Neue digitale Geschäftsmodelle und Prozesse bedeuten neue Umsatzquellen und disruptive Wettbewerbsvorteile. Das Produktportfolio wird durch digitale Produkte ergänzt, und Information wird als strategischer Vorteil genutzt. Mit anderen Worten: Das Unternehmen erfindet sich neu. Die zweite wesentliche Eigenschaft eines digitalen Unternehmens ist: Es beherrscht die digitale Kommunikation: Immer wieder neu entstehende Medien und Kanäle werden kontinuierlich in die Unternehmenskommunikation mit allen Geschäftspartnern und auf allen Ebenen integriert. Nur so kann man digitalen Kunden folgen und alle Spuren in der digitalen Welt aufspüren. Ein digitales Unternehmen zeichnet sich weiterhin durch Industrialisierung, Agilität, regelkonformes (Compliance) und smartes Verhalten aus. Es basiert auf einem umfassenden Ansatz zu einem service-basierten Geschäftsprozess-Management, das auf Information Management, Performance Management und Analytik aufbaut.
Die digitale Transformation
Denkt man an digitale Unternehmen, dann denkt man sofort an Amazon, Apple, Google, Facebook und Co. Deren Vorteil war es sicherlich, dass sie bereits weitgehend als digitale Unternehmen entstanden sind. Sie haben also nie eine digitale Transformation durchgemacht. Daher lässt sich von diesen Unternehmen nicht unbedingt lernen, wie die Roadmap einer digitalen Transformation aussehen könnte oder sollte. Wirkliche Vorbilder in Sachen digitaler Transformation gibt es bis dato kaum. Daher müssen wir anders vorgehen.
Schaut man sich die Definition oben an, dann fallen sofort die Hauptdomänen auf, wo die digitale Transformation ansetzt:
Innovative Geschäftsmodelle;
digitale Kommunikation mit Markt, Kunden und Geschäftspartnern;
Digitalisierung der Produkte und Dienstleistungen sowie deren Prozesse;
Transformation der IT-Architektur, um diese Anforderungen zu unterstützen.
Daraus folgt: Die digitale Transformation ist keine reine IT-Aufgabe. Daher reicht es nicht, den CIO zum Treiber der digitalen Transformation zu machen. Es ist die Aufgabe der gesamten C-Riege, denn alle Unternehmensbereiche sind betroffen.
Mit dem Information Management fängt alles an
Wenn alle betroffen sind - wo fängt man denn da am besten an? Schauen wir dazu noch einmal in die Definition: Information Management macht den Kern eines digitalen Unternehmens aus! Denn es soll ja alles daten-getrieben und daten-gesteuert im digitalen Unternehmen ablaufen: von der Entscheidungsfindung bis zur Umsetzung in digitalen Produkten und Dienstleistungen sowie digitalen Prozessen. Mit anderen Worten: Eine digitale Transformation beginnt beim Information Management.
Wer sollte also innerhalb der C-Riege die digitale Transformation treiben? Der, der die Verantwortung für das Information Management und damit für Information und Daten hat. Also doch der CIO? Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob der CIO die Verantwortung für die Daten und ihre Inhalte hat, auf die es wirklich ankommt, wenn man ein daten-gesteuertes, also digitales Unternehmen sein will. Das ist in der Regel nicht der Fall, denn diese Verantwortung liegt meist verstreut über die Fachabteilungen. Marketing verantwortet die Marktdaten, der Vertrieb die Vertriebszahlen, die Produktion die Produktionszahlen usw.
Denn im Zuge der Frage "Wem gehören die Daten" wurde häufig und wird immer noch der Fehler gemacht, denjenigen zum Datenbesitzer zu machen, der mit den Daten in einem Prozess oder einer Applikation arbeitet. Aber das passt leider so nicht, denn ein und dieselben Daten werden in einem digitalen Unternehmen oft von mehreren Prozessen oder Applikationen genutzt. Daher ist es notwendig, die Frage der Eigentümerschaft von Daten sowie von Prozessen und Applikationen zu trennen: Prozesse, Applikationen und Daten sind unabhängig voneinander oder anders gesagt: Der Besitzer einer App oder eines Prozesses ist nicht notwendigerweise auch Besitzer der von der App genutzten Daten.
Wenn man also eine digitale Transformation einleiten will, dann muss hier als erstes aufgeräumt werden. Die digitale Transformation beginnt daher mit der Etablierung eines Chief Data Officers (CDO, auch Chief Digital Officer genannt).
Was tut ein Chief Data Officer?
Der CDO hat die Verantwortung, die digitale Transformation durch die Digitalisierung von Information Management einzuleiten und zu treiben. Das bedeutet insbesondere, Daten zu erfassen, zu managen, zu schützen und zu Geld zu machen. Seine Rolle lässt sich folgendermaßen beschreiben: Er/Sie
ist Teil der C-Riege und bringt Daten in den Fokus der C-Riege.
entwickelt und verantwortet Vision und Strategie des Daten-Managements, insbesondere des Managens von Daten wie ein Anlagegut.
koordiniert das unternehmensweite Enterprise Information Management (EIM).
etabliert Standards, Regeln und Organisation für EIM (Wissen, wo welche Daten sind und wo sie herkommen).
etabliert Datenmetriken und berichtet entsprechend an die Kollegen auf dem C-Level.
managt Data Governance.
managt Compliance (Datensicherheit und Schutz, Daten-Ethik).
managt Datenqualität.
managt Business Intelligence (BI), Date Warehouse (DW) und Kennzahlen.
managt Stammdaten-Management, Metadaten-Management und Daten-Modellierung.
etabliert Big Data Management (inklusive dem Managen von unstrukturierten Daten und von Datenströmen).
verantwortet die 360°-Kundensicht.
koordiniert Data in the Cloud.
verantwortet das Training und die Entwicklung von intellektuellem Kapital in Sachen EIM.
koordiniert die Technologien für Information Management inklusive Big Data Management.
Im Rahmen seiner Rolle verantwortet und steuert ein CDO die Data Scientists, die Data Stewards und die Daten-Service-Anbieter.
Data Scientists stellen die Verbindung zu den Business Analysts in den Fachabteilungen her und sollen die Verarbeitung von Big Data fördern und helfen, die Potenziale von Big Data auch zu realisieren. Sie treiben als Mittler zwischen der IT und den Fachabteilungen den weiteren Ausbau der Zusammenarbeit quer über alle Geschäftseinheiten inklusive der IT. Das erfordert neue Skills und eine Neuorientierung, denn ein digitales Unternehmen legt ja den Hauptfokus auf Information Management.
Data Stewards stellen die Verbindung zu den Fachbereichen her und sind über die Information Governance eingebunden. Sie sollten eine führende Rolle bei der Entwicklung von Datendefinitionen einnehmen. Sie sorgen vor allem für Transparenz der Daten und sollen aufzeigen, welche Probleme dem Gesamtunternehmen durch mangelhafte Datenqualität entstehen und wie man die Fachabteilungen in Sachen Datenqualität unterstützen kann. Sie haben insofern die Verantwortung für die Unternehmensdaten und damit eine horizontale Sicht über alle Daten.
Daten-Service-Anbieter stellen externe Daten wie demografische, soziografische, firmografische, geografische, statistische und auch anderen Daten zur Verfügung. Der CDO agiert hier als Einkäufer, um solche zuverlässigen und qualitativ hochstehenden Daten dem Unternehmen als Ganzes und den Fachbereichen zur Verfügung zu stellen.
Die digitale Transformation einzuleiten und zu treiben, ist also in erster Linie eine organisatorische, kulturelle und politische Aufgabe. Allerdings geht es natürlich auch nicht ohne Technologien. Dazu gehören alle bekannten Technologien des Information Management. Dieses besteht aus den drei Säulen Datenintegration, Stammdaten-Management und Datenqualitäts-Management auf der Basis von Informationslebenszyklus-Management und ist miteinander verbunden durch Information Governance (siehe Abb.). Insofern brauchen Unternehmen auch die entsprechenden Technologien für alle Komponenten. Da kann man entweder zu Gesamtlösungen greifen, die von den "großen" Anbietern wie IBM, Informatica oder Tibco angeboten werden, oder zu den jeweiligen Spezialisten, die in einer oder auch mehreren Säulen spezialisierte Lösungen anbieten. Interessant sind hier insbesondere Unternehmen, die mit neuen Ansätzen Nischen besetzen wie Denodo und Mulesoft für die Datenintegration oder Uniserv mit seinem Datenqualitäts-Management und jetzt mit neuen Ansätzen im Kundenstammdatenmanagement.
Wie unterscheiden sich CDO und CIO?
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rolle des CDOs die des CIOs ergänzt:
Der CIO verantwortet die IT und unterstützt das Business durch IT. Er ist im Rahmen der digitalen Transformation insbesondere für die Transformation der IT-Architektur verantwortlich (und damit sicher auch ausgelastet).
Der CDO motiviert und initiiert die Nutzung von Daten in den Fachabteilungen und hat vor allem eine horizontale, fachabteilungsübergreifende Sicht auf Daten.
Der CDO fungiert in diesem Sinne auch als Mittler zwischen CIO und Chief Marketing Officer (CMO). Der CDO unterstützt insbesondere den CMO durch das Bereitstellen der "richtigen" Daten, so dass der sich auf seine Marketing-Aufgaben im Rahmen der digitalen Transformation konzentrieren kann.
Was wird aus dem CDO nach der digitalen Transformation?
Der CDO ist also der eigentliche Wandler eines Unternehmens in ein digitales Unternehmen. Daher ist es auch nicht überraschend, dass sich die Anzahl der CDOs von 2013 auf 2014 verdoppelt hat, und sie soll sich Experten in 2015 nochmal verdoppelt haben. Das unterstreichen auch die Analysten von Forrester Research, die in ihren Trends 2016 einen Machtzuwachs des CDOs feststellen. Es ist hier aber zu betonen, dass Unternehmen, die gleich als digitale Unternehmen entstanden sind, in der Regel keinen CDO haben, denn an dieser Stelle braucht ja einerseits auch kein Wandel stattzufinden und andererseits existiert bereits ein funktionierendes Information Management als Basis des digitalen Unternehmens.
Das bedeutet in der Konsequenz aber auch, dass es nach vollzogener digitaler Transformation auch eine Aufgabe des CDOs ist, sich selbst abzuschaffen. Die Abschaffung der Rolle des CDO ist gleichsam die beste Metrik, um den Erfolg eines CDOs zu messen. Ein so erfolgreicher CDO wird dann häufig als CEO berufen, wie die bekannten digitalen Unternehmen zeigen. Jeff Bezos von Amazon ist ein gutes Beispiel dafür.
Fazit
Digitale Transformation bedeutet einen organisatorischen und kulturellen Wandel im Unternehmen. Zu adressieren sind dabei die vier Hauptdomänen, die ein digitales Unternehmen ausmachen: Innovation der Geschäftsmodelle, digitale Kommunikation mit Markt, Kunden und Geschäftspartnern, Digitalisierung der Produkte und Dienstleistungen sowie deren Prozesse und schließlich die Transformation der IT-Architektur, um diese Anforderungen zu unterstützen. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche digitale Transformation ist ein digitalisiertes Information Management. Das sollte auch der Ausgangspunkt einer digitalen Transformation sein, denn das Ziel der Digitalisierung ist ja, ein daten-gesteuertes Unternehmen zu werden. Daher muss ein Treiber des digitalen Wandels in der C-Riege etabliert werden, der bei dieser Digitalisierung des Information Management ansetzt: der Chief Data Officer. Er ist der eigentliche Wandler des Unternehmens, und er hat seine Rolle dann hervorragend gespielt, wenn er seine Rolle im digitalisierten Unternehmen abschaffen kann. Er wird dann vielfach als neuer CEO berufen. (ba)