IDC-Studie

Deutsche Firmen ringen um Nachhaltigkeit

23.06.2023
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Obwohl die Mehrheit der hiesigen Firmen die Vorteile von Nachhaltigkeit für ihr Business erkannt hat, fehlt dem Großteil eine ganzheitliche Strategie dafür.
Nachhaltigkeit zahlt sich aus - nicht nur für die Umwelt, sondern auch finanziell.
Nachhaltigkeit zahlt sich aus - nicht nur für die Umwelt, sondern auch finanziell.
Foto: NicoElNino - shutterstock.com

Deutsche Unternehmen haben längst erkannt, dass das Thema Nachhaltigkeit und nachhaltige IT- und Wertschöpfungsprozesse - als angenehmen Nebeneffekt - einen entscheidenden Beitrag für den Geschäftserfolg und die Business Resilience leisten können. In einer IDC-Umfrage unter 210 Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeiter nannten die Teilnehmer als interne Haupttreiber für Nachhaltigkeitsinitiativen:

  • Kostensenkungen (30 Prozent),

  • Effizienzverbesserungen (20 Prozent) sowie

  • Möglichkeit für mehr Innovation (19 Prozent).

Daneben spielten natürlich externe Treiber eine wichtige Rolle. Etwa:

  • Compliance und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben (19 Prozent),

  • politischer Druck (17 Prozent) oder

  • die Kundennachfrage nach umweltfreundlichen Angeboten (17 Prozent).

Wie die IDC-Studie "IT & Sustainability in Deutschland 2023" zeigt, ist Nachhaltigkeit also schon lange kein "Nice-to-have" mehr. Der Ruf danach, unter anderem auch bei den Mitarbeitern, wird immer lauter und bringt Unternehmen dazu, das Thema ernsthaft und umfassend zu adressieren. Um das Potenzial zu realisieren, wird in nachhaltige Wertschöpfungsprozesse und IT investiert, dokumentieren die Studienergebnisse: Über zwei Drittel haben im Jahr 2023 das gleiche oder ein höheres IT-Budget für nachhaltige IT-Projekte zur Verfügung als noch im Jahr 2022.

"Wir sehen, dass neben strategischen, operativen und organisatorischen Änderungen vor allem auch moderne IT-Technologien elementar sind, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und ein nachhaltiges Business zu realisieren", kommentiert Sabrina Schmitt, Senior Consultant bei IDC, diese Entwicklung.

Soweit die gute Nachricht, von einer konkreten Herangehensweise in Form einer Nachhaltigkeitsstrategie ist ein Großteil der befragten Unternehmen in Deutschland allerdings noch weit entfernt. Wie die Untersuchung ergab, verfügen lediglich 30 Prozent von ihnen aktuell über eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie, bei der Initiativen und Maßnahmen langfristig aufgesetzt, Ziele streng definiert und sämtliche Unternehmens- und Wertschöpfungsprozesse sowie die IT eingebunden sind.

Schnelle punktuelle Maßnahmen statt Langfrist-Strategie

Andere haben zumindest ein konkretes Nachhaltigkeitsprogramm (31 Prozent) oder mehrere individuelle, aber nicht zwingend zusammenhängende Initiativen (25 Prozent) ausgearbeitet. Diese beiden Ansätze verfolgen aber eher punktuelle Maßnahmen und sind kurz- bis mittelfristig gedacht. Aus Sicht von IDC müssen diese dringend in langfristige, strategische Initiativen umgewandelt werden, um Schritt für Schritt einem ganzheitlichen Ansatz näherzukommen.

Wie die Umfrage darlegt, konzentrieren sich Unternehmen aktuell primär auf Ziele, die kurzfristig beziehungsweise zügig umgesetzt werden können. Zum Beispiel:

  • der Reduzierung von Abfall (60 Prozent),

  • der Senkung des Energieverbrauchs (57 Prozent) und

  • der Verbesserung der Employee Experience (49 Prozent).

Immerhin: Innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre planen die Unternehmen, ihre Maßnahmen mit der CO2-Neutralität (45 Prozent), der Zusammenarbeit mit ähnlich denkenden Lieferanten (45 Prozent) und dem Bezug von Energie aus erneuerbaren Quellen (43 Prozent) sukzessive auszuweiten.

Zahlreiche Hindernisse auf dem Weg

Wieviel davon umgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten. Laut Studie haben die Unternehmen bereits jetzt bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. So gehören für jeweils rund ein Viertel der Unternehmen der Fachkräftemangel sowie veraltete IT-Infrastrukturen zu den größten Herausforderungen, gefolgt von:

  • der Messbarkeit des ROIs (21 Prozent),

  • der operativen Einbindung der Mitarbeiter (20 Prozent) und

  • der Kosten beziehungsweise fehlenden Mittel für Initiativen (19 Prozent).

Auch die Erfassung von Kennzahlen, um Rückschlüsse auf den Erfolg der Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu ziehen, erfolgt derzeit teilweise nur granular. So werden zwar allgemeine Kennzahlen wie Energieverbrauch, Wasserverbrauch oder CO2-Emission bereits mehrheitlich erfasst.

Im Hinblick auf die interne IT-Infrastruktur gibt es laut IDC-Studie aber noch Luft nach oben. Denn während immerhin 37 Prozent den Energieverbrauch der internen IT-Infrastruktur - also für das Gesamtrechenzentrum - trackt, erfasst ein jeweils deutlich geringerer Teil den Energieverbrauch für:

  • einzelne Server und Netzwerk-Devices (20 Prozent),

  • Racks (14 Prozent),

  • Applikationen (12 Prozent) oder

  • einzelne Endgeräte (2 Prozent).

Diese Kennzahlen seien jedoch wichtig, um anhand der Verbräuche Stromfresser zu identifizieren und Sparmaßnahmen in Angriff zu nehmen.

Cloud als grüne Alternative

Apropos Maßnahmen: Um das Unternehmen beziehungsweise einzelne Wertschöpfungsprozesse nachhaltiger zu gestalten, setzen laut Umfrage:

  • 52 Prozent der Unternehmen auf Private- oder Hybrid-Cloud-Umgebungen,

  • weitere 45 Prozent auf die Public Cloud und

  • 43 Prozent auf Technologien für Remote Work.

Technologien wie KI, ML, Predictive Analytics und IoT, werden dagegen von den Unternehmen derzeit weniger genutzt. Sie sind jedoch in den nächsten 12 bis 24 Monaten umfassend eingeplant. Um die IT-Infrastruktur selbst nachhaltiger zu gestalten, setzt jeweils ein Drittel auf neue Hardware, ein verbessertes Energiebewusstsein für Softwareanwendungen (Green Coding) und einen Mix aus erneuerbaren Energiequellen. In vielen Unternehmen gibt es auch bereits eine spezielle Rolle oder ein ganzes Team, das sich auf nachhaltige IT konzentriert.