In einer von Sapphire Ventures geführten Finanzierungsrunde erhält Creatio 200 Millionen Dollar frisches Kapital. Damit wird der Anbieter einer No-Code-Plattform, mit der User CRM-Prozesse steuern und automatisieren können, mit insgesamt 1,2 Milliarden Dollar bewertet und erreicht damit Unicorn-Status.
Zu den weiteren Investoren zählen die StepStone Group sowie die bereits bestehenden Geldgeber Volition Capital und Horizon Capital. "Die Runde ist eine Minderheitsbeteiligung, die darauf abzielt, die globale Expansion von Creatio voranzubringen", hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens. Strategie und Produktvision blieben unter Kontrolle des Führungsteams von Creatio.
Creatio fordert die traditionellen Softwareanbieter heraus
"Mit dieser Investition werden wir den traditionellen Ansatz für Unternehmenssoftware herausfordern", kündigte Katherine Kostereva, Gründerin und CEO von Creatio, selbstbewusst an. Ihren Kunden versprach die Managerin, die Time-to-Value weiter zu beschleunigen und Technologie als Wettbewerbsvorteil für deren Geschäft zu nutzen.
Das frische Geld will der Anbieter vor allem in Forschung und Entwicklung stecken und sich darauf konzentrieren, KI-gestützte Entwicklung und Copilot-Funktionen aufzubauen. Darüber hinaus will der Anbieter die Bereiche No-Code-Governance und Application Lifecycle MAnagement (ALM) ausbauen und sein Portfolio an vorkonfigurierten Komponenten und Vorlagen erweitern, die auf verschiedene Branchen zugeschnitten sind, darunter Finanzdienstleistungen, Versicherungen sowie Fertigung und Vertrieb.
Außerdem kündigten die Creatio-Verantwortlichen an, ihr Partnernetz weiter ausbauen zu wollen. Derzeit gebe es rund 700 Partner, die die Plattform in 100 Ländern und in 23 Sprachen anbieten. Für mehr Reichweite im Markt soll auch das interne Team verstärkt werden. Das gelte für alle Bereiche, von Forschung und Entwicklung über Customer Success bis hin zu Marketing und Vertrieb. Aktuell beschäftigt das 2014 gegründete Unternehmen etwa 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auf der Kundenliste stehen renommierte Firmennamen wie AMD, Colgate und Pacific Western.
Klassische Software oft zu unflexibel
Klassische Unternehmenssoftware ziele oft darauf ab, Prozesse in allen Organisationen einheitlich abzuwickeln und zu standardisieren, erklärte Rajeev Dham, Partner bei Sapphire Ventures, die Hintergründe der Investition. In Wirklichkeit sei jedoch kein Unternehmen wie das andere, viele Prozesse unterschieden sich oft stark und passten nicht in ein einheitliches Schema. Standardisierte Lösungen, die in der Regel zu starr und nur teuer anzupassen seien, könnten mit den dynamischen Anforderungen moderner Unternehmen kaum Schritt halten. Viele Unternehmen bräuchten Dham zufolge daher flexible und modifizierbare Tools, die an ihre individuellen Anforderungen und Prozesse angepasst werden könnten.
Studie No-Code / Low-Code 2023: KI im No-Code-/Low-Code-Einsatz
Dafür bringt der Investor die No-Code-Plattform von Creatio ins Spiel. Auch technisch weniger versierte Benutzer könnten damit Anwendungen erstellen und anpassen sowie Workflows automatisieren. Creatios Schwerpunkt liegt auf aktuellen Front-Office-CRM-Anwendungsfällen, zum Beispiel Vertrieb, Marketing und Kundendienst.
Creatio baut Lego-System für das Kundenmenagement
Die Plattform basiert auf einer sogenannten Composable Architecture, die es Nutzerinnen und Nutzern ermöglichen soll, vorgefertigte Komponenten per Drag-and-Drop wie Lego-Steine zusammenzusetzen. Dabei helfe dem Anbieter zufolge eine Bibliothek von über 600 Vorlagen, die es einfacher und schneller mache, Workflows zu konfigurieren und anzupassen.
Eine Business-Logik-Engine interpretiert die so konfigurierten Workflows und fügt komplexe Geschäftsprozesse im Backend zusammen. Eine Governance-Engine, die aus über 140 vorgefertigten Prüfungen besteht, soll außerdem sicherstellen, dass die No-Code-Lösung entlang zuvor definierter Leitplanken richtig funktioniert.
Darüber hinaus hat der Anbieter mit Creatio Copilot KI-Funktionen in seine Plattform integriert. User könnten den GenAI-Assistenten nutzen, um No-Code-Apps schneller zu entwickeln sowie grundlegende CRM-Funktionen wie das Generieren von E-Mails und Vorlagen innerhalb der Plattform zu beschleunigen, hieß es.
Marktlücken im CRM-Bereich bieten noch Chancen
Die Investoren sehen durchaus Chancen im Bereich Customer Relationship Management (CRM). Salesforce, der mit großem Abstand führende CRM-Anbieter, komme weltweit nur auf einen Marktanteil von etwa 20 Prozent, konstatierte Sapphire-Partner Dham. Viele Unternehmen arbeiteten immer noch mit Tabellenkalkulationen und rudimentären Eigenentwicklungen.
Trotz des Erfolgs der heute verfügbaren CRM-Plattformen würden längst nicht alle Bedürfnisse der Anwenderunternehmen abgedeckt. Es gebe weiterhin eine erhebliche Marktlücke, erläuterte der Investor. Gerade größere CRM-Lösungen würden häufig mit schwergewichtigen, monolithischen Plattformen geliefert, deren Implementierung, Wartung und Anpassung teuer und zeitaufwändig sei. Auf der anderen Seite fehle es Anbietern im unteren Marktsegment, die mehr Flexibilität bieten, häufig an der Produkttiefe und Skalierbarkeit, die wachsende Unternehmen benötigen. Diese Lücke könnte Creatio schließen.