mangel an Vertrauen in die Fähigkeit von Organisationen, persönliche Daten zu schützen", stellte McKinsey-Mann Richter fest. Organisationen müssten dieses Problem sehr ernst nehmen und Datenschutz als Differenzierungsmerkmal oder sogar Wettbewerbsvorteil nutzen. Dafür sei es nötig, wirksame Maßnahmen für die sichere Datenverarbeitung und -infrastruktur zu ergreifen und diese verständlich sowie transparent zu kommunizieren. "Nur so kann verlorengegangenes Vertrauen wieder aufgebaut werden."

Das sei jetzt auch deshalb so wichtig, weil sich der Online-Boom wieder abflachen werde. Hochgerechnet aus der Umfrage erwarten 65 Millionen Europäer, dass ihre Online-Aktivitäten mit zunehmender Beruhigung des Pandemiegeschehens abnehmen werden. Darunter sind 40 Millionen Verbraucher, die ihre Online-Aktivitäten gerade erst gesteigert hatten. "Die digitale COVID-19-Dividende hat ihren Höhepunkt erreicht", sagte Richter. "Vielen sehnen sich nach physischer Nähe und werden - zumindest teilweise - wieder zu ihren bevorzugten analogen Kanälen zurückkehren." Wie treu Verbraucher gegenüber digitalen Diensten sein werden, zeige sich in erster Linie in der Nutzungszufriedenheit und der Innovationskraft auf den einzelnen Sektoren.