Seit einiger Zeit sorgt eine Betrugsmasche auf WhatsApp für Schlagzeilen, mit der besorgte Eltern dazu gebracht werden sollen, höhere Geldbeträge für ihr - vermeintliches - Kind auf ein Konto zu überweisen. Wie die Süddeutsche berichtet, zählte 2022 allein das Landeskriminalamt in Bayern mehr als 11.000 Anzeigen, in Niedersachsen gab es über 9.000 Fälle, in Nordrhein-Westfalen nahm die Polizei 15.000 Anzeigen entgegen. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, da viele Betroffene, die nicht geschädigt wurden, auf weitere Schritte verzichten.
Bereits der Betrugsversuch ist strafbar
Zumal es schwer ist, dem schändlichen Treiben Einhalt zu gebieten, wie ein Gespräch der Computerwoche mit Michael Schroer, Kriminalhauptkommissar im Bereich Kriminalprävention und Opferschutz im Polizeipräsidium Wuppertal ergab: Die Täter verwenden nämlich nicht nur falsche Rufnummern, sondern benutzen auch gefälschte oder gestohlene Ausweispapiere, um online ein Bankkonto anzulegen. Wird der Betrug gemeldet, ist das Konto dank Wunsch nach Echtzeit-Überweisung längst leergeräumt und die Betrüger bearbeiten schon die nächsten Opfer.
Allerdings, so Schroer: Bereits der Betrugsversuch ist strafbar, weswegen man immer Anzeige erstatten sollte - falls möglich online oder auf dem nächsten Polizeirevier.
Betrügern antwortet man nicht? Moment
Doch wie gehen der oder die Täter vor? Wo sind die Grenzen? Und kann man die Betrüger doch irgendwie schnappen? Als eine solche Betrugs-SMS im Spam-Filter des Smartphones landete, konnten wir der Verlockung nicht widerstehen, die Hartnäckigkeit eines solchen WhatsApp-Betrügers auf die Probe zu stellen und ihm eventuell eine Falle stellen.
"Mein Handy ist kaputt, das ist meine neue Handynummer, kannst Du mir Whatsappen? LG dein Kind", hieß es in der SMS, gefolgt von einer Handy-Nummer, unter der man den Sohn oder die Tochter kontaktieren könne.
Challenge accepted - schnell ein Profil erstellen und das notleidende "Kind" via WhatsApp fragen, was passiert ist. Nachdem sich der oder die Betrüger absichtlich so vage wie möglich ausdrückten, konnten wir entsprechend unserer Fantasie freien Lauf lassen und "Lotti" unsere große Sorge kundtun. Wenig überraschend folgte gleich die Standard-Antwort, dass der Lautsprecher auf dem Ersatz-Handy nicht funktioniert und die SIM-Karte noch nicht aktiviert sei.
Nach der von uns nachgeschobenen Frage, ob sie vielleicht Geld braucht, fühlte sich Lotti vermutlich etwas überrumpelt und bat um ein paar Fotos von sich - vermutlich zur Verifizierung.
Kein Problem, wozu gibt es Instagram und Co. Gleichzeitig bot sich damit für uns die Chance, die Geschichte mit Kind und Pferd weiter auszuschmücken. Wann kommst Du vorbei, um den Stall auszumisten? Und der Kleine fragt auch schon, wo Du bist…
Ich habe ein kleines Problem...
Danach ging es dann gleich zur Sache - "Lotti" machte das Ganze ja nicht zum Vergnügen. Der Wunsch nach einer Echtzeit-Überweisung um Bußgeld zu vermeiden, wurde jedoch schnell abgewimmelt (kein Online-Banking, aber morgen dann am Schalter, gelle), gleichzeitig konnten wir noch etwas blödeln und Lottis fiktiven Ehemann ins Spiel bringen.
Aber so leicht ließ sich der WhatsApp-Betrüger nicht von seinem Ziel abbringen, auch wenn Tag Eins nun für ihn unverrichteter Dinge zu Ende ging. Immerhin: Wir bekamen jetzt den - vermutlich falschen - Namen des Empfängers und die Bankdaten, ein Konto der Deutschen Bank in Ravensburg, wie aus dem BIC hervorging.
Doch bevor das Spiel am nächsten Tag weiterging, starteten wir noch einen kurzen Versuch, den Betrüger aus der Reserve zu locken. Doch obwohl wir die Sache mit der Schenkung klären wollten und eine Sammlung mit Goldmünzen in Aussicht stellten, war "Lotti" weder bereit, selbst zu kommen, noch jemanden zu schicken. Stattdessen fragte sie frech nach einer Kreditkarte - wohl in der Hoffnung, die Überweisung auf ihr Konto doch noch zu tätigen. Grund genug, schnell ein paar Anschuldigungen loszuwerden, denn "immerhin passen wir seit zwei Wochen auf den Jungen auf". Die Vorwürfe perlten aber einfach an ihm/ihr ab.
"Ich bin eine Schweinehunde"
Immerhin schafften wir es, "Lotti" so grundlegend zu verwirren, dass sie nicht mehr wusste, ob sie schon die Überweisungsdaten geschickt hatte und mit wem sie überhaupt chattete. Möglicherweise gab es aber auch einfach nur mehrere parallel stattfindende Betrugsversuche. Für uns bot sich damit immerhin die Gelegenheit, dem Betrüger weiter zu beschuldigen, Drogen zu nehmen und ordentlich ins Gewissen zu reden.
Alles nur gefälscht - selbst das Profilbild
Der Rest ist schnell erzählt: Am nächsten Tag - nachdem "Lotti schon mehrmals auf WhatsApp online war - und wir Anzeige erstatteten, mussten wir ihr leider mitteilen, dass der schusslige Papa bei der Überweisung einen Zahlendreher in der IBAN gemacht hatte. Natürlich ging sie auf die Aufforderung, zur Sicherheit gemeinsam die Überweisung vorzunehmen, nicht ein. Auch der Einladung zum Abendessen - es gab ihr Leibgericht "Saures Lüngerl" kam sie nicht nach.
Seitdem herrscht Totenstille - davon abgesehen, dass ihr WhatsApp-Account jetzt ein Profilbild besitzt. Vermutlich wurde es für eine andere Betrügerei angelegt, denn Lotti sieht ja ganz anders aus. Wie eine Suche auf Google Lens ergab, handelt es sich dabei - wenig überraschend - um ein häufig gebrauchtes Agenturfoto.