SAP werde sich künftig weniger auf kurzfristige Marge, sondern stärker langfristig orientieren, sagte der Vorstandsvorsitzende Christian Klein anlässlich der Präsentation der Bilanz für das dritte Quartal 2020. Doch diese Botschaft, die im Kern nichts anderes besagt, als dass der größte deutsche Softwarekonzern seine ehrgeizigen Wachstumsziele nicht halten kann, kam an der Börse gar nicht gut an. Das SAP-Papier brach am Morgen des 26. Oktobers um über 20 Prozent ein und notierte erstmals seit April dieses Jahres wieder unter der 100-Euro-Marke. Über 30 Milliarden Euro Marktwert lösten sich in Luft auf.
SAP hat seine Ziele für das laufende Geschäftsjahr nach unten korrigiert. Beim Umsatz soll währungsbereinigt eine Summe zwischen 27,2 und 27,8 Milliarden Euro herauskommen. Zuvor hatten die Softwerker auf einen Betrag zwischen 27,8 und 28,5 Milliarden Euro gehofft. Auch die Erwartungen an das zukunftsträchtige Cloud-Geschäft wurden heruntergeschraubt. Nachdem SAP ursprünglich Erlöse von 8,3 bis 8,7 Milliarden Euro für dieses Jahr erwartet hatte, rechnet man nun noch mit 8,0 bis 8,2 Milliarden Euro.
Den SAP-Verantwortlichen fällt es offensichtlich immer schwerer, die künftige wirtschaftliche Entwicklung zu prognostizieren. Der Ausblick vom April dieses Jahres, der jetzt korrigiert wurde, habe "die bestmögliche Schätzung der SAP hinsichtlich des Zeitpunkts und der Geschwindigkeit einer Erholung von der Corona-Krise widergespiegelt". Dieser Ausblick sei davon ausgegangen, dass die Länder ihre Wirtschaft hochfahren und die Einschränkungen für die Bevölkerung lockern würden, so dass sich die Nachfrage im dritten und vierten Quartal allmählich verbessere.
Nachfrage nach SAP-Lösungen verhalten
Diese Hoffnungen scheinen sich nicht zu bewahrheiten, wie gerade die aktuellen Entwicklungen rund um die Ausbreitung von COVID-19 zeigen. "Auch wenn weiterhin ein stabiles Interesse an den Digitalisierungslösungen der SAP besteht, da Kunden widerstandsfähiger und agiler aus der Krise hervorgehen möchten, wurde kürzlich in manchen Regionen das öffentliche und wirtschaftliche Leben erneut eingeschränkt, und die Belebung der Nachfrage fiel verhaltener aus als erwartet", heißt es in einer Verlautbarung von SAP. Des Weiteren geht der Konzern nicht mehr davon aus, dass sich beispielsweise die SAP-Concur-Erlöse, eine Cloud-Lösung zur Abrechnung von Geschäftsreisen, in den verbleibenden Monaten des Jahres 2020 erholen werden.
Die Walldorfer planen nun deutlich vorsichtiger. Die COVID-19-Pandemie werde voraussichtlich mindestens bis zur ersten Jahreshälfte 2021 die Nachfrage beeinträchtigen. In der Folge könnten die für zentrale Kennzahlen wie Cloud-Erlöse, Umsätze und Betriebsergebnis gesetzten Ziele erst ein bis zwei Jahre später als ursprünglich geplant erreicht werden. Zudem werde sich der Trend in Richtung Cloud Computing negativ auf die Entwicklung der operativen Marge auswirken. SAP geht von einem Minus von vier bis fünf Prozentpunkten aus.
Insgesamt rechnet das Unternehmen mit einem beschleunigten Umstieg der eigenen Kunden in Richtung Cloud. Das sieht man in Walldorf mit einem lachenden und einem weinenden Auge. So sollen die jährlichen Cloud-Umsätze bis 2025 auf über 22 Milliarden Euro steigen. Das würde fast eine Verdreifachung im Vergleich zum Cloud-Geschäft des laufenden Jahres bedeuten. Der Anteil der besser planbaren Umsätze soll Klein zufolge auf etwa 85 Prozent ansteigen - im laufenden Jahr sind 72 Prozent angepeilt.
SAP muss an seinem Cloud-Portfolio arbeiten
Zugleich werden sich mit dem Cloud-Trend aber auch die Einnahmen mit klassischen Softwarelizenzen reduzieren und in der Folge auch die Wartungseinnahmen - nach wie vor ein wichtiger Posten in der SAP-Bilanz. Im dritten Quartal 2020 verbuchte SAP unter dem Posten Softwaresupport gut 2,8 Milliarden Euro - das sind über 43 Prozent des Gesamtumsatzes. Darüber hinaus muss SAP mehr Anstrengungen unternehmen, sein Cloud-Portfolio kundengerecht umzubauen. Viele Anwender haben in der Vergangenheit die mangelhafte Integration zwischen den verschiedenen Lösungen kritisiert. Sie fordern die Unterstützung von End-to-End-Prozessen sowie eine Harmonisierung der Datenmodelle.
SAP-Chef Klein hat versprochen, diese Probleme zu lösen. Doch das kostet. Eine beschleunigte Harmonisierung des SAP-Cloud-Betriebs werde voraussichtlich zusätzliche Investitionen in den Jahren 2021 und 2022 erfordern. Die SAP-Führung rechnet in den beiden kommenden Jahren mit schwierigen Geschäften. Die Folgen der Coronakrise und der beschleunigte Wechsel des Geschäftsmodells in Richtung Cloud werden demnach zu einer verhaltenen Umsatzentwicklung sowie einem stagnierenden oder etwas geringeren Betriebsergebnis führen. Erst ab 2023 soll es wieder besser laufen. Dann rechnet SAP mit einem beschleunigten Wachstum der Einnahmen sowie einem zweistelligen Plus beim Betriebsergebnis.
Alles eine Frage der Marge
Der Umstieg des Geschäftsmodell vom klassischen On-premises-Geschäft mit Lizenzen und Wartung zum Cloud-Business mit wiederkehrenden Mieteinnahmen wird für SAP eine Herausforderung. Das zeigt der Blick auf die Margen. SAP-Chef Klein spricht davon, in einigen Jahren eine Cloud-Bruttomarge von 80 Prozent plus zu erreichen. Doch davon sind die Walldorfer weit entfernt. Im abgelaufenen dritten Fiskalquartal 2020 betrug die Cloud-Bruttomarge 66,7 Prozent (IFRS). Das liegt noch deutlich unter den angepeilten Zielen und vor allem auch unter den Gewinnmargen des klassischen SAP-Geschäfts. Mit Softwarelizenzen und -Support erzielte der Softwarehersteller zuletzt eine Bruttomarge von 86,7 Prozent.
Immerhin verlief das abgelaufene Geschäftsquartal nicht so schlecht wie der Kursrutsch befürchten lassen könnte. Die Cloud-Einnahmen verbesserten sich in den Monaten Juli bis September 2020 im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent auf fast zwei Milliarden Euro. Der Gesamtumsatz fiel um vier Prozent auf gut 6,5 Milliarden Euro. Das lag in erster Linie an den Rückgängen in den klassischen Bereichen. Das Lizenzgeschäft brach um 23 Prozent von 932 Millionen Euro im dritten Quartal 2019 auf aktuell 714 Millionen Euro ein. Die Support-Erlöse reduzierten sich um zwei Prozent auf gut 2,8 Milliarden Euro. Ein Lichtblick unter dem Strich: Der Profit verbesserte sich um 31 Prozent von 1,26 auf 1,65 Milliarden Euro.
Die Kosten im Blick behalten
SAPs Finanzchef Luka Mucic kündigte an, den Weg als Cloud-Wachstumsunternehmen konsequent fortsetzen zu wollen. Gleichzeitig will er sich auch auf Kosteneinsparungen konzentrieren. Mucic gab sich zuversichtlich, die reduzierten Ziele zu schaffen: "Durch diese Maßnahmen und unser widerstandsfähiges Geschäftsmodell sind wir gut aufgestellt, unsere neuen Zielsetzungen zu erreichen, wenn die Unsicherheit nachlässt."