Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist: Diverse Unternehmen drehen sich beim Versuch, die Cloud-Migrationsfehler von vor einer Dekade zu beheben, im Kreis. Mangelnde Planung und fehlendes Verständnis haben dazu geführt, dass sich die Cloud-Rechnungen auftürmen - und CIOs händeringend versuchen, die Flut einzudämmen. Statt sich also darauf zu konzentrieren, Innovationen hervorzubringen, liegt der Fokus darauf, die Dinge im Nachhinein geradezuziehen - beziehungsweise es zu versuchen.
Funktionales GenAI-Versagen
Generative AI erfordert ein radikales Umdenken in Sachen Architekturprinzipien. Allerdings geht der Trend im Unternehmensumfeld momentan eher dahin, alte Strategien wiederzuverwenden oder umzufunktionieren. Die Innovation bleibt dabei auf der Strecke. Dieser Ansatz ist kurzfristig der bequemste - führt auf lange Sicht aber zu Stagnation und "Functional Failure". Letzteren Terminus verwende ich regelmäßig für sämtliche schlecht geplante Architekturen. Die funktionieren zwar, kosten aber zwei- bis zehnmal so viel wie sie sollen und bringen entweder keinen oder gar negativen Business Value. In der Cloud-Computing-Welt ist das ein gängiges Szenario. Ärgerlich und nervig ist das vor allem für die Mitglieder der zuständigen IT-Teams - geschäftsgefährdend ist es in der Regel nicht.
Das verhält sich bei KI-Systemen völlig anders: Sie sind für viele Firmen ein potenzielles, innovatives Differenzierungsmerkmal. Ein Beispiel sind etwa die intelligenten, KI-basierten Supply-Chain-Systeme, die im Auftrag einiger Industrieriesen entstehen: Sie nutzen die Technologie, um schneller und billiger zu produzieren und stellen parallel eine bessere Customer Experience bereit. Zwar werden Ihnen die allermeisten Unternehmen weismachen wollen, dass sie das längst umsetzen - in den meisten Fällen stimmt das aber nicht. Wenn doch, steht eine Marktdisruption im Stil von Uber oder Netflix ins Haus. Die Realität sieht in der Regel anders aus: Das Gros der heutigen GenAI-Systeme ähnelt sich stark. Was bedenklich ist, weil die Anwenderunternehmen sich deutlich unterscheiden und jeweils ihre eigenen Anforderungen mitbringen. Wenn sich Systeme gegenseitig spiegeln, können Sie deren Potenzial nicht mehr voll ausschöpfen. Die Folge: Sie werden zu kostspieligen Verbindlichkeiten.
Dabei steht zu befürchten, dass auch regelmäßig Events und Konferenzen als "Inspiration" für die eigene Architektur genutzt werden. Eine wirklich gut funktionierende Architektur ist allerdings für einen spezifischen Anwendungsfall konzipiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie die im Rahmen einer Keynote veranschaulichte Wertschöpfung einfach wiederholen können, ist nicht nur gering, sondern gleich null. Der Architekt, der für einen bestimmten Cloud-Anbieter in Halle C arbeitet, kann Ihnen mit seinem Vortrag um 14:15 Uhr nur allgemeine Muster liefern. Davon werden die meisten für Ihre speziellen Anwendungsfälle nicht brauchbar sein - können Ihnen aber unter Umständen dabei helfen, eigene innovative Lösungen zu entwickeln.
Der Erfolg generativer KI hängt im Wesentlichen davon ab, wie gut die Technologie auf die individuellen Bedürfnisse eines Unternehmens abgestimmt ist. Im Klartext: Zeit sich von All-in-One-Lösungen zu verabschieden und maßgeschneiderte Architekturen zu entwickeln, die robust und flexibel genug sind, um mit den Anforderungen zu wachsen. Das heißt auch, überhastete Deployments für kurzfristige Gewinne durch eine durchdachte, strategische KI-Integration zu substituieren. Das ist der einzige Weg zu KI-Systemen, die dauerhafte Benefits realisieren. (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.