Die Corona-Pandemie hat in den meisten Unternehmen zu einem Digitalisierungsschub geführt. Viele Firmen haben binnen weniger Monate Digitalisierungs-Projekte umgesetzt, für die sie sonst Jahre gebraucht hätten. Das heißt: Auch das IT Service Management (ITSM) muss nachziehen und seine Prozesse beschleunigen sowie effizienter gestalten.
Wegen Corona wurde ITSM sogar zum strategisch wichtigsten Thema, mit dem sich die IT-Abteilungen in den kommenden zwei Jahren auseinandersetzen müssen. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen Studie "IT Service Management 2021", die IDG Research Services von CIO und COMPUTERWOCHE gemeinsam mit den Partnern ServiceNow, Ivanti, Micro Focus und Efecte realisiert haben. Dazu wurden 531 Entscheider aus der DACH-Region zu ihren Ansichten, Plänen und Projekten rund um ITSM und Enterprise Service Management (ESM) befragt.
IT Service Management ist in 41 Prozent (Vorjahr: 33 Prozent) der Firmen das strategisch wichtigste IT-Thema, gefolgt von Cybersecurity mit 37 Prozent (Vorjahr: 27 Prozent). Auch bei letzterem spielt Corona eine wichtige Rolle, da durch die zunehmende Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice die Sicherheits-Herausforderungen steigen. Erstaunlich ist der Abstieg des letztjährigen Spitzenreiters (Multi) Cloud Computing von 39 auf 19 Prozent. Möglicherweise liegt dies daran, dass viele Firmen im letzten Jahr einen Großteil ihrer Anwendungen bereits in die Cloud verlagert haben. Die Cloud wird zur Commodity. Enterprise Service Management hat zwar mit 14 Prozent (Vorjahr: 10 Prozent) wieder etwas an Bedeutung gewonnen, steht aber auf der Prioritätenliste der IT-Abteilung immer noch weit unten.
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ITSM-Zufriedenheit steigt
Die Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice wirkte wie ein Stresstest und zeigte, wie Firmen in puncto ITSM aufgestellt sind: Ist der IT-Support effizient genug? Sind die IT-Prozesse flexibel und widerstandsfähig genug für den Umgang mit derartigen Krisen? Natürlich sind in Unternehmen mittlerweile viele IT-Services standardisiert, automatisiert und arbeiten kosteneffizient mit konstant hoher Qualität.
Entsprechend hoch ist auch dieses Jahr die Zufriedenheit der Unternehmen mit ihrem ITSM. Auf einer Schulnoten-Skala von 1 bis 6 erreicht die Zufriedenheit einen Mittelwert von 2,4, sprich ein "Gut". Je größer das Unternehmen beziehungsweise je höher der IT-Etat, desto größer die Zufriedenheit mit dem ITSM. Während nur 47 Prozent der kleinen Firmen bis 500 Mitarbeiter "sehr zufrieden" oder "zufrieden" sind, sind es bei den mittleren Firmen zwischen 500 und 999 Mitarbeitern 63 Prozent und bei den großen Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern 60 Prozent.
Vergleicht man die Zufriedenheitswerte aufgeschlüsselt nach dem jährlichen IT-Etat, sind die Unternehmen mit mehr Geld zufriedener als die mit weniger: Während 50 Prozent der Unternehmen mit einem jährlichen IT-Budget von weniger als zehn Millionen Euro (sehr) zufrieden sind mit ihrem ITSM, sind es bei den Unternehmen mit einem IT-Etat von über zehn Millionen Euro 71 Prozent.
Auch wegen des gut funktionierenden IT Service Managements sehen die meisten Unternehmen ihre IT gut aufgestellt, um die größten Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen: Geschwindigkeit und Flexibilität. Das Gros der Firmen bescheinigt ihrer IT den dafür nötigen Reifegrad. Auf einer Schulnotenskala von 1 bis 6 liegt der bei Mittelwert bei 2,81. Die Werte für den Reifegrad der Automatisierung von (Business-/IT-)Prozessen in den Unternehmensbereichen sind ähnlich. Hier liegt das arithmetische Mittel bei 2,95.
COVID-19 stellt neue Anforderungen
Doch selbst wenn viele Firmen mit ihrem IT Service Management zufrieden sind - Corona brachte neue Anforderungen hinzu. Durch Lockdown, Social Distancing und zunehmende Arbeit im Homeoffice muss die IT ihre Service-Management-Prozesse effizienter gestalten. Das bestätigt auch die vorliegende Studie. Rund drei Viertel der Unternehmen stimmen der folgenden Aussage zu: "Durch COVID-19 hat sich erwiesen, dass wir in unserem Unternehmen zunächst einmal die Prozesse optimieren müssen."
Eine weitere Herausforderung sind veränderte Arbeitszeiten. Wenn Mitarbeiter im Homeoffice um 22 Uhr zuhause an ihrem Schreibtisch sitzen, ist der Service Desk nicht mehr besetzt. Abhilfe schaffen hier eine Anpassung der IT-Service-Zeiten oder bessere Self-Service-Möglichkeiten. Letztere bieten Lösungs-Datenbanken mit Tipps und Tricks zu alltäglichen IT-Fragen, die Mitarbeiter im Homeoffice unterstützen. Auch hier stimmten rund Drei Viertel der Befragten zu. Häufig kommen dann auch KI-basierte Chatbots zum Einsatz, um die Qualität am Service Desk zu verbessern. Zudem fordert COVID-19 Investitionen in die IT-Infrastruktur sowie für die IT-Ausstattung in den Homeoffices der Mitarbeiter. Letzteres stellt für viele Firmen eine völlig neue IT-Herausforderung dar.
Höhere Investitionen
An Geld mangelt es jedenfalls nicht. Insgesamt 80 Prozent der befragten Firmen sagen, dass ihr ITSM-Budget "ausreichend" oder "eher ausreichend" dimensioniert ist. Hier gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen den kleinen, mittleren und großen Unternehmen. Ähnlich sieht es beim ESM-Budget aus. Hier sagen 77 Prozent der Unternehmen, dass sie über "ausreichend" oder "eher ausreichend" Geld für die Standardisierung und Automatisierung von Non-IT-Prozessen verfügen.
Die gute Nachricht: Während der Corona-Pandemie hat etwa die Hälfte der Unternehmen sowohl das ITSM-Budget (51 Prozent) als auch das ESM-Budget (48 Prozent) teils deutlich erhöht - damit schaffen sie die Voraussetzung für eine weitere Optimierung des IT Service Managements. In einem Drittel der Firmen bleiben das ITSM-Budget und das ESM-Budget im Vorjahresvergleich in etwa gleich, nur jeweils 12 Prozent der Firmen kürzten ihre ITSM- und ESM-Mittel. Den Schwerpunkt der ITSM-Ausgaben bilden mit jeweils 28 Prozent ITIL und Cloud-Service-Management. Für die "Erweiterung" von ITSM auf Enterprise Service Management nehmen 15 Prozent der Firmen Geld in die Hand.
Auch der Grad der Automatisierung bei den Kernprozessen in den Unternehmen ist weiter gestiegen. In 14 Prozent der befragten Unternehmen sind 60 bis 79 Prozent der Prozesse automatisiert - im Vorjahr wurde dieser Automatisierungswert noch in nur 7 Prozent der Unternehmen erreicht. In 35 Prozent der Unternehmen sind 40 bis 59 Prozent der Prozesse mittlerweile automatisiert - auch hier gab im Vorjahresvergleich fast eine Verdoppelung - lag der Wert im vergangenen Jahr doch noch bei 18 Prozent. Ein Grund für den Anstieg dürfte sein, dass mittlerweile 70 Prozent der Firmen bei der Service-Automatisierung einen einheitlichen Ansatz verfolgen. 47 Prozent setzen dabei auf einen einheitlichen Ansatz mit individuell implementierten Prozessen pro Service, 23 Prozent auf standardisierte Prozesse, die auf standardisierten Service-Definitionen oder Service-Bauplänen (Blueprints) basieren.
Die IT wählt die Tools aus
Die IT-Abteilung ist in zwei Drittel der Unternehmen der Treiber von Innovationen bei den Service-Prozessen. Die bedeutende Rolle der IT beim Thema ESM liegt auf der Hand. Nur die IT-Abteilung hat die Erfahrung und das Know-how, wie sich softwarebasierte Systeme auch auf andere Bereiche übertragen lassen. Die IT-Organisation hat sich mit ITSM und den ITIL-Standards einen Wissensvorsprung erarbeitet, den die anderen Fachbereiche für ihre (neuen) digitalen Services nutzen können. In nur 29 Prozent der Firmen geht das eigene Management beim Wandel im ITSM und ESM voran - ähnliche Werte erreichen die einzelnen Fachbereiche (27 Prozent) oder die eigenen Mitarbeiter (24 Prozent).
Auch das Gewicht bei der Auswahl von ITSM- und ESM-Tools verlagert sich immer stärker in die IT-Abteilung. Nimmt man die CIOs/IT-Vorstände (59 Prozent; Vorjahr: 42 Prozent) und IT-Leiter (49 Prozent; Vorjahr: 45 Prozent) zusammen, ist in sehr vielen Unternehmen die IT-Abteilung erster Ansprechpartner für die Entscheidung über Software für das Service Management (Mehrfachnennungen möglich). Im Vorjahr waren es "nur" 87 Prozent. Interessant ist die geringere Bedeutung der Geschäftsführer bei dieser Thematik. Er/Sie ist in nur noch in 27 Prozent der Firmen für die Auswahl der ITSM- und ESM-Tools verantwortlich (Vorjahr 30 Prozent). Vor zwei Jahren lag der Geschäftsführer mit 43 Prozent noch gleichauf mit dem CIO an der Spitze. Wichtig zu wissen ist allerdings, dass in diesem Jahr nur Entscheider und Mitarbeiter aus dem IT- und Technologiebereich mit den hier abgehandelten Fragen konfrontiert wurden - in den vergangenen zwei Jahren waren es noch alle Unternehmensfunktionen gewesen. Wegen dieser teils unterschiedlichen Befragtengruppen ist der jahresübergreifende Vergleich der Werte nur eingeschränkt möglich.
Anbieter-Know-how gefragt
Bei der Wahl eines Anbieters von ITSM-/ESM-Software-Lösungen legen Firmen vor allem Wert auf das technologische Know-how (35 Prozent). Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis folgt mit 32 Prozent der Nennungen an zweiter Stelle. Weitere wichtige Kriterien bei der Auswahl des Anbieters sind Prozess-Know-how, Branchenkompetenz, Vertrauen in den Anbieter, ein fester Ansprechpartner sowie eine Kundenreferenzliste. Bei der ITSM-/ESM-Lösung selbst achten die Firmen vor allem auf eine hohe Integrationsfähigkeit, mögliche Anpassungen ohne Unterstützung durch den Hersteller sowie die flexible Modellierung von Prozessen.
Die Hälfte der Unternehmen setzt derzeit für das ITSM auf eine Software-as-a-Service-Lösung aus der Cloud. Etwa ein Viertel der Firmen (23 Prozent) nutzt ein Hybrid-Modell aus Cloud und lokal installierter Software (On-Premises). 18 Prozent der Unternehmen installieren eine On-Premises-Lösung für das IT Service Management. Sehr überraschend sind die Antworten auf die Frage: "Und wenn Sie einmal ein wenig in die Zukunft blicken: Welches Bezugsmodell werden Sie beim IT Service Management wohl in zwei Jahren einsetzen?" Hier sinken die Werte für eine Cloud-Lösung und das Hybrid-Modell jeweils um drei Prozent, während der Anteil für eine lokal installierte ITSM-Software um sechs Prozent auf 24 Prozent steigt. Angesichts des aktuellen Trends hin zu Cloud-Lösungen (Cloud wird Commodity) wäre eigentlich das entgegengesetzte Ergebnis zu erwarten.
Kompetenz garantiert hohe Service-Qualität
Bei der Optimierung oder auch Automatisierung von IT-basierten Workflows steht in vielen Unternehmen die Service-Qualität im Vordergrund. Wichtigstes Kriterium für eine zufriedenstellende Service-Qualität ist das einheitliche und verlässliche Wissen der Service-Mitarbeiter (41 Prozent). Kein Wunder, schließlich waren und sind Mitarbeiter im Homeoffice bei Problemen auf kompetente Hilfe durch den Service Desk angewiesen. Knapp dahinter liegt der letztjährige Spitzenreiter Verfügbarkeit von Personalressourcen mit 40 Prozent, gefolgt von Self Service mit 37 Prozent. Die starke Bedeutung von Self-Service-Portalen hängt ebenfalls mit der Corona-Pandemie zusammen. Weitere Kriterien für eine zufriedenstellende Service-Qualität sind Prozessautomatisierung, ein einheitlicher Service-Katalog sowie 24/7-Verfügbarkeit.
Auch die Profitabilität der Services wird wichtiger. Mittlerweile sagen 85 Prozent der Firmen, dass die Service-Profitabilität stark an Bedeutung, an Bedeutung oder etwas an Bedeutung gewinnt. Eine wichtige Voraussetzung für die Service-Profitabilität ist die Transparenz hinsichtlich der Kosten der einzelnen Services. Lediglich 57 Prozent der Firmen kennen - zumindest nach Angaben der befragten IT- und Technologieentscheider - ihre Servicekosten und geben sie etwa zu gleichen Teilen entweder verursachergerecht an die Nutzer weiter oder anhand eines Verteilungsschlüssels. Eine mögliche Erklärung: COVID-19 veränderte auch das IT Service Management enorm. Möglicherweise verloren einige Firmen im Zuge dieser Herausforderung die Kosten aus dem Blick.
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Studiensteckbrief
Herausgeber: COMPUTERWOCHE, CIO, TecChannel und ChannelPartner
Platin-Partner: ServiceNow
Gold-Partner: Ivanti; Micro Focus
Silber-Partner: Efecte
Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-CH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider und IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich
Teilnehmergenerierung: Stichprobenziehung in der IT-Entscheider-Datenbank von IDG Business Media sowie zur Erfüllung von Quotenvorgaben über externe Online-Access-Panels; persönliche E-Mail-Einladungen zur Umfrage
Gesamtstichprobe: 531 abgeschlossene und qualifizierte Interviews
Untersuchungszeitraum: 14. bis 21. Dezember 2020
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung: IDG Research Services in Abstimmung mit den Studienpartnern
Durchführung: IDG Research Services