Managed Services im Aufwind

Das große Multi-Cloud-Ringen

31.08.2020
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Unternehmenskritische Anwendungen in die Cloud zu verlagern, ist eine Herausforderung - vor allem in Multi-Cloud-Umgebungen. Doch die Vorteile sprechen für sich.
  • Komplizierte Deployments und anspruchsvolle Aufgaben im Multi-Cloud-Management setzen den Betrieben zu
  • Viele greifen auf Managed Service Provider (MSP) zurück, um schneller voranzukommen und Mitarbeiter zu entlasten
  • Die Unternehmen wollen sich weniger mit operativen und mehr mit innovativen, geschäftskritischen Themen beschäftigen
Viele Unternehmen ringen mit der Multi Cloud und setzen auf Managed Service Provider, um Vorteile zu erschließen.
Viele Unternehmen ringen mit der Multi Cloud und setzen auf Managed Service Provider, um Vorteile zu erschließen.
Foto: sportoakimirka - shutterstock.com

Immer mehr Unternehmen transferieren ihre geschäftskritischen Anwendungen in Multi-Cloud-Umgebungen und stöhnen dabei über die hohe Komplexität. Die Probleme beginnen mit den fehlenden Experten und setzen sich fort mit den überbordenden Management-Anforderungen rund um Daten und Anwendungen. Der Rückgriff auf Managed Services gilt als Lösungsweg Nummer eins: Laut Forrester Research wollen 42 Prozent der Infrastruktur-Entscheidungsträger in amerikanischen und europäischen Unternehmen in diesem Jahr verstärkt auf die Unterstützung entsprechender Dienstleister zurückgreifen.

In einer von der Dell-Cloud-Tochter Virtustream unterstützten, aber unabhängige Studie hat Forrester sich näher mit den Multi-Cloud-Strategien großer Anwender beschäftigt - und mit der Rolle, die Managed Services dabei spielen können. Befragt wurden 822 IT-Entscheider aus Nordamerika, Europa und dem asiatisch-pazifischen Raum. Es zeigt sich, dass sich nahezu alle Unternehmen mit einer erheblichen Komplexität konfrontiert sehen, wenn sie unternehmenskritische Anwendungen in Multi-Cloud-Umgebungen vorhalten wollen.

Die Multi-Cloud-Ziele

Für die allermeisten ist unstrittig: Cloud-Umgebungen bieten große Vorteile, wenn es um Flexibilität, Geschwindigkeit, Sicherheit und operationale Effizienz geht. Doch je mehr ihrer betrieblichen Alltagsthemen in die Cloud überführt werden, desto häufiger beklagen sich die Anwender über komplizierte Deployments und anspruchsvolle Management-Aufgaben.

Unter einer Mission-critical-Anwendung verstehen die meisten IT-Entscheider Software, die sensible Kunden und Unternehmensdaten verarbeitet.
Unter einer Mission-critical-Anwendung verstehen die meisten IT-Entscheider Software, die sensible Kunden und Unternehmensdaten verarbeitet.
Foto: Forrester Research / Virtustream

Die meisten Firmen hosten ihre geschäftskritischen Anwendungen schon heute teilweise oder überwiegend in Multi-Cloud-Umgebungen. Die wichtigsten Ziele sind eine hohe Verfügbarkeit und möglichst geringe Downtimes im globalen Geschäft. Als "mission-critical" bezeichnen sie vor allem Anwendungen, die sensible Daten verarbeiten - etwa über Kunden, Mitarbeiter, Geschäftsgeheimnisse oder innovative Entwicklungen. Viele sagen aber auch, unternehmenskritisch seien vor allem die ERP-Systeme und solche Daten, ohne die Mitarbeiter nicht produktiv sein könnten.

Für einen Multi-Cloud-Ansatz sprechen laut Umfrage die höhere Flexibilität und Geschwindigkeit im Business sowie die vielfältigen Optionen, mit denen sich Workloads abbilden und Services nutzen lassen oder mit denen auf einer einheitlichen Technologiebasis die Zusammenarbeit mit Dritten vorangetrieben werden kann. Doch die Verwaltung von Anwendungen über mehrere Umgebungen hinweg bringt zusätzliche Komplexität, höhere Kosten und neue Fehlerquellen: Mehr Sicherheitslücken tun sich auf.

Der Cloud-Mix macht's

Drei Viertel der Befragten geben an, derzeit die Dienste von zwei bisvier Cloud-Anbietern in Anspruch zu nehmen. In ihrem Cloud-Mix setzen 92 Prozent auch auf Private-Cloud- und Hosted-Private-Cloud-Ansätze - vor allem für unternehmenskritische Anwendungen. Unter den Umfrageteilnehmern aus den USA stellen sogar alle Befragten kritische Geschäftsanwendungen in einer Private-Cloud-Umgebung bereit, im asiatisch-pazifischen Raum sind es 85 Prozent und in der Europäischen Union 80 Prozent.

Mit einem Managed Service Provider an ihrer Seite trauen sich viele Unternehmen einen umfangreicheren Cloud-Mix zu.
Mit einem Managed Service Provider an ihrer Seite trauen sich viele Unternehmen einen umfangreicheren Cloud-Mix zu.
Foto: Forrester Research / Virtustream

Die Anwender sind sich überwiegend einig darin, dass die Verwaltung von Multi-Cloud-Umgebungen eine komplizierte Aufgabe ist und auch bleiben wird. Die Herausforderungen betreffen sowohl die Bereitstellung von Services als auch das fortlaufende Management der verteilten Ressourcen. Beim Deployment hatten 94 Prozent der Unternehmen mindestens ein größeres Problem zu lösen, genauso hoch ist der Prozentsatz derer, die in der Betriebsphase mit mindestens einer zentralen Herausforderung konfrontiert waren.

Die Schwierigkeiten beim Deployment betreffen in erster Linie die übergreifende Planung, also beispielsweise das Netzwerkdesign, mangelnde Plattformkenntnisse oder Probleme beim Einhalten von übergreifenden Regeln und Vorschriften. In der Managementphase bereiten den Unternehmen eher Sicherheits- und Integrationsthemen sowie technische Schwierigkeiten Kopfzerbrechen. Security-Themen werden immer dann relevant, wenn Daten in die Cloud-Infrastrukturen hinein- und wieder herauswandern. Integrationsprobleme sind - wenig überraschend - der Cross-Plattform-Thematik geschuldet.

Wie MSPs helfen

Wollen Unternehmen die Komplexität in Multi-Cloud-Umgebungen in den Griff bekommen, brauchen sie Erfahrungswissen und gut ausgebildetes Personal. Beides ist auf dem Weltmarkt knapp. Deshalb empfiehlt Forrester die Zusammenarbeit mit Managed Service Providern (MSPs). Sie können die Wissenslücken mit Beratung, Support sowie externen Trainings- und Onboarding-Services schließen. In der Umfrage zeigen sich denn auch viele Unternehmen eher geneigt, mit MSPs zusammenzuarbeiten, als eigene Ressourcen rund um das Multi-Cloud-Management aufzubauen. Dabei hoffen sie darauf, eine einheitliche technologische Cloud-Grundlage für verschiedene Anwendungen und Plattformen bereitgestellt zu bekommen.

Netzwerdesign und Wissensdefizite beschäftigen Kunden beim Deployment einer Multi-Cloud-Plattform. Beim langfristigen Management geht es eher um Datensicherheit und Integration.
Netzwerdesign und Wissensdefizite beschäftigen Kunden beim Deployment einer Multi-Cloud-Plattform. Beim langfristigen Management geht es eher um Datensicherheit und Integration.
Foto: Forrester Research / Virtustream

Die Stärken der MSPs liegen im Koordinieren und Integrieren von Cloud-Infrastrukturen mit der internen IT, im Zugang zu den geeigneten Technologien für Cloud Management und Kostenoptimierung sowie im Zugriff auf die benötigten Skills. Manche Anwender hoffen auch, über einen MSP als Vermittler günstigere Konditionen bei den Cloud-Providern herausschlagen und eine kostspielige interne Lernphase überspringen zu können. Diese Betriebe wollen ihre Ressourcen nicht mehr für die Wartung komplexer, verteilter Infrastrukturen aufwenden, sondern das inhaltliche Angebot der Cloud-Provider nutzen und sich stattdessen auf hoch priorisierte strategische Initiativen konzentrieren.Von MSPs versprechen sich die Unternehmen administrative Entlastung und kürzere Marktreaktionszeiten, weil kein neues Personal angeheuert und kein vorhandenes Personal weitergebildet werden muss.

Multi-Cloud-Früchte schneller ernten

Gefragt nach den technischen und den geschäftsseitigen Vorteilen einer Multi-Cloud-Strategie, fallen die Antworten eindeutig aus. Auf der technischen Seite verzeichnen die Unternehmen verbesserte Service-Delivery-Prozesse, geringere operative Kosten und Risiken, eine schnellere Bereitstellung von Software sowie eine höhere Systemstabilität. Auf der Business-Seite verbessert sich die Agilität, die Kosten sinken, Mitarbeiter können für sinnvollere Tätigkeiten eingesetzt werden. Insgesamt steigt die Performance des Unternehmens, der "Return on Cloud Investment" wird schnell spürbar.

Forrester stellt fest, dass diejenigen Unternehmen, die sich auf MSPs verlassen, die Früchte ihrer Multi-Cloud-Strategie schneller und in größerem Umfang ernten als die ohne Dienstleister. Von verbesserten Service-Delivery-Prozessen profitierten MSP-Kunden mehr als doppelt so oft wie andere Anwender, ein einheitliches Cloud-Management über ein übergreifendes Dashboard hätten MSP-Kunden um 57 Prozent häufiger eingeführt, und auch die operativen Risiken seien bei ihnen besser im Griff.

Warum ein Dienstleister? Die Unternehmen wollen sich um ihre strategischen Themen kümmern, nicht um Schnittstellen-Management und Sicherheit in Cloud-Umgebungen. Das kann der Managed Service Provider tun.
Warum ein Dienstleister? Die Unternehmen wollen sich um ihre strategischen Themen kümmern, nicht um Schnittstellen-Management und Sicherheit in Cloud-Umgebungen. Das kann der Managed Service Provider tun.
Foto: Forrester Research / Virtustream

Außerdem freuen sich MSP-Kunden doppelt so häufig über eine gestiegene Mitarbeitereffizienz als die Solisten. Ebenso könne mehr Budget für Innovation und weniger für betriebliche Prozesse abgestellt werden. Doch es gibt auch einen Wermutstropfen: MSP-Kunden mit einer Multi-Cloud-Strategie konnten ihre Betriebskosten etwas seltener senken als die ohne Unterstützung (40 zu 43 Prozent). Auch bei den IT-Gesamtkosten fahren sie nicht unbedingt besser. Forrester hält dagegen, dass die geschäftlichen Vorteile dieses Kostenplus mehr als aufwögen. Ein einfacheres Cloud-Management, eine bessere Servicebereitstellung, der effizientere Mitarbeitereinsatz und eine Verlagerung der Budgets in Richtung Innovation rechtfertigten die Ausgaben allemal.

Vier Tipps für die Multi Cloud

In den kommenden zwei Jahren wollen 94 Prozent der Unternehmen ihre Investitionen in Multi-Cloud-Infrastrukturen beibehalten oder weiter steigern. 91 Prozent planen im gleichen Zeitraum, ihr für Multi-Cloud-Operationen geeignetes Personal mindestens beizubehalten oder aber aufzustocken. Auch für MSP-Services wollen die Betriebe in den kommenden zwei Jahren mehr Geld locker machen: 55 Prozent planen ihr diesbezügliches Budget zu erhöhen, weitere 37 Prozent wollen auf dem erreichten Niveau bleiben.

Die technischen Vorteile durch Multi-Cloud-Umgebungen liegen in besseren Service-Delivery-Prozessen, geringeren Betriebskosten und einem Dashboard für das übergreifende Management. Auf der Geschäftsseite wird von mehr Agilität und einem effizienteren Mitarbeitereinsatz profitiert.
Die technischen Vorteile durch Multi-Cloud-Umgebungen liegen in besseren Service-Delivery-Prozessen, geringeren Betriebskosten und einem Dashboard für das übergreifende Management. Auf der Geschäftsseite wird von mehr Agilität und einem effizienteren Mitarbeitereinsatz profitiert.
Foto: Forrester Research / Virtustream

Auffällig dabei ist, dass Firmen, die schon mit einem MSP-Partner zusammenarbeiten, mehr wollen. Zu 62 Prozent gedenken sie, mehr Geld in diese Art von Services zu investieren. Cloud-Nutzer ohne MSP hegen nur zu 24 Prozent Einstiegspläne. Forrester schließt daraus, dass Die Betriebe, die die Vorteile von Managed Services genossen haben, mehr von dem verfügbaren strategischen Wissen, den Fähigkeiten und den Technologien rund um Integration und Monitoring wollen.

Aus der Marktanalyse leitet Forrester folgende Empfehlungen ab:

  1. Unternehmenskritische Anwendungen sollten über kurz oder lang in die Cloud migriert werden. Die technischen und geschäftlichen Vorteile seien zu groß, um sie zu ignorieren. Die Wahl sollte auf einen oder mehrere Cloud-Provider mit viel Erfahrung im Managen von geschäftskritischen Workloads fallen.

  2. Unternehmen sollten sich einen Überblick über MSPs rund um die verschiedenen Cloud-Infrastrukturen verschaffen. Vor allem, wenn eine komplizierte Multi-Cloud-Strategie verfolgt werde, sollte ein MSP gewählt werden, der Managed Services über verschiedene Cloud-Umgebungen hinweg bereitstellen kann. Die Folge seien mit einiger Sicherheit positive Effekte auf das Business und eine höhere Produktivität von Mitarbeitern, die heute mit operativen Aufgaben zugedeckt seien.

  3. Cloud-Management-Services können helfen, die Komplexität von Cloud-, Hybrid-Cloud- und Multi-Cloud-Umgebungen zu bekämpfen. Die Cloud-Strategie müsse wohl durchdacht sein, vor allem gelte es zu überlegen, wo einzelne Cloud-Angebote einen optimalen Geschäftsbeitrag leisten können. Ein Risiko bestehe darin, viele schlecht integrierte Punkt-zu-Punkt-Lösungen aufzubauen. Es brauche eine übergreifende Strategie.

  4. Erfahrene Servicepartner sollten nicht erst für das Multi-Cloud-Management, sondern schon in der konzeptionellen Phase einbezogen werden. Sie müssten im kompletten "Cloud Deployment Lifecycle" zur Verfügung stehen - auch für beratende Aufgaben und für Cloud-Native-Softwareentwicklung. Mit solch einem Vorgehen könnten Management-Herausforderungen frühzeitig adressiert werden.