In einem sind sich alle Fachleute einig: Digitalisierung bedeutet kürzere Innovationszyklen für die Unternehmen, um in der heutigen VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) langfristig bestehen zu können. Für die IT bedeutet das: Neben Stabilität, Sicherheit und Zuverlässigkeit wird eine hohe Veränderungsgeschwindigkeit erwartet.
Darüber hinaus haben Innovationen unabhängig von der Branche heute fast immer einen direkten Bezug zur Informationstechnologie. Selbst konservative Maschinenbauer haben erkannt, dass es heute nicht mehr ausreicht, Maschinen zu verkaufen, die 30 Jahre halten und zuverlässig sind. Das genügt nicht mehr, um sich von Produzenten aus Schwellenländern oder auch aus neuen Massenmärkten wie China zu differenzieren.
Bis hierher werden vermutlich viele Leser zustimmend nicken und fragen, was denn neu daran sein soll. Daher ist es sinnvoll, sich zunächst mit den konkreten Konsequenzen für die IT-Abteilungen größerer Unternehmen zu beschäftigen. Was ändert sich denn tatsächlich für die tägliche Arbeit? Orientiert am Service Lifecycle aus der ITIL-Literatur lässt sich die klassische und die zukünftig notwendige Sicht auf die Ziele, Aufgaben und Herausforderungen der IT ableiten.
Die IT entwickelt sich zum Kernprozess
Als Einstieg und zum besseren Verständnis der Veränderungen ist vorab ein kurzer Einblick in den nächsten Evolutionsschritt der IT nötig. Zukünftig wird es nicht mehr ausreichen, die Anforderungen des Business zuverlässig und kostengünstig zu erfüllen. Die IT wird sich zum Innovationstreiber des Kerngeschäftes in den meisten Branchen entwickeln müssen. Nur so können Unternehmen langfristig an einem zunehmend digitalisierten Markt erfolgreich sein. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der IT in der Vergangenheit bis heute und wirft einen Blick in die nahe Zukunft.
Klassische Methoden wie ITIL haben erheblich dazu beigetragen, dass die IT-Abteilungen sich von einem Techniklieferanten zu einem serviceorientierten Dienstleister entwickelt haben. Der Wertbeitrag zum bestehenden Geschäft konnte damit deutlich erhöht und vor allem sichtbarer gemacht werden. An der Grenze zur echten Business-Orientierung stockte die Entwicklung der IT schon in der Vergangenheit häufig. Einer der Hauptgründe dafür: Bis zur Service-Orientierung finden die größten Veränderungen innerhalb der IT statt.
- Die wichtigsten IT-Themen der Zukunft.
- Überblick: ITIL-Prozesse in den Unternehmen.
- Die ITIL-Umsetzung bei eingesetzter ITSM Software.
- Die Zufriedenheit mit ITSM im eigenen Unternehmen.
- Die Zufriedenheit mit ITSM - nach Hierarchie.
- Statements zu ITSM (1)
- Statements zu ITSM (2)
- ITIL-Standards
- Primäre Zielsetzung für die Einführung von ITSM-/ESM-Tools
- Die Investitionsbereitschaft in ITSM / ESM für die nächsten Monate.
- Sichere Investitionen in ITSM / ESM in den nächsten Monaten.
- Der ITSM-Anteil am Gesamt-IT-Budget.
- Softwarelösungen für ITSM
- Einsatz von ESM Tools in Service-Bereichen.
- Der Stand der Geschäftsprozessautomatisierung.
- Durch Prozess-Automatisierung tangierte Bereiche.
- Die Beteiligten an ITSM-/ESM-Entscheidungsprozessen.
- Die Hürden für die erfolgreiche Einführung von ITSM- / ESM-Tools.
Das stimmt zwar nicht ganz, war aber in der Wahrnehmung der Verantwortlichen oft so. Als Ergebnis werden Veränderungen als weniger komplex und einfacher durchzusetzen angesehen. Sobald der Kunde - ob intern das Business oder extern der Endkunde - einbezogen werden muss, stockt der Veränderungsprozess.
Die künftige Rolle von CIO und IT
Das wird sich in Zukunft ändern müssen und die alte Debatte, ob der CIO Teil der Unternehmensführung sein muss, erhält neuen Schwung. CIOs müssen ihre Rolle neu definieren. Mit effizienten Standardleistungen zur Automatisierung bestehender Prozesse wird es zukünftig nicht mehr getan sein. Einige CIOs, als Beispiel sei Michael Vögele bei Adidas genannt, sind hier bereits als Vorreiter unterwegs. Die Installation eines CDO ohne echte Steuerungsfunktion wird jedenfalls nicht ausreichen, denn die ihm üblicherweise zugeordneten Aufgaben erfüllt zukünftig der erfolgreiche CIO.
Der nächste natürliche Entwicklungsschritt der IT führt von der unterstützenden Funktion zu einem Kernprozess für das Unternehmen. Sie wird eine zentrale Rolle in der Produktentwicklung, in Marketing und Vertrieb sowie als Innovationstreiber für das gesamte Unternehmen einnehmen. Zurück zu den konkreten Konsequenzen für die IT, als Übersicht dargestellt in Abb. 2.
Service Strategie
Im Bereich der ITSM-Strategie verändern sich vor allem die Perspektive und der Zeithorizont. Bisher richtete sich die Sicht oft von innen nach außen, die IT bot an, was sie am besten konnte oder wollte. Derzeit verändert sich diese Sicht und richtet sich von außen nach innen. Der Markt bestimmt die Nachfrage, Unternehmensprodukte entwickeln sich entsprechend und die IT muss dazu aktiv beitragen oder sie verliert ihre Rolle.
Modernisierungen der IT-Landschaft und die Schaffung neuer Services richteten sich bisher oft an Investitionszyklen aus. Vor dem Angebot einer neuen oder veränderten Leistung, müssen teure Investitionen etwa in Rechenzentren und Speichersysteme abgeschrieben werden. In absehbarer Zukunft geben die Innovationszyklen des Marktes den Veränderungstakt der Unternehmen und damit auch der IT vor. Das wird allerdings auch deutlich erleichtert, weil der zunehmende Einsatz flexibler Cloud-Angebote teure Investitionen in eigene Infrastruktur ersetzt.
Service Design
Bei der Entwicklung der IT-Services verlagert sich der Fokus zunehmend von der eingesetzten Technologie hin zum tatsächlichen Ergebnis für die Kunden und Anwender. Diese Anwender akzeptieren immer seltener Einschränkungen des tatsächlichen Nutzens aus technischen Gründen. Sie erwarten, dass die IT macht, was sie benötigen - so, wie sie es von den inzwischen zahllosen Apps für jede Gelegenheit kennen.
Die IT muss sich darauf einstellen, indem schon beim Design der Services der Fokus deutlich in Richtung UX ("user experience") verschoben wird. Das hat auch zur Konsequenz, dass die IT die internen Prozesse künftig flexibler und auf die Anwender zugeschnitten gestalten muss. Service-Design-Thinking als Abwandlung des klassischen Innovationsbaukastens hat sich hier bereits bewährt.
Eine wesentliche Veränderung ist allerdings keine technische, sondern eine kulturelle. Die Art der Zusammenarbeit in der IT und im gesamten Unternehmen wird sich drastisch wandeln. Noch heute dominieren fachliche Silos und klassische Hierarchien in den Unternehmensstrukturen. Zukünftig arbeiten fachübergreifende Teams in horizontalen Netzwerken gemeinsam an den Produkten des Unternehmens und am dafür nötigen IT-Service. Nur so lassen sich die Anforderungen an Geschwindigkeit, Innovationskraft und Nutzerorientierung erfüllen.
Service Transition
Als Konsequenz aus den neuen Anforderungen verändert sich auch die Art, wie Software beziehungsweise Services entwickelt und in den Betrieb überführt werden. Gerade in der Anwendungsentwicklung sind hier viele Unternehmen schon deutlich weiter als die Betriebsorganisation. Dort spielen agile Herangehensweisen wie Scrum schon seit einiger Zeit eine zunehmende Rolle.
Grundsätzlich verändert sich der Fokus bei der Entwicklung und Betriebseinführung von linearem und sicherheitsorientiertem Vorgehen zu einer agilen und risikobereiteren Herangehensweise.
Allerdings wird an dieser Stelle die Silostruktur von Betrieb und Entwicklung besonders deutlich: Trotz der Tendenz zu agiler Entwicklung ist die Verzahnung zum Betrieb oft vernachlässigt bis nicht vorhanden.
Abhilfe schaffen hier in Zukunft horizontale Herangehensweisen wie DevOps. Sie binden alle Beteiligten von Beginn an in die Entwicklung ein und übertragen gemeinsame Ergebnisverantwortung. Die technische DevOps-Komponente sorgt zudem durch durchgängige Automatisierung von Tests und Rollout für mehr Geschwindigkeit und bessere Kontrolle der geschwindigkeitsbedingten Risiken.
Service Operation
Die Marktmacht und die Möglichkeiten der Kunden, Leistungen auch ohne Unternehmens-IT zu beziehen, sind inzwischen deutlich gewachsen. Die IT muss zukünftig viel genauer auf die Wünsche der Nutzer eingehen und diese schnell in Services umsetzen. Seit den ersten Schritten der Unternehmens-IT hat sich der Einfluss der Anwender auf die IT dramatisch verändert. Das Umfeld hat sich aus Marketingsicht von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt entwickelt. Zu Mainframe-Zeiten mussten die Anwender nehmen, was der IT-Spezialist ihnen zugestanden hat. Heute wenden sie sich innerhalb kürzester Zeit dem breiten Angebot flexibler, schnell zugänglicher und bezahlbarer Angebote aus der Cloud zu.
Das führt nicht nur zu Problemen der IT bei der Argumentation ihrer Daseinsberechtigung, sondern auch zu neuen Herausforderungen für Sicherheit, Governance und Compliance.
Eine Möglichkeit, dem zu begegnen, ist es, die IT nicht mehr nur als Anbieter eigener Leistungen, sondern als IT-Plattform innerhalb des Unternehmens auftreten zu lassen. Das Portfolio umfasst dann eine an den Bedürfnissen des Unternehmens ausgerichtete Mischung an eigenen und externen Leistungen sowie flexiblen Cloud-Angeboten, die permanent an den Bedarf der User angepasst und in den Unternehmenskontext eingefügt werden.
Besonders im Support sind die klassischen Prozesse wie Incident-Management oder Request-Fulfillment bisher darauf ausgerichtet, die Anfragen und Störungsmeldungen der Anwender mit möglichst geringem Aufwand abzuarbeiten. Der Fokus lag also vor allem auf Effizienz. Zukünftig lassen sich Standardanfragen, also die große Masse, automatisiert bearbeiten.
Die Entwicklung der KI hat nach langen Jahren der Anlaufzeit heute einen Reifegrad erlangt, der einen weitgehend automatisierten 1st-Level-Support ermöglicht. Zumindest wird das in wenigen Jahren der Fall sein. Das bedeutet für den klassischen Service-Desk eine völlig neue Aufgabenstellung. Statt Masse abzuarbeiten wird es darum gehen, positive Emotionen an den Customer-Touchpoints zu erzeugen und so die Kunden an die IT zu binden.
Fazit
Die Nachrufe auf die klassischen ITSM-Methoden sind deutlich zu früh. Sie können auch heute noch die Leitplanken für eine agile und auf die Kunden ausgerichtete IT bilden und so eigenverantwortliches Handeln der Akteure ermöglichen, ohne die Richtung aus dem Blick zu verlieren. Damit das funktioniert, müssen die Verantwortlichen allerdings umdenken und Methoden - egal ob etablierte oder neue - nicht mehr als Dogmen oder als Ersatz für fehlende Zielsetzungen betrachten, sondern als das, was sie sind: Werkzeuge, die je nach Aufgabe eingesetzt werden oder eben auch nicht.
Nicht zuletzt werden sich auch die etablierten Methoden weiterentwickeln und den neuen Erfordernissen anpassen. So ist zum Beispiel für das nächste Jahr eine neue Version der ITIL-Literatur geplant, die den aktuellen Entwicklungen Rechnung trägt. Darüber hinaus wird die IT zukünftig neben der Servicebereitstellung und dem Betrieb eine weitere Rolle konsequent wahrnehmen müssen: Sie entwickelt sich zum integralen Bestandteil der Unternehmenskernprozesse. Sie wird als Treiber für Innovationen im gesamten Unternehmen auftreten und sich durchsetzen müssen. Das ist vermutlich in den kommenden Jahren die größte Aufgabe für die CIOs.