Aus der einstigen Nische hat sich der Normalfall entwickelt: IT-Freiberufler sind in vielen Projekten präsent, und nach Angaben der Einsatzunternehmen kommen inzwischen 54 Prozent der IT-Experten von außen - so eine Umfrage der COMPUTERWOCHE zum Status quo der Branche. Der Grund für den Erfolg des Modells liegt sicher nicht nur an der Nachfrage nach speziellen Kompetenzen, sondern auch an der Zufriedenheit aller Beteiligten. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der gemischten Teams aus internen und externen Mitarbeitern: Stattliche 99,2 Prozent der Unternehmen sind zufrieden mit Mixed Teams, Befragte aus der IT und Fachbereichen stimmen sogar zu 100 Prozent zu. Auch mehr als zwei Drittel der Freiberufler sind "grundsätzlich immer" oder zumindest "sehr häufig" mit dem Einsatz in gemischten Arbeitsgruppen zufrieden.
Win-win? Grundsätzlich ja, wenn es nicht die rechtlichen Rahmenbedingungen geben würde, die das Arbeitsumfeld in einem diffusen Licht erscheinen lassen. Fehlende Einheitlichkeit bei Vorgehensweisen und Normen sowie rechtliche Unklarheiten könnten auf Dauer als Wachstums- und Innovationshemmer für die Wirtschaft wirken, befürchtet nicht nur Experis-Geschäftsführerin Sonja Pierer. Schließlich gehe es hier sowohl um Scheinselbständigkeit als auch um das 2017 reformierte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) mit neuen und zusätzlichen Herausforderungen etwa zur verdeckten Arbeitnehmerüberlassung.
Auch Carlos Frischmuth von Hays verweist bei den größten Herausforderungen auf die arbeitsmarktpolitischen Regulierungen, die zu einer "hohen Sensibilität beim Einsatz von Fremdpersonal mit Dienstverträgen" geführt hätten. Mit Folgen, so der Manager Director IT Contracting: "Abläufe verzögern sich durch längere Prüfzeiten, es wächst die Bürokratie." Und GULP- Geschäftsführer Ertan Demirel spricht von einer deutlichen Verunsicherung am Markt: "Wir erkennen den Trend, dass viele Entscheider auf der Unternehmensseite angesichts der rechtlichen Unsicherheit eine Vermeidungsstrategie verfolgen."
Frank Eckes, Geschäftsführer der Allgeier Experts Go GmbH, sieht die rechtlichen Rahmenbedingungen ebenfalls als potenzielle Bremse für die weitere Entwicklung: "Ich halte die Veränderungen für schlecht durchdacht und im Fall der IT-Experten für ein nicht adäquates und im Übrigen auch nicht notwendiges Mittel, um die gewünschten Wirkungen zu erzielen." Die Unsicherheit schlage sich Eckes zufolge auch auf den Markt nieder, "derzeit stagnieren die Projektanfragen für Freelancer-Unterstützung auf hohem Niveau". Für den Allgeier-Manager ist klar: "Die Nachfrage bestimmt den Preis. Fallen die gesetzlichen Schranken, werden sowohl die Anzahl an Projektanfragen als auch die Preise wieder steigen." Denn trotz der Verunsicherungen durch den Gesetzgeber sei die Notwendigkeit, Freelancer-Know-how zu nutzen, weiterhin vorhanden.
Studie weist leichten Rückgang der Stundensätze aus
Damit spielt Eckes auf eine überraschende Erkenntnis der aktuellen COMPUTERWOCHE-Studie an: Die Hoffnungen der IT-Freiberufler an die weiterhin positive Entwicklung des Stundensatzes haben sich 2018 zumindest laut der Umfrage nicht erfüllt. Statt wie erwartet zu einem deutlichen Anstieg ist es zu einem leichten Rückgang der Stundensätze auf 86,73 Euro gekommen. Der Dämpfer zeigt sich auch in den prognostizierten Umsätzen für 2019, wo sich die Erwartungen etwas eingetrübt haben. Zudem ist der Anteil der Freelancer mit einem Jahreseinkommen über 160.000 Euro leicht zurückgegangen. Experis-Geschäftsführerin Pierer führt die Entwicklung der Honorare zum Teil darauf zurück, dass die Zahl der IT-Freelancer in den vergangenen Jahren gestiegen ist. "Durch den größeren Pool an verfügbaren Experten kommt Bewegung in den Markt. Je nach Spezialisierung ist der Preisdruck in einzelnen Bereichen zu spüren." Insgesamt bewege sich der Markt aber weiter auf einem hohen Niveau.
- Compliance, Stundensätze & Konjuntur
Wie Personaldienstleister den Markt für IT-Freelancer hinsichtlich Scheinselbstständigkeit, Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ), Stundensätze und Konjunktur einschätzen. - Frank Eckes, Geschäftsführer Allgeier Experts Go
Derzeit stagnieren die Projektanfragen für Freelancer-Unterstützung auf hohem Niveau. Fallen die gesetzlichen Schranken, werden sowohl die Anzahl an Projektanfragen als auch die Preise wieder steigen. Denn trotz der Verunsicherungen durch den Gesetzgeber ist die Notwendigkeit, Freelancer-Know-how zu nutzen, weiterhin vorhanden. - Marcel Abel, Geschäftsführer Modis Contracting Solutions
Auch wenn es vermehrt Stimmen gibt, die eine Orientierung hin zur Arbeitnehmerüberlassung befürworten, sind es doch nur Einzelfälle, in denen sich IT-Freiberufler für ein Projekt in der Vertragsform der ANÜ entscheiden. - Ertan Demirel, Geschäftsführer GULP
Wir erkennen den Trend, dass viele Entscheider auf der Unternehmensseite angesichts der rechtlichen Unsicherheit eine Vermeidungsstrategie verfolgen. Unsere Beobachtung ist, dass gerade in den Trendbereichen wie KI, Big Data oder Business Intelligence externe Fachleute extrem gefragt sind. Freelancer fordern für diese Themen auf unserer Plattform Stundensätze von 100 Euro oder mehr. - Nikolaus Reuter, CEO Etengo
Die Realität hat gezeigt, dass gerade im hochqualifizierten Bereich und insbesondere in der IT weder die ANÜ noch der Werkvertrag wirklich gangbare Alternativen sind. Auch wenn es vermehrt Stimmen gibt, die eine Orientierung hin zur ANÜ befürworten, ist die Anzahl der IT-Freiberufler eher gering, die für ein Projekt in der Vertragsform der Arbeitnehmerüberlassung eingestellt und nach Projektende wieder als Freelancer tätig werden. Trotz der robusten Nachfrage werden laufende Projekte auf den Prüfstand gestellt. Zum einen gibt es strategische Kontrollen, ob man den eingeschlagenen Weg bei Innovations- und Digitalisierungsprojekten so weitergehen möchte oder auf Basis der bisherigen Erkenntnisse etwas nachzujustieren ist. Zum andern erleben wir stellenweise eine Zurückhaltung aufgrund der unklaren gesamtkonjunkturellen Entwicklung. - Stefan Oberdörfer, Chief Brand and Sales Officer freelance.de
Für einen Selbständigen, der in die Arbeitnehmerüberlassung wechselt und danach wieder als echter Freelancer agieren will, können Probleme entstehen. Wir stellen fest, dass sich die Schere bei der Vergütung weiter öffnet - spezialisierte Freiberufler werden zunehmend besser bezahlt, Anbieter von Standard- beziehungsweise gering komplexen Dienstleistungen hingegen tendenziell schlechter. - Sonja Pierer, Geschäftsführerin Experis
Die rechtlichen Rahmenbedingungen lassen das Arbeitsumfeld in einem diffusen Licht erscheinen. Die Einstellung von Experten in die Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) ist arbeitsrechtlich einfach die sicherste Lösung für beide Seiten, auch wenn sie gegebenenfalls höhere Kosten verursacht als die direkte Beauftragung eines Freiberuflers. Als Personaldienstleister müssen wir die passenden Lösungen finden und anbieten, die die unterschiedlichen Bedarfe und Anforderungen unserer Kunden, Mitarbeiter und Freelancer erfüllen. Nur so sind wir der perfekte Partner am Markt. Durch den größeren Pool an verfügbaren IT-Experten kommt Bewegung in den Markt. Je nach Spezialisierung ist der Preisdruck in einzelnen Bereichen zu spüren. - Carlos Frischmuth, Managing Director IT Contracting Hays
Die arbeitsmarktpolitischen Regulierungen haben zu einer hohen Sensibilität beim Einsatz von Fremdpersonal mit Dienstverträgen geführt. Abläufe verzögern sich durch längere Prüfzeiten, es wächst die Bürokratie. Bei den Stundensätze ist über die letzten Jahre hinweg eine kontinuierliche und stabile Entwicklung nach oben erkennbar. Dieser Anstieg ist moderat verlaufen, explodiert sind die Stundensätze nicht.
Andere wollen die sinkenden Stundensätze nicht bestätigen, etwa Marcel Abel, Geschäftsführer der Modis Contracting Solutions GmbH: "Unsere eigene Statistik weist bei den Stundensätzen der Freiberufler vielmehr auf einen leicht steigenden Trend hin." Seiner Einschätzung nach werden die Herausforderungen der Kunden immer komplexer und Freiberufler dadurch immer gefragter. "Diese Umstände haben zu einer Steigerung der Stundensätze geführt." Keinen generellen Abwärtstrend sieht auch Hays-Manager Carlos Frischmuth: "Dass die Stundensätze nach unten gehen, deckt sich nicht mit unserer Erfahrung." Vielmehr sei über die letzten Jahre hinweg eine kontinuierliche und stabile Entwicklung nach oben erkennbar. "Dieser Anstieg ist moderat verlaufen, explodiert sind die Stundensätze nicht."
Experten für KI, Big Data und BI sind heiß begehrt
GULP-Geschäftsführer Demirel pflichtet ihnen bei: "Laut unserem Stundensatzkalkulator sind die geforderten Honorare der bei uns registrierten Freelancer im letzten Jahr weiterhin leicht gestiegen." Eine Erklärung für den langsameren Aufstieg könnte seiner Einschätzung nach sein, dass mehr IT-Experten den Schritt in die Selbständigkeit gewagt haben, nicht zuletzt wegen der guten Auftragslage in den vergangenen Jahren. Zudem sei der Bedarf an externen Experten ein Indikator für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, die gegen Jahresende einen leichten Abschwung verzeichnete. "Unsere Beobachtung ist", so Demirel, "dass gerade in den Trendbereichen wie KI, Big Data oder Business Intelligence externe Fachleute extrem gefragt sind. Freelancer fordern für diese Themen auf unserer Plattform Stundensätze von 100 Euro oder mehr."
Aktuelle Projektbudgets stehen auf dem Prüfstand
Nikolaus Reuter, CEO der Etengo (Deutschland) AG, erkennt ebenfalls keine fallenden Stundensätze: "Unsere Zahlen sprechen eine andere Sprache, die vergangenen drei Jahre haben sich die Honorare durchweg positiv entwickelt." Mit durchschnittlich 5,7 Prozent sei der Zuwachs von 2017 auf 2018 "saftig" ausgefallen. "Dies spiegelt die Marktsituation wider", bilanziert Reuter, "daher würde ich die Zahlen der Studie nicht auf die Goldwaage legen." Allerdings räumt der Etengo-Chef trotz der "robusten Nachfrage" ein, dass vereinzelt auch bereits laufende Projekte auf den (Budget-)Prüfstand gestellt werden. Dies habe vor allem zwei Gründe: "Zum einen gibt es strategische Kontrollen, ob man den eingeschlagenen Weg - gerade bei Innovations- und Digitalisierungsprojekten - so weitergehen möchte oder auf Basis der bisherigen Erkenntnisse etwas nachzujustieren ist. Zum andern erleben wir stellenweise eine Zurückhaltung aufgrund der unklaren gesamtkonjunkturellen Entwicklung."