Studie Data-Driven Enterprise 2023

Das datengetriebene Unternehmen in der Praxis

16.06.2023
Von 
Bernd Reder ist freier Journalist und Autor mit den Schwerpunkten Technologien, Netzwerke und IT in München.
Die rasant wachsenden Datenbestände der Unternehmen in verwertbare Erkenntnisse oder neue Geschäftsmodelle umzusetzen, ist aufwendig - aber es lohnt sich.
Datengetriebene Geschäftsmodelle bedeuten Aufwand, der sich lohnen kann.
Datengetriebene Geschäftsmodelle bedeuten Aufwand, der sich lohnen kann.
Foto: Excelworld - shutterstock.com

Die Rolle der Daten, die in Unternehmen und Organisationen anfallen, hat sich deutlich gewandelt. Bis vor wenigen Jahren nutzten Geschäftsführer, CIOs und Fachbereiche nur einen Bruchteil der Informationen, die in ihren Bereichen anfielen, etwa zur Entwicklung von Umsatz und Kosten oder dem Bedarf an IT-Kapazitäten. Oft genug verschwand ein Großteil der Daten in Archiven und wurde bestenfalls dann hervorgeholt, wenn eine Prüfung durch das Finanzamt oder ein Due-Diligence-Verfahren anstand.

Doch dieses "Aschenputtel-Image" haben Informationsbestände längst abgelegt. Im Gegenteil, sie gelten im digitalen Zeitalter als Rohstoff für neue Geschäftsmodelle und Services. Mit den "Insights" wiederum, die sie durch die Analyse von Daten gewinnen, optimieren Anwender Prozesse oder ihre Geschäftsstrategie. Kurzum, das Zeitalter des "Data-Driven Enterprise" hat begonnen. Das sehen auch Unternehmen in Deutschland so, wie die COMPUTERWOCHE-Studie "Data-Driven Enterprise 2023" in Zusammenarbeit mit NICE, Microsoft und Contentsquare belegt.

Zur Studie 'Data-Driven Enterprise 2023' im Aboshop

"Data-Driven" - aber ohne Datenstrategie

Über 90 Prozent der befragten Unternehmen bezeichnen sich mittlerweile als "Data-Driven". Fast ebenso viele (86 Prozent) sind der Auffassung, dass bei ihnen eine datenbasierte Wertschöpfung vorhanden ist. Doch so einfach, wie sich das viele CEOs und CIOs vorstellen, ist der Weg zum datenorientierten Unternehmen offenkundig nicht. Das zeigt sich daran, dass eine deutlich erkennbare Kluft zwischen der Selbsteinschätzung der Unternehmen und der Realität besteht.

Die meisten Unternehmen in Deutschland stufen sich als "Data-Driven Enterprise" ein. Das Problem dabei: Die meisten haben (noch) keine Datenstrategie.
Die meisten Unternehmen in Deutschland stufen sich als "Data-Driven Enterprise" ein. Das Problem dabei: Die meisten haben (noch) keine Datenstrategie.
Foto: Research Services / Shutterstock-cityart185

So werten nur 20 Prozent der großen Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten Daten von Nutzern und Interaktionen mit Kunden aus. Damit vergeben sie die Chance, mehr über ihre Zielgruppen zu erfahren und Produkte und Services auf deren Anforderungen abzustimmen. Außerdem haben nur erst 36 Prozent der Befragten eine Datenstrategie entwickelt. Das heißt, sie verfügen über einen "Fahrplan", um mithilfe von Data-Analytics-Methoden Geschäftsprozesse zu optimieren und neue Umsatzchancen zu erschließen.

Dass fast zwei Drittel der Unternehmen noch nicht über eine Datenstrategie verfügen, hat mehrere Gründe. Dazu zählen Faktoren, die auf der technischen Ebene angesiedelt sind, etwa ein unzureichendes Datenmanagement (51 Prozent). Ebenfalls rund die Hälfte der Unternehmen haben Probleme mit der Konsistenz, Vollständigkeit und Aktualität der Daten sowie dem Mangel an Data-Analytics-Tools.

Viele Baustellen: Nicht nur das Datenmanagement ist unzureichend. Ähnliche Defizite bestehen nach Einschätzung deutscher Firme auf weiteren Gebieten, etwa der Konsistenz, Vollständigkeit und Transparenz von Daten.
Viele Baustellen: Nicht nur das Datenmanagement ist unzureichend. Ähnliche Defizite bestehen nach Einschätzung deutscher Firme auf weiteren Gebieten, etwa der Konsistenz, Vollständigkeit und Transparenz von Daten.
Foto: Research Services

Nötigenfalls Unterstützung von außen holen

Das heißt, ein Großteil der Unternehmen muss auf mehreren Feldern deutlich nachbessern. Denn wenn das Datenfundament brüchig ist, können auch die besten KI-basierten Analysewerkzeuge nicht die gewünschten "Insights" bereitstellen. Angesichts des Mangels an IT-Fachleuten, speziell Datenspezialisten und Data Scientists, ist es vor diesem Hintergrund eine Überlegung wert, auf externe Berater und Dienstleister zurückzugreifen.

Offenkundig sehen dies auch die befragten Unternehmen und Organisationen so. Denn mehr als zwei Drittel greifen bei Datenprojekten auf das Fachwissen von Strategieberatern zurück. Und fast 55 Prozent haben das Datenmanagement externen Partnern übergeben, weitere 46 Prozent übertragen IT-Dienstleistern komplette Projekte im Bereich Daten und Data Science.

Natürlich sind mit einem Outsourcing gewisse Risiken verbunden, etwa in Bezug auf die Kosten und eine mögliche Abhängigkeit von externen Spezialisten, Stichwort Vendor Lock-in. Dem steht jedoch die Gefahr gegenüber, im Vergleich zu Mitbewerbern ins Hintertreffen zu geraten, die auf datenbasierte Prozesse und Services setzen.

Belegschaft muss mitspielen

Allerdings sollten sich Unternehmen, die sich zu einem Data-Driven Enterprise weiterentwickeln möchten, nicht allein auf technologische Aspekte fokussieren, etwa das Datenmanagement, Data-Science-Tools und die Analyse von Datenbeständen mittels künstlicher Intelligenz und Machine Learning. Ebenso wichtig ist der "Faktor Mensch", also die Bereitschaft der Beschäftigten, diese Transformation mitzutragen.

Auch in dieser Beziehung besteht laut der Studie ein erkennbarer Nachholbedarf. denn rund 35 Prozent der Befragten gaben an, dass für sie ein unpassendes "Mindset" der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die größte Herausforderung auf dem Weg zum datenorientierten Unternehmen sei. Damit rangiert dieser Punkt deutlich vor Faktoren wie zu vielen und zu komplexen Software-Anwendungen (28 Prozent) und einem Innovationsstau (24 Prozent).

Um ihren Beschäftigten den hohen Stellenwert von datenbasierten Entscheidungsprozessen und Services zu verdeutlichen, setzen Unternehmen vor allem auf interne (66 Prozent) und externe (49 Prozent) Schulungen. Solche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sind sicherlich wichtig, auch deshalb, um damit das Fachwissen im eigenen Haus auszubauen und den Mangel an Datenspezialisten zu kompensieren. Um eine "Datenkultur" in einem Unternehmen oder einer Organisation zu etablieren, sind reichen solche Ansätze jedoch nicht aus. Vielmehr sind weitere Maßnahmen gefragt.

Mehr als Schulungen nötig

Wichtig ist beispielsweise, dass die Einführung einer Datenkultur und datenbasierter Services und Prozesse seitens der Führungskräfte unterstützt wird. Sowohl Geschäftsführer als auch CIOs und Fachbereichsleiter müssen deutlich machen, welch zentrale Rolle Daten künftig im Unternehmen spielen. Nur dann kann sich eine Datenkultur entwickeln. Auch Awareness-Kampagnen sind nach Einschätzung der Befragten (49 Prozent) ein geeignetes Mittel, um eine Datenkultur im Unternehmen herauszubilden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewusst zu machen, welch wichtige Vorteile die Nutzung von Daten bringen kann - auch unter dem Aspekt Sicherung von Arbeitsplätzen.

Apropos Jobs: Für mehr als 80 Prozent der Unternehmen sind künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) Schlüsseltechnologien im Zusammen mit der Verwaltung und Analyse von Daten. Denn ohne KI und ML ist es nahezu unmöglich, aus den exponentiell wachsenden Datenbeständen verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen. Andererseits kann der Einsatz dieser Technologien bei den Beschäftigten Ängste schüren, ihr Aufgabengebiet werde in absehbarer Zeit von Algorithmen übernommen. Der Hype um "Generative-AI"-Lösungen wie ChatGPT von OpenAI und Bard von Google hat dazu geführt, dass solche Befürchtungen zunehmen.

Daher ist es wichtig, dass Unternehmen, vor allem die Führungskräfte, offen mit den Beschäftigten darüber diskutieren, welche Änderungen auf diese durch die Entwicklung zu einem Data-Driven Enterprise zukommen. Von einer solchen transparenten Vorgehensweise, in Kombination mit Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich Daten und Data Science, profitieren letztlich alle: das Unternehmen, aber auch die Beschäftigten.

Zunächst "klein anfangen"

Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass in einem datenorientierten Unternehmen Bots und Algorithmen den Großteil der Arbeit übernehmen. Auch das spiegelt sich in den Ergebnissen der Studie wider. Denn derzeit dienen Datenanalysen vor allem dazu, Prozesse im gesamten Unternehmen (53 Prozent) oder einzelnen Bereichen (50 Prozent) zu verbessern. Dies ist nicht zwangsläufig mit einer Reduzierung des Personalbestands verbunden. Das gilt auch für Bereiche wie Human Resources und die Finanzverwaltung - hier setzen 54 Prozent der Unternehmen Datenanalysen ein, um Verwaltungsabläufe zu beschleunigen oder zu optimieren.

Anwenderunternehmen nutzen Daten derzeit vor allem dazu, vorhandene Abläufe zu verbessern. Neue datenbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln, spielt eine weniger wichtige Rolle.
Anwenderunternehmen nutzen Daten derzeit vor allem dazu, vorhandene Abläufe zu verbessern. Neue datenbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln, spielt eine weniger wichtige Rolle.
Foto: Research Services

Ähnlich wie bei Techniken wie Robotic Process Automation (RPA) und KI unterstützen Daten und deren Analyse derzeit dabei, die Effizienz bestehender Prozesse zu erhöhen. Das bedeutet, Unternehmen "fangen klein an", um anschließend auf Basis der gemachten Erfahrungen Data-Science-Praktiken in größerem Maßstab zu erproben. Eine solche pragmatische Vorgehensweise empfiehlt auch ein Großteil der IT-Dienstleister und externen Strategiedienstleister. Denn allzu hoch gesteckte Zielvorgaben erhöhen das Risiko, dass Datenprojekte scheitern.

Daher ist es nachvollziehbar, dass derzeit nur 20 Prozent der Unternehmen Daten dazu nutzen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Rund 28 Prozent greifen auf datenbasierte Erkenntnisse zurück, um vorhandene Umsatz- und Gewinnmodelle zu verbessern. "Luft nach oben" ist zudem mit 33 Prozent in einem Bereich vorhanden, der häufig als ein klassisches Einsatzfeld von Datenanalysen angeführt wird: der Überwachung und - proaktiven - Wartung von Hardware und Produktionsanlagen.

Dies mag zum Teil mit speziellen Anforderungen zusammenhängen, etwa dass in Produktionsumgebungen ein Teil der Daten in Echtzeit verarbeitet werden muss. Abhilfe schaffen in solchen Einsatzszenarien Techniken wie Edge Computing. Systeme vor Ort übernehmen in diesem Fall eine erste Analyse von Daten. Weitergehende Auswertungen erfolgen in einem Unternehmens- oder Cloud-Rechenzentrum.

Fazit: Nicht warten, sondern Chancen ausloten

So einfach, wie es der ein oder andere Data-Management- oder Analytics-Anbieter darstellt, ist der Weg zu einem datenorientierten Unternehmen sicherlich nicht. Das untermauert die Studie. Positiv ist jedoch, dass sich die Herausforderungen sehr wohl meistern lassen, gegebenenfalls mit Unterstützung externer Spezialisten.

Wichtig ist, dass Unternehmen zügig damit beginnen, die Chancen auszuloten, die ein "Data-Driven Enterprise" bieten kann. Das gilt nicht nur Bereiche wie die Optimierung von Abläufen oder Predictive Maintenance. Auch auf strategischer Ebene und beim Vorbereiten von Entscheidungen werden Daten und deren Umsetzung in "Insights" eine immer wichtigere Rolle spielen.

Jetzt im Shop: die Studie 'Data-Driven Enterprise 2023'.
Jetzt im Shop: die Studie 'Data-Driven Enterprise 2023'.
Foto: www.shutterstock.com - ArtHead

Zur Studie 'Data-Driven Enterprise 2023' im Aboshop

Studiensteckbrief

Herausgeber: CIO, CSO und COMPUTERWOCHE

Studienpartner: NICE Systems (Platin), Microsoft Deutschland (Gold), Contentsquare

Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche in Unternehmen der DACH-Region: Beteiligte an strategischen (IT-)Entscheidungsprozessen im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs); Entscheidungsbefugte sowie Experten und Expertinnen aus dem IT-Bereich

Teilnehmergenerierung: Persönliche E-Mail-Einladung über die exklusive Unternehmensdatenbank von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE sowie - zur Erfüllung von Quotenvorgaben - über externe Online-Access-Panels

Gesamtstichprobe: 357 abgeschlossene und qualifizierte Interviews

Untersuchungszeitraum: 14. bis 21. April 2023

Methode: Online-Umfrage (CAWI)

Fragebogenentwicklung und Durchführung: Custom Research Team von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE in Abstimmung mit den Studienpartnern