Kunden-Management

Customer Identity Resolution - den Kunden richtig erkennen

06.03.2013
Von 
Dr. Wolfgang Martin ist Experte auf den Gebieten Big Data, Business Intelligence, Performance Management, Analytics, Business Process Management, Information Management, Information Governance sowie Cloud Computing (SaaS, PaaS). Sein Spezialgebiet sind die Wechselwirkungen technologischer Innovation auf das Business und damit auf die Organisation, die Unternehmenskultur, die Businessarchitekturen und die Geschäftsprozesse.
Das Wissen über die Kunden entscheidet über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Lösungen für Customer Identity Resolution erweitern herkömmliche Customer-Relationship-Management-Systeme und helfen dabei, die eigenen Kunden besser kennenzulernen.
Customer Identity Resolution - den Kunden richtig erkennen.
Customer Identity Resolution - den Kunden richtig erkennen.
Foto: Sergey Nivens, Shutterstock.com

Die alte Weisheit "der Kunde ist König" entspricht nun heute definitiv der Wahrheit: Wir sind im Zeitalter des Kunden angekommen. Das Internet und ganz besonders die fortschreitende Nutzung sozialer Medien haben die Machtverhältnisse im Markt zu Gunsten der Kunden und Verbraucher gedreht. Sie beziehen Information überall und jederzeit über das mobile Internet aus vielen unterschiedlichen Kanälen sowie von verschiedenen Meinungsmachern und Trendsettern. Kunden wollen Produkte sofort, in bester Qualität, günstig und mit einem hohen Maß an Service.

Das Wissen um und über die Kunden wird damit wettbewerbsentscheidend für die Anbieter. Im Rahmen von "Customer Experience Management" (CEM) geht es vor allem darum, positive Kundenerfahrungen zum Aufbau einer emotionalen Bindung zwischen Kunden und Produkt, Marke, Service und/oder Anbieter zu schaffen. Ziel von CEM ist es, aus zufriedenen Kunden treue Kunden und aus treuen Kunden "begeisterte Kunden" zu machen.

Definition Customer Experience Management (CEM)

Unter "Customer Experience Management" versteht man die Strategie, Methodologie und/oder die Prozesse, um in einer umfassenden Weise das Multi-Kanal-Erscheinungsbild, die Interaktionen und Transaktionen von Kunden mit einem Unternehmen, Produkt, Marke oder Service zu managen.

Das klingt zwar einsichtig, ist aber gar nicht so einfach anzuwenden. Die Probleme beginnen mit dem Multi-Kanal-Erscheinungsbild. Beispiel: Eine Kundin, die in der Kundendatenbank im Unternehmen mit dem Namen Ruth-Hanna Friese eingetragen ist, könnte beispielsweise in einem sozialen Netz Ruth Anne Friese heißen oder als Ruth Friese eine Beschwerde reklamieren. Sind das jetzt drei Personen oder ist das eine Person mit drei Identitätsbezeichnungen? Solche Probleme mit der Kundenidentität sind nicht selten, sondern meist die Regel. Ursachen sind eine natürliche Variabilität wie im Beispiel von Frau Friese, aber auch unerwartete Probleme durch Schreib- oder Transskriptionsfehler wie Spitznamen, Abkürzungen und Schreibweisen in unterschiedlichen Schriftsätzen (wie arabisch, chinesisch, griechisch, kyrillisch, lateinisch, etc.) oder sogar Falschangaben von Personen, die eine andere Identität vortäuschen sollen. Noch schwieriger wird es, Identitäten zu finden, wenn der Kunde anonym auftritt. Das zeigt, dass es im Rahmen einer solchen "Customer Identity Resolution" um eine der zähesten Herausforderungen in der Datenvorbereitung für CEM oder dem traditionellen CRM geht.

Eine Sicht auf den Kunden

Qualitaetslevel.
Qualitaetslevel.
Foto: Wolfgang Martin

Das Kern-Thema von Customer Identity Resolution ist nicht neu. Als Methode im Datenqualitäts-Management kommt es beispielsweise seit langem bei der Einrichtung von Data Warehouse (DW) zum tragen - oder im analytischen CRM beim Aufbau einer einzigen Sicht auf den Kunden. Auch im Direktmarketing ist Customer Identity Resolution nichts Neues - sorgt doch die Dublettenbereinigung hier für reibungslose Prozesse. Ob beim Konsolidieren von Adressbeständen, Bestandsbereinigung, Fremdbereinigung, Listen-Mischung, Cluster-Abgleich, Negativ-Abgleich (insbesondere bei der Robinsonliste), Positiv-Abgleich zur Datenanreicherung und im internationalen Abgleich bei unterschiedlichen Schriftsatz-Räumen - der richtige Umgang mit Kunden-Identitätsdaten ist hier erfolgsentscheidend. Customer Identity Resolution greift auf all diesen Gebieten und ist im Datenqualitätsmanagement, wie es beispielsweise bei Uniserv umgesetzt wird, daher nicht mehr wegzudenken.

Heute im Zeitalter des Kunden wird Customer Identity Resolution noch wichtiger. Die Nutzung von sozialen Medien -wie Facebook, LinkedIn, Xing, Foursquare, Twitter, Pinterest etc. - hat zu einer Machtverschiebung im Markt zugunsten des Kunden geführt. Jetzt ist es für Unternehmen entscheidend und wettbewerbskritisch zu wissen, was die Kunden in den sozialen Netzen sagen und meinen. Für das Marketing bieten die Kundendaten in den Netzwerken eine bisher nicht gekannte und gekonnte Möglichkeit, das Wissen über den Kunden anzureichern und entsprechend zu nutzen. Beim Abgleich und der Anreicherung der Unternehmens-Kundendaten mit sozialen Daten ist Customer Identity Resolution jedoch erfolgskritisch. Indem man jede Information in den Gesamtkontext eines Kunden stellen und dann kumulieren kann, erhalten Unternehmen ein besseres Verständnis und vor allem mehr Kenntnisse über ihre Kunden. Aus den zusammengefügten Informations-Puzzleteilen entsteht so ein Kundengesamtbild. Customer Identity Resolution unterstützt die Anwender dabei, ein präziseres Multikanal-Erscheinungsbild des Kunden zu zeichnen, und kann so bessere Kundenmodelle im Rahmen von prädiktiver Analyse aufbauen und im Endeffekt die Geschäftsergebnisse verbessern.

Definition Customer Identity Resolution

"Customer Identity Resolution" hat zur Aufgabe, Unternehmen bei den Herausforderungen im Umgang mit Kunden-Identitätsdaten zu helfen: Das sind die Daten aus unterschiedlichen Quellen, die spezifisch und korrekt einen Kunden, einen Lieferanten, einen Interessenten, einen Meinungsmacher, einen Patienten, einen Steuerzahler, einen Kriminellen etc. identifizieren.

Methoden für Customer Identity Resolution

Die verwendeten Methoden basieren auf landesspezifischen Regel- und Begriffstabellen, auf sprachraumspezifischer Phonetik und adressspezifischer Fuzzy-Logik (siehe Kasten). Informationstechnisch wird eine Customer-Identity-Lösung am besten als Service angeboten. Diese Customer-Identity-Resolution-Services lassen sich dann in Batch-Läufen zur Massenverarbeitung einsetzen, beispielsweise bei der Bereinigung großer Datenbestände, oder auch in Geschäftsprozesse einbetten, wo sie in Echtzeit angewendet werden können.

Ein Beispiel sind Transaktionen im Handel: Manche Händler betreiben unterschiedliche Webshops. Wenn ein Neukunde in einem Shop eine Bestellung aufgibt, dann sollte man wissen, ob er vielleicht bereits ein guter Kunde in einem anderen Shop ist, um im Sinne von CEM die Kundenbindung weiter zu steigern. Vielleicht ist es aber auch ein "fauler" Kunde, der bereits auf der schwarzen Liste des Unternehmens oder bei Kreditbewertungsorganisationen steht, und sich nun unter einer falschen Identität in einem anderen Shop bedienen will. Mit Customer Identity Resolution in Echtzeit kann noch vor dem Abschluss der Transaktion die wahre Identität festgestellt und entsprechend gehandelt werden.

Das Beispiel zeigt auch sehr deutlich, dass Customer Identity Resolution nicht nur wie früher im Direktmarketing dazu dient, die Kosten zu senken, sondern auch im Sinne von CEM die Kundenbindung und Kundenprofitabilität steigern oder im Sinne von Risiko-Management betrügerische Transaktionen vermeiden kann.

Methoden des Customer Resolution Management

Traditionelle Verfahren in der Customer Identity Resolution setzten Zeichenketten-Vergleiche und Match-Codes ein. Heute werden darüber hinaus mehr und mehr mathematische Verfahren insbesondere aus der Fuzzy-Logik verwendet, die durch landesspezifisches Wissen ergänzt werden. Diese Wissensbasen sind offen und lassen sich daher im Lauf der Zeit mittels Lernverfahren weiter verbessern. So können zunächst allgemeine Wissens-Pools problemspezifisch angepasst werden. Eine umfassende Zusammenstellung der gängigen und auch fortgeschrittenen Verfahren findet man beispielsweise bei Uniserv.

Customer Identity Resolution Management Services haben weiterhin den Vorteil, dass sie nicht nur als On-Premise-Services, sondern auch als SaaS im Rahmen von Cloud Computing genutzt werden können. Mit anderen Worten: Customer Identity Resolution Services lassen sich schnell installieren, testen und in einem Pilotprojekt auf Kosten und Nutzen prüfen. Customer Identity Resolution bildet damit also einen wichtigen und erfolgskritischen Baustein in einem Kunden-Datenmanagement, das die unterschiedlichen Aufgaben und Funktionsbereiche der Datenvorbereitung für CEM und dem traditionellen CRM darstellt:

  1. Customer Data Management beginnt mit der Datenintegration, um Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammenzuführen. Das lässt sich traditionell mit ETL-Prozessen erledigen oder mit Hilfe von Daten-Virtualisierung, einem neueren Verfahren, bei dem ein logisches Datenmodell des Gesamtdatenbestandes erstellt wird, die Daten aber physikalisch nicht bewegt werden.

  2. Im zweiten Schritt erfolgt eine Datenbereinigung mit den typischen Services eines Datenqualitäts-Management.

  3. Der dritte Schritt ist dann Customer Identity Resolution.

  4. So erfolgt darauf im vierten Schritt die 360-Grad-Sicht auf den Kunden.

  5. Schließlich folgen abschließend noch die Aufgaben der Information Governance, in deren Rahmen Sicherheitskonzepte umzusetzen und die Compliance sicherzustellen sind.

Damit erhalten Anwenderunternehmen eine solide Basis für CEM und CRM.

Fazit

Customer Identity Resolution ist ein wichtiger Bestandteil für erfolgreiches CEM und CRM. Heute verstehen wir darunter nicht mehr allein eine Dubletten-Bereinigung im Rahmen von Datenqualitäts-Management. Durch die Möglichkeit, alle Informationen über Kunden in den Gesamtkontext zu stellen und die Informationsbausteine aus den unterschiedlichen Kanälen zu einem präziseren Multikanal-Erscheinungsbild zu kumulieren, bringt Anwenderunternehmen einen großen Mehrgewinn an Information. Dubletten zu bereinigen spart Kosten, durch den Gewinn an Information über den jeweiligen Kunden lassen sich zusätzlich Umsätze steigern und Risiken senken.

Doch auch beim Customer Resolution Management können natürlich Fehler auftreten. Man spricht dabei von einem Fehler der ersten Art (oder auch "falsch positiv"), wenn zwei Datensätze, die zu verschiedenen Kunden gehören, einem Kunden zugeordnet werden. Vom Fehler zweiter Art (oder auch "falsch negativ") spricht man, wenn zwei Datensätze, die den gleichen Kunden bezeichnen, nicht zugeordnet werden. Das folgende Schaubild erläutert die Situation:

Methoden.
Methoden.
Foto: Wolfgang Martin

Im Schaubild bedeutet der "obere Schwellenwert" die Mindestübereinstimmung, damit verschiedene Datensätze einer Identität zugeordnet werden. Entsprechend bedeutet der "untere Schwellenwert", dass alle Datensätze mit einem kleineren Ähnlichkeitsmaß verschiedenen Identitäten zugeordnet werden. Datensätze mit Ähnlichkeitsmaßen, die zwischen dem oberen und unteren Schwellenwert liegen, sind manuell zu prüfen. Setzt man den oberen Schwellenwert zu niedrig an, dann erhöht man die Anzahl der falsch positiven Entscheidungen. Setzt man den unteren Schwellenwert zu hoch an, dann erhöht man die Anzahl der falsch negativen Entscheidungen. Im Laufe der Zeit gewinnt man Erfahrung und kann den oberen und unteren Schwellenwert empirisch optimieren. (mh)

*Dr. Wolfgang Martin ist Analyst des Wolfgang Martin Team