Der Begriff der "Digitalen Transformation" schillert in unzähligen Einzelfacetten. Deshalb lohnt ein Blick darauf, was konkret in jenen Projekten passiert, die Unternehmen heute unter dieser Überschrift betreiben. Eine ISG-Studie hat sich die Praxis dieser Projekte genauer angeschaut und relevante Service-Anbieter bewertet. In der Praxis prägen demnach vor allem vier Handlungsfelder die digitalen Transformationsvorhaben deutscher Unternehmen,
Business Platform Solutions
Die bereits am Markt fertig verfügbaren digitalen Geschäfts- und Platform-as-a-Service-(PaaS-)Lösungen stammen überwiegend von den großen Cloud-Produkt- und Marktplatz-Anbietern. Sie umfassen zumeist Software-as-a-Service, Platforms-as-a-Service oder auch erste Blockchain Building Blocks sowie weitere XaaS-Bausteine. Sie werden weitgehend automatisiert betrieben, sodass die Kunden ihre Self-Service-Elemente über standardisierte Dashboards beziehen können.
Zielkunden sind mit Budget ausgestattete Fachabteilungen, die nach Branchen- und spezifischen Endanwender-Lösungen suchen. Im Auswahlprozess des Einkaufs zählt daher vor allem der konkrete Anwendungsbezug sowie die einfache Benutzbarkeit im täglichen Geschäftsbetrieb. Die PaaS-Anbieter versuchen dies sicherzustellen, indem sie Eigenentwicklungen und führende Lösungen anderer Produkt- und Service-Anbieter miteinander verbinden und "as a Service" zur Verfügung stellen.
Amazon Web Services (AWS) ist IaaS-Pionier und Public Cloud-Infrastruktur-Anbieter mit dem breitesten Sortiment. Im vergangenen Jahr kamen 1.430 neue Services auf der gesamten Plattform hinzu, häufig von Drittanbietern. Dieses Partner-Ökosystem wächst rasant: Alleine im vergangenen Jahr kamen weltweit über 10.000 Partner hinzu. Angesichts dessen könnte es aus Sicht von ISG strategisch notwendig werden, dass AWS seine Unternehmensstrategie wechselt: vom IaaS- und aktuell PaaS-Anbieter hin zum SaaS- und Software-Provider - ein Markt, in dem der größte Mitbewerber Microsoft bereits etabliert ist.
Die Deutsche Telekom/T-Systems zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine im Vergleich hochsichere und auf Wunsch vollkommen lokale Datenverarbeitung und Speicherung nach deutschen Normen bietet. Auch die starke Präsenz im deutschsprachigen Raum ist für viele Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz ein entscheidendes Argument.
Am Markt beinahe einzigartig sind die an die Kunden angepassten Integrationsservices auf Basis hoher Standardisierung und dem für die Kunden wichtigen "OneLogin". Global gesehen befindet sich die Skalierung des Gesamtangebots jedoch noch in den Anfängen. Zudem ist eine Optimierung der Partner-Onboarding-Prozesse im Gang. Dies ist auch erfolgsentscheidend, denn das bestehende Portfolio besteht überwiegend aus Drittanbieterlösungen.
Microsoft liefert im Vergleich die größte Bandbreite an "As a Service"-Lösungen. Die Kunden profitieren bei einzelnen Lösungen von einer funktionalen Tiefe. Allerdings ist die Integration vieler Einzelbausteine im Microsoft-Marktplatz für Kunden innerhalb der Digital Customer Journey schwer ersichtlich. Hier geht Microsoft Verkaufspotential verloren. ISG empfiehlt außerdem, die Vermarktung der Alleinstellungsmerkmale durch weitere lokale Beispiele und Referenzen zu unterstützen.
Auch Salesforce bietet native Cloud-Lösungen für beinahe jede Branche und viele Geschäftsbereiche. Vor allem für den Vertrieb und dessen Automation bietet Salesforce die weltweit dominierende Cloud-Plattform. Dadurch gewinnt der Anbieter auch Kunden im Marketing sowie in Service und Support. Doch ist das Salesforce-Image als Full-Service-Anbieter noch ausbaufähig. Denn viele Kunden sehen das Unternehmen nach wie vor "nur" als CRM-Anbieter. Zudem ist aus Sicht der Kunden die Öffnung der Plattform für andere große Anbieter von HCM (Human Capital Management) oder ERP (Enterprise Resource Planning) wünschenswert. Denn so lassen sich Services besser aus einer Hand/einer Plattform beziehen.
Lösungen für den IT-Betrieb
Mit Blick auf die digitale Transformation des IT-Betriebs hat sich ein Markt herausgebildet, in dem Provider ihre Kunden im Betrieb smarter und somit IT-gestützter Infrastrukturen und Plattformen unterstützen (Intelligent Operations). Dies umfasst zum Teil auch Netzwerke, die den Vertrieb, den Service und Partner der gesamten Wertschöpfungskette miteinander verbinden. Dazu gehören viele IT-Trendthemen wie beispielsweise Data Analytics, Cloud Computing, Internet of Things, Mobile Enterprise/Business oder Cyber-Sicherheit.
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Die hier relevanten Anbieter in Deutschland sind zum Großteil alte Bekannte der IT-Infrastruktur-Landschaft. Für Großkunden haben sich vorneweg Atos, Capgemini und die Deutsche Telekom/T-Systems als führende Anbieter etabliert. Der Markt dieser Digital Services-Anbieter hat sich aus dem traditionellen Managed Service-Angebot heraus weiterentwickelt. Der kurzfristige Trend geht dabei in Richtung Full-Service-Provider. Mittel- bis langfristig wird es sich noch zeigen, ob die exponentiell ansteigende Komplexität der IT die Provider weiter in kooperative und ad-hoc-getriebene Geschäftsmodelle treibt.
Indem Atos das Thema "Digitale Transformation" ausbaut, hat das Unternehmen auf das richtige Pferd gesetzt. Der Umsatzzuwachs in diesem Bereich kann sich sehen lassen. Der Anbieter hat umfangreiche Operations-Lösungen wie beispielsweise Cloud Computing, Cyber-Sicherheit, Data Analytics, Industrie 4.0 sowie Backup-Szenarien im Angebot. In Sachen Public-Cloud unterhält Atos Partnerschaften mit nahezu allen großen Cloud-Providern, deren Services sich in die Cloud-Plattform integrieren lassen. Allerdings steckt die Kooperationen mit Google noch in den Kinderschuhen und muss aufgrund der steigenden Nachfrage durch die Kunden dringend ausgebaut werden.
Capgemini bietet seine Operation Services unter dem Namen "Cloud Choice" an. Sie basieren unter anderem auf einem großen Partnernetz mit einer großen Vielfalt an Produkten und Dienstleistungen. Als End-to-end-Anbieter offeriert Capgemini Consulting ein Portfoliovon der Strategieentwicklung bis hin zur Implementierung und Inbetriebnahme. Für den Public-Cloud-Betrieb mit allen großen Hyperscalern bestehen Allianzen. Auch werden alle Branchen adressiert - mit zwei Ausnahmen: Gesundheit sowie Transport und Logistik.
- Carl Mühlner Damovo, Managing Director Central Europe bei DAMOVO
„Es ist nicht zielführend, in die Cloud zu migrieren, ohne die Arbeitsprozesse auch auf kultureller Ebene zu verändern. Die Frage nach der richtigen Strategie ist alles andere als trivial, auch weil es noch zu wenige Experten gibt, die Migration wirklich gut beherrschen. Doch gerade weil es an praktischer Erfahrung mangelt, können neue horizontale Geschäftsmodelle nur erschlossen werden, wenn es eine gewisse Bereitschaft für Experimente und die richtige Fehlerkultur gibt.” - Christian Hofstadt, Manager Strategy & Business Development bei plusserver
„Cloud ist immer weniger Technik und immer mehr Strategie. Doch stattdessen dominiert in vielen Unternehmen noch die Skepsis. Diese können sich Unternehmen aber langfristig nicht leisten. Wer wettbewerbsfähig bleiben will, muss neue Geschäftsfelder und Erwerbsquellen erschließen. Die Cloud verändert schließlich nicht nur interne Prozesse, sondern das gesamte digitale Geschäft und somit das Verhältnis zwischen Unternehmen und Kunden bzw. Geschäftspartnern fundamental.” - Marco Meier, Vertriebsleiter BroadSoft.
„Der Vertrieb und damit auch der Dialog mit den Kunden hat sich geändert. Wenn früher Software verkauft wurde, ging es im Grunde nur um den Verkauf einer Technologie. Bei der Cloud verkaufe ich Managed Services. Das muss man anders kommunizieren und auch anders supporten. Entscheidend ist, was für Services überhaupt ausgelagert werden und wie ich in die Cloud gehe. IaaS? PaaS? SaaS? Das sind ganz verschiedene Ebenen, auf denen Transformationsprozesse anders zu verorten, aber auch anders zu messen sind.” - Matthias Frühauf, Director Technical Sales bei Veeam
„Cloud Migration bedeutet im Kern, dass man sich von alten On-Premise-Strukturen lösen und etwaige Geschäftsprozesse neu denken muss. Dabei geht es gar nicht darum, alle Anwendungen komplett zu migrieren, sondern je nach Anwendung gezielt zu entscheiden welche Teile migriert werden sollen und welche On-Premise bleiben. Ein „blindes” Lift & Shift führt oft dazu, dass nicht das umgesetzt wird, was technisch möglich ist. Die Potenziale hängen dabei eng vom Level der Standardisierung bei der Migration von Daten, Prozessen und Techniken ab.”
Auch T-Systems International (TSI) bietet im Rahmen von Intelligent Operations Services ein umfangreiches Cloud-Portfolio, das von der Beratung bis hin zum Betrieb im kundeneigenen Rechenzentrum oder als cloudifizierte Lösung reicht. Zu allen großen Public Cloud-Providern unterhält TSI Partnerschaften und bietet ein Hybrid Cloud-Modell an, das auf der Open Telekom Cloud in Kombination mit anderen Cloud-Anbietern (Multi Cloud) basiert und fortlaufend an Kundenbedürfnisse angepasst wird.
Auch Themen wie etwa Data Analytics, Internet of Things und Cyber-Sicherheit sind in die Operations Services eingebunden. Allerdings verstehen viele Kunden aufgrund dieser Angebotsbreite nicht mehr, wer ihr Ansprechpartner ist, was ein Grund für die aktuell rückläufigen Umsätze und Auftragseingänge sein könnte. Eine besser strukturierte Organisation und benutzerfreundlichere Informationen könnten hier hilfreich sein. Ferner fokussiert die neue Führungsspitze des Unternehmens auf Profitabilität, Governance-, Management- und Business-Strukturen sowie die Konzentration auf Kostensynergien. Hinzu kommen Investitionen in Wachstumsmärkte. Warum also nicht auch mal akquirieren? Anorganisches Wachstum ist schließlich mehr als modern.