Blaupause für die Smart Factory

Cyber Physical Production Systems in der Praxis

30.08.2019
Von   IDG ExpertenNetzwerk
In seinen beruflichen Stationen bei Siemens, Staufen AG, MT Aerospace und aktuell Webasto trug Dr. Walter Huber überwiegend die Verantwortung für strategische Veränderungen. Aktuell ist er bei Webasto als Director im Produktionsbereich/Manufacturing Engineering beschäftigt. Im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit hat er über 30 Industrie 4.0 Projekte umgesetzt und mehrere Firmen in Richtung Industrie 4.0 transformiert. Hierzu ist auch beim Springer Verlag das Buch mit dem Titel Industrie 4.0 in der Automobilproduktion erschienen. Ein weiteres Buch mit dem Titel Wie Technologien unsere Wirtschaft und unsere Unternehmen verändert erscheint ebenfalls beim Springer Verlag.

Bestandteile eines modularen Produktionssystems

Abbildung 1: Bestandteile eines Produktionssystems für die modulare Fertigung.
Abbildung 1: Bestandteile eines Produktionssystems für die modulare Fertigung.
Foto: Eigene Darstellung

Die logischen Bestandteile eines Produktionssystems für die modulare Fertigung sind in Abbildung 1 dargestellt. Hierbei konzentrieren wir uns ausschließlich auf hierfür spezifische Elemente. Derartige Ansätze sind im Wesentlichen zweigeteilt: reale und digitale Welt. In der realen Welt sind CPS das zentrale Element. Sie zeichnen sich durch Logik/Intelligenz, Vernetzung und entsprechende Sensoren/Aktoren inklusive Hardware aus (siehe Abbildung 2).

Die Anordnung und das funktionale Design der einzelnen Arbeitsstationen entscheiden maßgeblich über die Produktivität des Ansatzes. Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF, also ebenfalls CPS) bilden das "Rückgrat" der zukünftigen Produktion, in Form von Teile- und Materialbewegungen einschließlich des zu produzierenden Produktes durch die gesamte Fertigung. Deren Steuerung erfolgt über FTS (Fahrerlose Transportsysteme) aus der digitalen Welt.

Abbildung 2: Bestandteile von Cyber Physical Systems.
Abbildung 2: Bestandteile von Cyber Physical Systems.
Foto: Eigene Darstellung

Das Vorhandensein eines MES (Manufacturing Execution System) in Abbildung 1 mag hier vielleicht etwas überraschen. Der Funktionsumfang eines MES unterscheidet sich zu aktuell bestehenden Systemen, wie sie etwa in der VDI 5600 festgelegt sind. Es übernimmt auch weiterhin die operative Überwachung der Produktion. Die komplexen planerischen Aufgaben werden durch das FTS übernommen. Es steuert die einzelnen FTF durch die Produktion.

Wichtig ist hierbei, ob die Steuerung zentral oder dezentral erfolgt. Die Antwort auf diese Frage orientiert sich anhand der Anzahl an Arbeitsstationen einschließlich deren Komplexität (und damit auch der des zu produzierenden Produktes) und der notwendigen Transportwege. Steuert also in letzter Konsequenz das Teil den Prozess oder der Prozess das Teil (wie in bisherigen klassischen linienorientierten Ansätzen)?

Planung im Minutenbereich

Ferner ist der Planungshorizont sehr wichtig. Zeiträume im Minuten- oder Stundenbereich sind hier zu verwenden, im Gegensatz zu aktuelle Planungszeiträumen im Tagesbereich. Ein derartiges Planungs-Tool, in der Welt der starren Linienfertigung würde man es Advanced Planning und Scheduling (APS) nennen, übernimmt die operative Steuerung der FTF. Es muss auch vorausschauend mögliche Stausituationen der Fahrzeuge, die anstehenden und bereits in der Fertigung befindlichen Aufträge und deren Fertigungsstatus und -fortschritt erkennen. Darüber hinaus gehört es zu seiner Aufgabe, den Fluss der einzelnen Produkte durch die Fertigung zu optimieren.

In letzter Konsequenz handelt es sich hierbei um ein mathematisches Optimierungsproblem, das es zu lösen gilt. Viele Aufgaben sind somit analog zu bestehenden Planungs-Tools. FTF und damit die hohe zeitliche Dynamik führen allerdings zu einer erheblichen Komplexitätssteigerung. Der verkürzte Planungshorizont im Minuten- respektive Stundenbereich trägt diesem Sachverhalt Rechnung.

In Summe gilt es, den digitalen Zwilling der jeweiligen Produkte (also etwa der zu produzierenden Autos) mit seinem realen Gegenüber zu synchronisieren. Das klingt in der Theorie einfach. In der Praxis hingegen kann das durchaus zu einer erheblichen Herausforderung werden. Siehe hierzu auch den Artikel "Wie Unternehmen von einem digitalen Zwilling profitieren". Die Steuerung der einzelnen Zwillinge erfolgt über die angesprochenen Mechanismen und Tools.

Zur Optimierung der gesamten Produktion und von Teilaspekten finden Big-Data-Systeme in Kombination mit Advanced Analytics (AA), respektive Machine-Learning (Predictive Maintenance und Quality, Smart Quality) Anwendung.