Automation-Furcht

Cloud-Architekten haben Angst zu automatisieren

Kommentar  14.11.2022
Von 

David Linthicum ist ein US-amerikanischer Technologieexperte und Buchautor. Zu seinen Schwerpunktthemen gehören unter anderem Cloud Computing, SOA, Enterprise Application Integration und Enterprise Architecture.

Automatisierung ist nicht nur in Sachen Cloud-Architektur ein Segen. Dennoch zögern viele Cloud-Architekten, sie zu nutzen. Wovor haben sie Angst?
Cloud-Architekten sollten dringend ihre Automation-Ängste überwinden, appelliert unser Autor.
Cloud-Architekten sollten dringend ihre Automation-Ängste überwinden, appelliert unser Autor.
Foto: vectorfusionart - shutterstock.com

Automatisierung ist nichts Neues - kommt aber erst seit relativ kurzer Zeit auch zum Einsatz, wenn es um Cloud Computing geht. Die Grundidee ist allerdings die gleiche: Aufgaben zu automatisieren, die bislang manuell übernommen wurden. In Zusammenhang mit der Cloud könnte sich das beispielsweise manifestieren in:

  • der "Selbstheilung" eines gesättigten Compute-Servers, indem er beim Cloud-Abieter automatisch neu gestartet wird.

  • der Einschränkung der übermäßigen Nutzung eines teuren Cloud Services durch die Automatisierung von FinOps.

  • der Automatisierung von Security-Maßnahmen, um Kompromittierungsversuche auf Cloud-Basis zu jeder Zeit abzuwehren.

Ich betone schon seit einigen Jahren die Bedeutung der Automatisierung in Sachen Cloud Computing - spüre aber immer wieder eine zögerliche Haltung, wenn es darum geht, Cloud Deployments zu automatisieren. Es scheint sich um ein systemisches Problem zu handeln, das zu suboptimalen Cloud-Implementierungen führen kann. Außerdem verpassen Unternehmen die Chance, einen sichereren und transparenteren Cloud-Betrieb zu etablieren.

Ein selbstfahrendes Auto ist meiner Meinung nach an dieser Stelle die beste Analogie: Wenn man hinter dem Steuer sitzt, kann es speziell anfangs beängstigend sein, wenn sich das Fahrzeug selbst durch komplexe Situationen manövriert. Bei höheren Geschwindigkeiten mache ich mir immer noch Sorgen, kurzfristig an einem Telefonmasten zu enden.

Cloud-Automatisierungsangst: Verständlich und unangebracht

Fakt ist jedoch: Von einigen Ausnahmen abgesehen, werden automatisierte Tasks in der Regel zuverlässiger erfüllt als solche, die manuell von Menschen übernommen werden. Um beim Beispiel des autonomen Autos zu bleiben: Die Dinger sind mit Hunderten von Sensoren bestückt, die einen 360-Grad-Blick auf die Umgebung werfen und dabei alle relevanten Metriken (Geschwindigkeit, Motorstatus, Reifendruck, etc.) im Blick behalten. Das ist weit mehr, als Sie und ich je leisten könnten. Davon abgesehen liegt die Reaktionszeit der Künstlichen Intelligenz bei nahezu Null und es ist ausgeschlossen, dass sie übermüdet, betrunken oder aggressiv fährt.

(Nicht nur) In diesem Fall müssen wir einsehen, dass unsere menschlichen Fähigkeiten da nicht mithalten können. Wir haben zwar Fahrerfahrung und können unseren Kopf drehen. Im Gegensatz zu (korrekt konfigurierten) Automatisierungssystemen fehlt uns aber das perfekte Verständnis für aktuelle und historische Daten und die Folgen, die daraus erwachsen.

Dass ich wie eingangs bemerkt dennoch ab und zu befürchte, von der KI in den Tod gelenkt zu werden, liegt einfach daran, dass es menschlich ist, sich bei mangelnden Kontrollmöglichkeiten in kritischen Situationen unwohl zu fühlen. Dasselbe Prinzip greift, wenn es darum geht, Cloud-Implementierungen zu automatisieren: Diejenigen, die die Entscheidung treffen, Security, Operations oder FinOps zu automatisieren, fühlen sich unwohl damit, dass kritische Prozesse autonom ablaufen.

Das ist meines Erachtens verständlich: Letzten Endes ist die Automatisierung nichts anderes als ein Vertrauensvorschuss für automatisierte Systeme - in der Hoffnung, dass diese besser funktionieren werden als Menschen. Wenn bei der Konfiguration der Automatisierungssysteme Fehler unterlaufen, kann allerdings massiver Schaden entstehen. Die Alternative sollte allerdings keine sein: Wenn Cloud-Architekten auf Automatisierung verzichten, lassen sie sich die Möglichkeit entgehen, ihre Cloud-Systeme effizienter und kostengünstiger zu betreiben - von der Entlastung der Fachkräfte ganz zu schweigen.

Um es klar zu sagen: Wenn Sie nicht nach Möglichkeiten suchen, in Sachen Cloud aktiv zu automatisieren, haben Sie den Sinn und Zweck des Einsatzes Cloud-basierter Systeme nicht verstanden. Wir müssen danach streben, unsere Fähigkeiten zu erweitern - auch wenn sich das unnatürlich oder beängstigend anfühlt. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.