Der bloße Blick auf den stattlichen Berg an Bewerbungen zur ersten Auflage des Digital Leader Award genügt, um zu erkennen: Um die digitale Transformation in Deutschland scheint es nicht so schlecht bestellt zu sein, wie manche Zweifler gerne behaupten. Insgesamt 93 Bewerbungen sind für den gemeinsam von Dimension Data Deutschland und IDG Deutschland ins Leben gerufenen Wettbewerb eingegangen.
In Summe zeichnen diese Bewerbungen ein ausgesprochen heterogenes Bild vom Status quo der digitalen Transformation in Deutschland. Zwar stellen die Einreichungen keinen repräsentativen Querschnitt durch alle Branchen und Funktionsbereiche der deutschen Unternehmen dar, doch sie lassen einige spannende Rückschlüsse zu.
Allein durch die quantitative Verteilung auf die sechs Kategorien des Digital Leader Award lässt sich erahnen, wo die Unternehmen den inhaltlichen Schwerpunkt ihrer transformatorischen Bemühungen setzen. Weiter geben die Bewerber durch den Zuschnitt von Projekten, Projektteams, eingesetzten Tools und Organisationsformen einen Einblick in die konkreten Maßnahmen zur Transformation von Prozessen, Produkten und sogar ganzen Unternehmen.
Fokusthema: Strategische Ebene
Mit 21 Bewerbungen ging eine signifikante Zahl an Einreichungen in der Kategorie Create Impact ein. Hier werden vor allem Projekte ausgezeichnet, die Unternehmen strategisch neu ausgerichtet haben. Im Blick sind beispielsweise Ansätze zur strategischen Entwicklung neuer Unternehmensstrukturen oder gar das Konzipieren und Umsetzen konzernweiter Digitalisierungsstrategien, wobei es gilt, die an der Wertschöpfung beteiligten Stakeholder einzubinden.
Dabei zeigt sich: Die meisten Unternehmen nutzen agile Methoden, um ihre Kernprozesse zu transformieren. Die Bandbreite reicht von internen Prozessen in Backoffice oder Logistik über Prozesse mit Kundenfokus in Vertrieb und Marketing bis hin zum Einrichtung digitaler Labs, in denen systematisch Innovationen angestoßen werden.
Der überwiegende Teil der eingereichten Projekte fußt auf einem in den Organisationen fest verankerten digitalen Mindset und dem dazu gehörenden theoretischen und methodischen Unterbau.
Spannend ist zudem auch der Blick auf die viel diskutierte Frage nach einer allein verantwortlichen Ressource für die Digitale Transformation: In der Kategorie Create Impact geben acht Bewerber an, eine solche Ressource eingerichtet zu haben - die Funktionsbezeichnungen und Berichtslinien weichen allerdings stark voneinander ab. Bei weiteren 13 Bewerbern gibt es keine Alleinverantwortung für die Digitalisierung. Hier dominieren digitale Boards als bereichsübergreifende Entscheidungsgremien.
Produkte und Services werden digitalisiert
Die Award-Kategorien Shape Experience und Invent Markets rücken primär die Produkte und Dienstleistungen der Bewerber in den Fokus. Während die Einreicher in der Kategorie Shape Experience bereits bestehende Produkte oder Dienstleistung durch Digitalisierung um neue Chancen zur Wertschöpfung erweitert haben, schufen die Bewerber von Invent Markets auf der "grünen Wiese" komplett neue Ansätze.
Die meisten Einreichungen konnten die beiden Kategorien Shape Experience (22) und Invent Markets (20) für sich verbuchen - ein Anhaltspunkt dafür, dass Unternehmen die (Weiter-) Entwicklung eigener Produkte und den Ausbau vorhandener Wertschöpfungsketten als elementaren Erfolgsfaktor betrachten.
Neben zahlreichen App-Innovationen (beispielsweise in der Logistik- oder Finanzbranche) umfassten diese Bewerbungen auch einige Serviceprojekte, die auf digitalen Technologien wie Cloud Computing, Machine Learning und Big Data basieren. In der Regel wurden dabei Projekte realisiert, in denen sowohl der Bewerber, als auch sein Kunde - in manchen Fällen auch beide - profitieren.
Ebenfalls mit dabei: Ausgründungen von Geschäftsbereichen in Form von Startups, die neue Geschäftschancen außerhalb der klassischen - manchmal ausgtretenen - Pfade ermöglichen. Die Bewerber kommen dabei aus verschiedenen Branchen, beispielsweise Maschinenbau, E-Commerce oder Telekommunikation.
- Technologie, Gewichtung 20 Prozent
Ohne Technologie ist die Digitale Transformation nicht denkbar – egal, ob es um Infrastrukturen, Collaboration-Tools oder selbstlernende Systeme geht. Technologie schafft die Voraussetzungen für neue Prozesse, kürzere Time-to-Market und neue Kundenerlebnisse. Deswegen fragt die Jury des Digital Leader Award für die Bewertung der eingereichten Bewerbungen vor allem danach, ob von den Bewerbern zukunftsweisende digitale Technologien wie z.B. Sensoren, Cloud Services, Analytics-Modelle, mobile Endgeräte, Drohnen, künstliche Intelligenz o.ä. eingesetzt, in übergeordnete Strategien eingebunden und messbare Erfolge generiert wurden. Ebenfalls relevant für die Bewertung ist die Frage, inwiefern die Kombination bestimmter Technologien, Plattformen und Services (z.B. Algorithmen, Hightech-Stoffe mit Sensoren oder intelligente Security-Algorithmen), die den Bewerber schneller und wendiger machen, für neue Sicherheits-Levels sorgen oder sich hinsichtlich der Time-to-Market positiv auf den Geschäftserfolg auswirken. Nicht zuletzt ist mit Blick auf die technologische Perspektive entscheidend, ob Bewerber es schaffen, durch die Integration neuer digitaler Technologien und Services (z.B. hybride Clouds, Blockchain, APIs, CRM-Systemen mit Geo- und Social-Daten usw.) ihre IT agiler zu machen und neue Geschäftsmodelle im Unternehmen zu stützen. Wer mit seiner Bewerbung einen Digital Leader Award gewinnen will, muss die Jury von der Auswahl der eingesetzten Technologien, der Orchestrierung der eingesetzten Lösungen und ihrer jeweiligen Komplexität sowie hinsichtlich der Auswirkungen auf die digitalen Geschäftsmodelle der Bewerber überzeugen. Wer mit seiner Bewerbung einen Digital Leader Award gewinnen will, muss die Jury von der Auswahl der eingesetzten Technologien, der Orchestrierung der eingesetzten Lösungen und ihrer jeweiligen Komplexität sowie hinsichtlich der Auswirkungen auf die digitalen Geschäftsmodelle der Bewerber überzeugen. - Digitale Methodik, Gewichtung 25 Prozent
Ebenso wichtig wie Leadership und Technologie ist die digitale Methodik. Die Jury erwartet von den Bewerbern des Digital Leader Award, dass diese die „Time to Market“ für neue Produkte und Services verkürzen, Prozesse verschlanken, Business- und Preismodelle verbessern sowie die Reaktion (und deren Qualität) gegenüber Kunden beschleunigen. Dafür setzen die Bewerber Ihre Projekte auf dem neuesten Stand der Methodik um – auch und gerade weil dies tradierte Herangehensweise disruptiert. Dabei kann es beispielsweise in der Produktentwicklung um den Einsatz von Design Thinking gehen, um Agile Development und Agile Testing in der Softwareentwicklung, um Crowdfunding im Vertrieb innovativer neuer Produkte oder um die Ausgründung eines Innovations-Nukleus als Lean-Startup. Wer mit seiner Bewerbung einen Digital Leader Award gewinnen will, muss glaubhaft machen, dass seiner Bewerbung der Einsatz moderner digitaler Methodik zugrunde liegt und so die Time-to-Market neuer Produkte signifikant reduziert und das Kundenerlebnis – egal ob intern oder extern – signifikant verbessert werden konnte. - Digital Leadership und Innovationskultur, Gewichtung 35 Prozent
Zu den Kernherausforderungen der digitalen Transformation gehört es, auf allen hierarchischen Ebenen und über alle Unternehmensbereiche hinweg eine digitale Kultur zu fördern. Digital Leadership schlägt sich im Verhalten und der fachbereichsübergreifenden Zusammenarbeit der Mitarbeiter, aber auch im Auftreten von Mitarbeitern und Managern nach Außen nieder. Eine umfassende Innovationskultur im Sinne eines „Digital Mindset“ ist deshalb für den Aufbruch in die digitale Zukunft entscheidend. Hier kommt es darauf an, ob das Unternehmen seinen Mitarbeitern „Entrepreneurial Spirit“ einhauchen und den dazu nötigen Gestaltungsspielraum einräumen kann und auch eine zukunftsgewandte Fehlerkultur etabliert. Dabei dürfen sich die kreativen Inseln nicht zu weit vom restlichen Unternehmen entfernen. Vielmehr müssen Innovatoren imstande sein, das Unternehmen mit den digitalen Innovationen zu „infizieren“ – mit den eigenen Kollegen als Botschaftern. Führungsverantwortlichkeiten und –rollen (etwa der Chief Digital Officer) sorgen dafür, dass die nötigen Leadership-Skills vorhanden sind und ein entsprechender Entrepreneurial spirit entstehen kann. Wichtig ist daher auch ein aktives Talent-Management zur Stärkung der Digital Skills, z.B. über spezielle Ausbildungsprogramme, Digital Bootcamps, Mentoring oder den Aufbau von Digital Think Tanks, Digital Boards mit externen Sparringspartnern oder architektonische Maßnahmen zur Optimierung der digitalen Arbeitsweise. Wer mit seiner Bewerbung einen Digital Leader Award gewinnen will, muss in seiner Organisation diese Punkte glaubhaft adressiert haben, um sich Wettbewerbsvorteile und Innovationsvorsprünge zu erarbeiten und sich Digital Leader nennen zu können. - Customer Value und wirtschaftlicher Erfolg, Gewichtung 20 Prozent
Die Digitale Transformation darf für Bewerber des Digital Leader Award nicht Selbstzweck sein. Vielmehr stehen Kundennutzen, eine konsistente Customer Journey und schließlich auch der Wertbeitrag der vom Bewerber beschriebenen Maßnahmen im Fokus. Da viele Investitionen in die Digitale Transformation eines Unternehmens langfristig ausgelegt sind, geht es für die wirtschaftliche Bewertung durch die Jury nicht vorrangig um kurzfristig mögliche Rendite- oder Umsatzsteigerungen, sondern um die längerfristige und vor allem nachhaltige Erschließung neuer Wachstumspotenziale durch die Bewerber. Sie lassen sich realisieren aus einem erhöhten Produkt- oder Service-Nutzen, steigenden Conversion Rates, einer geringeren „Total Cost of Ownership“ oder steigenden Kunden- und Umsatzzahlen. Diese Potenziale können für die Jury im Rahmen der Bewerbung in Form von Prognosen oder Businessplänen dargestellt werden. Wer mit seiner Bewerbung einen Digital Leader Award gewinnen will, muss also darlegen, wie der Wertbeitrag der umgesetzten Maßnahmen prognostiziert und die Erreichung der Prognose sichergestellt wurde. Wer mit seiner Bewerbung einen Digital Leader Award gewinnen will, muss glaubhaft machen, dass seiner Bewerbung der Einsatz moderner digitaler Methodik zugrunde liegt und so die Time-to-Market neuer Produkte signifikant reduziert und das Kundenerlebnis – egal ob intern oder extern – signifikant verbessert werden konnte. Wer mit seiner Bewerbung einen Digital Leader Award gewinnen will, muss also darlegen, wie der Wertbeitrag der umgesetzten Maßnahmen prognostiziert und die Erreichung der Prognose sichergestellt wurde.
In HR und Public Sector weniger Bewerbungen
Viele Bewerber beschäftigen sich im Rahmen ihrer Digitalisierungsanstrengungen auch mit Collaboration. In der Kategorie Spark Collaboration bewarben sich 13 Unternehmen mit innovativen Ansätzen der digitalen Zusammenarbeit. Eingereicht wurden Social-Intranet-Projekte ebenso wie Unified-Communications-Ansätze, Mobile Workplaces oder neuartige Bürokonzepte.
Weniger Bewerbungen als in den anderen Kategorien ging unter dem Label Empower People ein. So beschäftigen sich sieben Einreichungen mit Maßnahmen zur Talententwicklung im digitalen Zeitalter, wobei unter anderem Innovation Labs beschrieben werden, in denen Mitarbeiter gemeinsam an neuen Ideen arbeiten. Auch E-Learning-Initiativen und unternehmensweite Kampagnen zum Employer Branding finden sich unter den Eingängen.
Die vergleichsweise niedrige Fallzahl könnte mit dem heraufziehenden War for Talents zusammenhängen, der dazu geführt hat, dass viele Unternehmen nicht mehr über ihre Recruiting- und HR-Best-Practices sprechen wollen. Oftmals spielen aber auch datenschutzrechtliche Bedenken eine wichtige Rolle. Nichtsdestotrotz zeigen die Bewerbungen, dass sich sowohl im Recruiting als auch in der Aus- und Weiterbildung der eigenen Belegschaft durch digitalisierte Prozesse und Methoden große Mehrwerte generieren lassen.
In der Kategorie Digitize Society schließlich gingen zehn Projekte an die Jury. Hier zeigen öffentliche Institutionen und Behörden ihre Fortschritte in Sachen digitaler Transformation. Bei Digitize Society geht es in erster Linie darum, zum Nutzen der Allgemeinheit zu wirken - und nicht einen möglichst schnellen Return on Invest (RoI) zu erzielen. Das ist den Bewerbern etwa mit Einreichungen aus der Krebsforschung, dem Betrieb von Verkehrsinfrastrukturen, intelligenten Stadtmöbeln oder der Betriebssicherheit kommunaler IT gelungen.
Fazit
Der Digital Leader Award zeigt mit seinen beinahe 100 Bewerbungen, dass die Transformation von Organisationen, Prozessen, Fachbereichen und Infrastrukturen in deutschen Unternehmen in vollem Gang ist. Auf der folgenden Seite führen wir das gesamte Bewerberfeld von 2016 auf (mit Ausnahme derjenigen Teilnehmer, die einer Veröffentlichung nicht zugestimmt haben) und geben auf Seite 3 schließlich bekannt, welche Bewerber es nach dem Urteil unserer Fachjury unter die Top-3 ihrer Kategorie geschafft haben. Die Sieger des Digital Leader Award 2016 finden Sie hier.