Trotz Einstellungsflaute in der High-Tech-Branche gibt es Bereiche, in denen nach wie vor Spezialisten gesucht werden. Dazu gehört der Umweltinformatiker. Allerdings ist der Kreis der Gesuchten relativ klein - und Umweltinformatiker nicht gleich Umweltinformatiker. Während die einen Schäden untersuchen, die die Natur angerichtet hat, versuchen andere, in den Unternehmen Umweltschäden durch die Produktion zu vermeiden und ökologisches Gedankengut zu fördern. Die betriebliche Umweltinformatik (BUI) hat nämlich das Ziel, dass die Firmen ökologische und ökonomische Aspekte gleichzeitig berücksichtigen.
Horst Kleine, der an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (FHTW Berlin) den Studiengang betriebliche Umweltinformatik absolviert hat, betont: „Wir sind nicht nur reine Informatiker. Deshalb ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Betriebe neben der Technik auch die soziale Dimension berücksichtigen.“ Dabei könne die Informatik mit ihren Methoden, die bei den Auswertungen der Produktion eingesetzt werden, sehr hilfreich sein. Die besondere Stärke der betrieblichen Umweltinformatik liegt seiner Meinung nach in der Interdisziplinarität. Der künftige Umweltinformatiker: „Hier geht es um das Zusammenwirken von Natur, Technikwissenschaften sowie Human-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.“
Der Studiengang besteht laut Professor Uwe Frey, der in Berlin als Dozent tätig ist, aus drei Säulen: Umweltanalytik/Verfahrenstechnik, Betriebswirtschaft und Informatik: „Alle drei Studiengänge sind notwendig, damit die Studenten die Auswirkungen der Produktion auf die Umwelt erfassen und die Folgen beurteilen können.“ Am liebsten sieht Frey seine Studenten im Job als Promoter eines Umweltprojekts. Sie verständigen sich mit den Kollegen in der Fertigung und verkaufen die Umweltprojekte gleichzeitig an die Top-Etage. Der Berliner Hochschuldozent ist überzeugt, dass die betrieblichen Umweltinformatiker künftig sehr gefragt sein werden. Schließlich müssten die Konzerne aufgrund verstärkter gesetzlicher Regularien noch mehr als früher auf die Auswirkungen ihrer Produktion achten.
Studienmöglichkeiten für Umweltinformatiker
Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
www.bui-berlin.de
Fachhochschule Trier, Umwelt-Campus Birkenfeld
www.umwelt-campus.de/kontakt
Forschungszentrum Karlsruhe
Institut für Angewandte Informatik
www.iai.fzk.de/Institut/UI/Mitarbeiter
Hochschule Zittau/Görlitz
Fachgruppe Ökologie und Umweltschutz
http://cmsweb.hs-zigr.de/de/Studienangebot/Studiengaenge/oekologie.html
Universität Lüneburg
Umweltinformatik
http://umwelt.uni-lueneburg.de
Universität Potsdam
Arbeitsgruppe Bio- und Umweltinformatik
www.bioinf.cs.uni-potsdam.de
Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) München
www.lmu.de
Noch wenig Angebote
"Die Unternehmen suchen vorrangig Bindestrich-Informatiker", erklärt Hans Landschulz, Professor für Umwelttechnik am Studienort Rüsselsheim der Fachhochschule (FH) Wiesbaden. Die Industrie befürchte, dass reine Informatiker zu sehr auf ihr Gebiet fixiert seien und sich ungern in anderen Berufsfeldern weiterbilden. Bisher gebe es wenig Qualifizierungsangebote. Landschulz: "Der reine Studiengang Umweltinformatik wird selten angeboten." Dafür sei das Thema Umwelt in immer mehr Zusatzlehrgängen oder Aufbaustudiengängen zu finden.
Volker Wohlgemuth, der als Diplominformatiker an der Universität Hamburg und gleichzeitig beim Institut für Umweltinformatik tätig ist, beschreibt die Aussichten für betriebliche Umweltinformatiker als gut, sieht aber auch einige Hemmnisse: "Selbst wenn die Unternehmen die Brisanz erkennen, sind sie zurzeit nur bedingt bereit, Umweltspezialisten einzustellen." Die Zurückhaltung gelte aber offensichtlich nur für die Einstellung neuer Mitarbeiter - für den betrieblichen Umweltschutz selbst würden durchaus Mittel zur Verfügung gestellt. Wohlgemuth, der in der Privatwirtschaft als Berater für die Einführung betrieblicher Umweltinformationssysteme tätig ist, meint: "Dass die Unternehmen so wenig neue Mitarbeiter einstellen ist die große Chance für freiberufliche Umweltberater und -informatiker. Qualifizierte Hochschulabsolventen können sich hier eine Nische schaffen." Zu den Aufgaben eines betrieblichen Umweltinformatikers gehöre es, Software zu pflegen, die den Umweltschutz unterstützt, Umweltdaten aus bestehenden Informationssystemen zu integrieren oder Schnittstellen zwischen den verschiedenen Softwarewerkzeugen zu schaffen.
Während sich die betrieblichen Umweltinformatiker auf den Fluren der Unternehmen tummeln, sind die technisch orientierten eher als Freiberufler Tag und Nacht vor dem Rechner zu finden. Für Letztere ist der Einsatz eines perfekten Computernetzes geradezu überlebenswichtig: Denn bei den so genannten Georisiken hängen Menschenleben vom Einsatz komplexer Software ab.
Geo- und Umweltforscher Heiner Igel, Projektleiter "Internationales Qualitätsnetz Georisiken" beim Institut für Geophysik der Uni München, untersucht gefährdete Erdbebengebiete: "Die Regionen, in denen mit schweren Erdbeben gerechnet werden muss, sind den Wissenschaftlern bekannt - nur der Zeitpunkt der Katastrophen ist schwer vorhersagbar." Das beste Beispiel dafür sei die Tsunami-Katastrophe Ende 2004 gewesen. Im Jahre 2001 wurde das Seismometernetz in Bayern erweitert, um gezielt die Seismizität in Bayern und den angrenzenden Ländern beobachten zu können.
Mehr Katastrophen
In der Erdbeben-Gruppe von Professor Igel sind Physiker, Geologen, Mathematiker, Informatiker und auch Bauingenieure tätig. Seiner Meinung nach müssten die Geowissenschaftler weltweit noch enger zusammenarbeiten; nur so könnten die Synergien entsprechend genutzt werden. Die Uni München gehört zu den Hochschulen, die im vergangenen Jahr einen Bachelor- und einen Master-Studiengang in Geowissenschaften eingeführt haben. Die Absolventen können bereits nach drei Jahren einen Universitätsabschluss vorweisen. Igel ist überzeugt, dass die Geowissenschaften weltweit eine immer wichtigere Rolle einnehmen werden. Schließlich würden Überschwemmungen, Vulkanausbrüche, Erdbeben und magnetische Stürme eher zu- als abnehmen. Der Erdbebenexperte: "Aufgrund der vielen Katastrophen werden verstärkt neue große Projekte initiiert, die sich mit Geogefährdung beschäftigen. Dies wird sich nicht legen, da die Öffentlichkeit und die Politiker durch die jüngsten Ereignisse nicht zu Unrecht wach gerüttelt wurden." Für den Beruf in der Umweltforschung sollten sich, so Igel, nur solche jungen Leute entscheiden, die wetterfest sind, Spaß an der Natur haben und bereit sind, unter widrigen Umständen zu arbeiten.