Big Data Vendor Benchmark der Experton Group

Der Big-Data-Markt ist reif - doch die Anwender wollen nicht ernten

07.01.2016
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Zögerliche Investitionen und mangelnde Experimentierfreude hemmen die Entwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle. Dabei hätten die Anbieter durchaus die passenden Big-Data-Lösungen im Angebot, so das Ergebnis des Big Data Vendor Benchmark 2016 der Experton Group.

Big Data wird in Zukunft untrennbar mit Themen wie Industrie 4.0 und dem Internet of Things verbunden sein, stellten die Analysten der Experton Group im Rahmen ihres aktuellen "Big Data Vendor Benmchmark 2016" fest. Immer merh bereiche des Lebens generieren große Datenmengen und immer Bereiche werden durch aus Daten gewonnener Information getrieben. Gerade die digitale Transformation, in deren Rahmen die Anwenderunternehmen ihre Wettbewerbsposition stärken wollen, sei extrem datengetrieben, sagte Lutz Peichert, Vorstand und Chief Operating Officer (COO) der Experton Group. "Integration und Aggregation von Daten führen zu Information. Die Kombination von Informationen führt zu Wettbewerbsvorteilen."

So weit die Theorie. In der Praxis der Unternehmen scheint dies allerdings noch nicht angekommen zu sein. Den Verantwortlichen in den Unternehmen sei offensichtlich noch nicht ganz klar, was man mit Big Data machen will, konstatierte Holm Landrock, Lead Advisor Big Data bei der Experton Group. Vielfach liege der Fokus derzeit darauf, bestehende Geschäftsmodelle zu optimieren. "Es fehlt offenbar die Kreativität."

Big-Data-Lösungen sind da - werden aber nicht eingesetzt

Zudem haben aus Sicht der Analysten die in der Vergangenheit verfolgten Sparkurse in Sachen IT-Ausgaben zu einem Investitionsstau in vielen Unternehmen geführt. Budgets würden daher hauptsächlich für unabdingbare Projekte genutzt, etwa um den Betrieb der installierten Basis sicherzustellen und zu optimieren. "Gelder für innovative und zukunftsweisende Projekte sind aktuell Mangelware", lautet die Bilanz der Experton-Analysten. Auf der anderen Seite haben die Anbieter in den vergangenen Jahren ihre Big-Data-Lösungen kontinuierlich weiterentwickelt. Das hat zu der Situation geführt, "dass Produkte heute zwar die erforderliche Marktreife erlangt haben, ihr Einsatz aber immer noch weit hinter den Erwartungen zurück liegt".

Im Rahmen des dritten Big Data Vendor Benchmarks haben die Experton-Analysten von Juni 2014 bis Juli 2015 insgesamt 284 Big-Data-Anbieter im Markt identifiziert. Davon qualifizierten sich letzten Endes 100 Anbieter für die Teilnahme an der Studie. Diese wurden in verschiedenen Kategorien bewertet und dort je nach Portfolio-Attraktivität und Wettbewerbsstärke in Quadranten eingeordnet. Beispielsweise konnten sich im Bereich Big Data Consulting die Firmen T-Systems, Atos und IBM vorne im Leader-Quadranten positionieren. In der Liga der Datenbanken und Datenmanagement-Lösungen hatten die Branchengrößen IBM, Oracle, SAP und Microsoft die Nase vorn.

Big-Data-Markt wächst bis 2020 auf 3,75 Milliarden Euro

Trotz der aktuellen Zurückhaltung auf Anwenderseite geht die Experton Group davon aus, dass der deutsche Markt für Big Data in den kommenden Jahren deutlich zulegen wird - von knapp 1,4 Milliarden Euro im laufenden Jahr auf rund 3,75 Milliarden Euro im Jahr 2020. Das bedeutet ein durchschnittliches Wachstum von knapp 22 Prozent pro Jahr. Den Löwenanteil im Big-Data-Markt machen die damit verbundenen Services aus. Ihr Anteil wird den Experten zufolge von 54 Prozent im Jahr 2015 bis 2020 auf gut 60 Prozent steigen. Nach Branchen betrachtet wird im kommednen Jahr der Dienstleistungssektor der Hauptabnehmer von Big-Data-Lösungen hierzulande sein. Auf das Konto der Dienstleister soll ein Drittel des Marktes entfallen, gefolgt von der Fertigungsindustrie (19 Prozent), dem öffentlichen Sektor (17 Prozent) und dem Handel (12 Prozent).

Foto: Experton Group

"Anwender müssen darüber nachdenken, wo in ihren Unternehmen das Potenzial für ganz neue Geschäftsfelder stecken könnte - in den Daten!" sagt Analyst Landrock. Die Zukunft gehöre datengetriebenen Geschäftsmodellen, in deren Rahmen zusätzlicher Mehrwert durch die Analyse und Nutzung von Daten erzielt wird. Klassische Geschäftsmodelle würden durch Big Data dagegen lediglich optimiert. Statt klassischer Herangehensweisen rund um Datenaufbereitung und Modellerstellung, müssten Unternehmen erst neue Geschäftsstrategien und dazu passende Prozessen als Ausgangspunkt für wirklich innovative Big-Data-Projekte entwickeln.

Fachabteilungen treiben Big-Data-Investitionen

Wie diese Projekte initiert werden, ist aus Sicht der Experton Group nicht ganz unproblematisch für die IT-Abteilungen. Es bestehe die Gefahr, dass Cloud-Angebote für Analysen und Self-Service-IT-Lösungen eine Schatten-IT entstehen lassen. "Investitionen in Big Data wachsen nicht mehr aus der IT heraus, sondern aus den Fachabteilungen", konstatierte Landrock. Durch den Druck hin zu datengetriebenen Geschäftsmodellen sei Innovation gefordert. "Doch nur die wenigsten IT-Abteilungen sind in der Lage, die auch zuliefern." Die digitale Transformation sei eine der letzten Chancen für die IT, das Heft in die Hand zu nehmen, warnen die Analysten.