Johnson & Johnson resümiert

Das bringt Intelligent Automation

21.11.2022
Von 
Thor Olavsrud ist Senior Writer bei CIO.com und beschäftigt sich mit IT-Security, Big Data, Open-Source-Technologie sowie Microsoft-Tools und -Server-Systemen. Er lebt in New York.
Mit Intelligent Automation wollte sich der Pharmariese Johnson & Johnson in drei Jahren Vorteile im Wert einer halben Milliarde Dollar verschaffen. Manager des Konzerns verraten, wie es um die Zielerreichung steht.
Der Pharmariese Johnson & Johnson versprach sich vor drei Jahren viel von Intelligent Automation. Zu viel?
Der Pharmariese Johnson & Johnson versprach sich vor drei Jahren viel von Intelligent Automation. Zu viel?
Foto: josefkubes - shutterstock.com

Vor drei Jahren entschied sich Johnson & Johnson (J&J) dazu, Intelligent Automation auf jeden Aspekt seines Geschäfts auszubreiten. Während der Corona-Pandemie musste der Pharmakonzern Kosten senken, Aufgaben beschleunigen und die Genauigkeit seiner Kerngeschäftsprozesse verbessern.

Diese Möglichkeit wollten sich zwei Manager nicht entgehen lassen, dabei aber die Grenzen traditioneller RPA-Projekte überwinden und komplexere Tasks automatisieren. Das veranlasste Ajay Anand, Vice President of Global Services Strategy and Transformation, und Stephen Sorenson, Senior Vice President of Technology Services, Supply Chain, Data Integration und Reliability Engineering, dazu, sich auf eine enorme Wette einzulassen.

"Der beste Weg, die Aufmerksamkeit der obersten Führungskräfte zu gewinnen, führt über die Größe der angestrebten Auswirkungen - im Allgemeinen bevorzugt J&J alles in Milliardenhöhe", offenbart Anand. Folgerichtig schlug das Manager-Duo vor, ein unternehmensweites Intelligent Automation Council einzurichten, bot an, dessen Vorsitz zu übernehmen und versprach, in den kommenden drei Jahren für sein Unternehmen Vorteile im Wert einer halben Milliarde Dollar zu erzielen.

Frühe Intelligent-Automation-Hürden

Inzwischen wendet Johnson & Johnson dank des Council Intelligent Automation auf so gut wie alles an - von grundlegenden Geschäftsprozessen über Chatbots im Kundenservice bis hin zu Algorithmen, die die Lieferkette überwachen. Allerdings stießen Anand und Sorenson gerade zu Beginn der großen Automatisierungsoffensive auf Hindernisse.

"Wir verlagerten die Produktion ins Ausland, nutzten kostengünstige Arbeitskräfte und versuchten, unsere Prozesse zu vereinfachen. Aber es war sehr schwierig, diese zu skalieren und die Fluktuation war hoch", erinnert sich Sorenson. "Wir mussten ständig Leute umschulen und die Ausnahmeprozesse machten uns zu schaffen. Ausnahmen können selbst scheinbar einfache Aufgaben wie das Versenden von Bestätigungsformularen erschweren. Tippfehler, eine neue Stellenbezeichnung - jede Kleinigkeit kann dazu führen, dass diese Formulare direkt in der Fehlerwarteschlange landen."

Im Rahmen der Automatisierung habe man zudem festgestellt, dass die Mitarbeiter ihre Geschäftsprozesse nicht so gut kennen, wie sie zuvor glaubten: "Sie kannten zwar ihre Aufgaben und konnten ihre Arbeit erledigen. Aber wenn man versuchte, das zu automatisieren, gab es nur sehr selten einen einfachen Weg zum Ziel."

Um einen vollständigen Überblick über die Geschäftsprozesse zu erhalten, entschied sich Johnson & Johnson deshalb dafür, ein Task Mining Tool einzusetzen: "Wir wählten eine Handvoll Mitarbeiter aus, die bereit waren, in der Anfangsphase mit uns zusammenzuarbeiten und sprachen mit ihnen zuerst über mögliche Datenschutzbedenken. Dann schulten wir sie im Umgang mit dem Tool und ließen sie ihre Workflows aufzeichnen. Im Ergebnis stand am Ende eine umfassende Dokumentation der Workflows. Die Aufzeichnungen wurden anschließend gemeinsam mit den Mitarbeitern analysiert um zu ermitteln, ob es weitere Variationen und Ausnahmen gibt, die nicht erfasst wurden", fasst Anand das Vorgehen zusammen.

Auf dem Weg zum Digital-First-Mindset

Die Intelligent-Automation-Initiative von Johnson & Johnson ging dabei nicht gleich in die Vollen: Den Startpunkt bildete der Einsatz von RPA, um einfache Tasks zu automatisieren. Zum Beispiel:

  • Dokumente verschieben,

  • Kalkulationstabellen ausfüllen,

  • wichtige Nachrichten versenden, oder

  • E-Mail-Integrationen.

"Wir waren sehr daran interessiert, wie wir all unsere Geschäftsprozesse unter dem Gesichtspunkt der Digitalisierung neu gestalten können", sagt Anand und verweist auf den Rechnungseingang als Schlüsselbeispiel für die neue Perspektive des Unternehmens. Denn wie in jedem Unternehmen kam es auch bei J&J im Rahmen dieses Prozesses zu Fehlern oder Streitigkeiten mit Kunden.

"Durch die Neugestaltung dieser Prozesse unter Einbeziehung eines digitalen Mindsets waren wir in der Lage, die Dinge von Anfang bis Ende zu betrachten und nach Stellen zu suchen, an denen wir nicht nur automatisieren, sondern auch eine gewisse Intelligenz einbauen können. In diesem Fall ging es um die Frage, ob wir vorhersagen können, mit welchen Kunden wir Streitigkeiten haben werden und proaktiv Maßnahmen einleiten, um das zu verhindern", erklärt Anand.

Durch die intelligente Automatisierung des Rechnungseingangs konnte J&J:

  • den Zahlungseingang erhöhen,

  • die Fehlerquote senken,

  • die Anzahl der Arbeitsstunden und

  • die Kosten für das Erreichen der gleichen Ergebnisse reduzieren.

Das Herzstück von J&Js Digital-First-Mentalität in Bezug auf intelligente Automatisierung bilden drei "E's", wie der Manager verrät: "Erfahrung, Effektivität und Effizienz. Verändert die Automatisierung die Erfahrungen von Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten? Macht sie die Prozesse effektiver und effizienter?"

Iterativer Automation-Erfolg

Laut Sorenson habe das Team in den letzten drei Jahren gelernt, dass der Schlüssel zum Erfolg auch in Sachen Automatisierung darin liege, klein anzufangen, Erfolge zu erzielen und über die Möglichkeiten aufzuklären: "Kleine Erfolge haben dem Automatisierungsteam dabei geholfen, Vertrauen zu gewinnen. Aber auch Daten, die es ihnen ermöglichten, zu beweisen, dass ein Digital-First-Mindset zu akkurateren Ergebnissen führt. Mit wachsendem Vertrauen ging es in den Gesprächen schon bald nicht mehr darum, die Beteiligten vom Wert der Automatisierung zu überzeugen, sondern darum, was man sonst noch tun könnte, um die Initiative voranzutreiben."

Anand fügt hinzu, dass es dabei auch wichtig, Ängste anhand von konkreten Beispielen abzubauen: "Das hat die Leute wirklich inspiriert. Zuvor war immer diese latente Angst vor der KI, die den Job wegnimmt, spürbar. Die Beispiele machten klar: Automatisierung schafft tatsächlich mehr Raum und Zeit für anspruchsvollere Aufgaben und Innovationen."

Das gesteckte Ziel einer halben Milliarde Dollar hat das Team mit seiner Intelligent-Automation-Initiative im Übrigen so gut wie erreicht. Wie Anand berichtet, bat ein Vorstandsmitglied nach einem Review kürzlich darum, das Ziel auf Grundlage des derzeitigen Tempos auf eine Milliarde Dollar zu erhöhen. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.