Co-CEO Jennifer Morgan verlässt SAP

Christian Klein wird alleiniger SAP-Chef

21.04.2020
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Nach nur einem halben Jahr löst SAP sein Führungs-Duo wieder auf. Christian Klein bleibt als CEO, Jennifer Morgan verlässt den Konzern. In Krisenzeiten brauche es eine klare Führungsstruktur, begründet SAP den Schritt.

SAP verabschiedet sich überraschend vom Modell der Doppelspitze. Am 20.April gab der deutsche Softwarekonzern bekannt, dass Co-CEO und Vorstandsmitglied Christian Klein (39) künftig allein die Funktion als Chief Executive Officer/Vorstandssprecher übernehmen wird. Seine bisherige Kollegin, Co-CEO Jennifer Morgan (48), habe sich mit dem Aufsichtsrat der SAP einvernehmlich darauf verständigt, das Unternehmen zum 30. April 2020 zu verlassen, heißt es in einer offiziellen Mitteilung des Unternehmens.

Ein Bild aus glücklicheren Tagen - die beiden SAP Co-CEOs Christian Klein und Jennifer Morgan. Ob es Unstimmigkeiten gab über die weitere Strategie von SAP, ist nicht bekannt.
Ein Bild aus glücklicheren Tagen - die beiden SAP Co-CEOs Christian Klein und Jennifer Morgan. Ob es Unstimmigkeiten gab über die weitere Strategie von SAP, ist nicht bekannt.
Foto: SAP

"Mehr denn je verlangt die aktuelle Situation von Unternehmen schnelles, entschlossenes Handeln und eine klare, hierbei unterstützende Führungsstruktur", begründet SAP den Schritt. Die Entscheidung zurück zum Modell eines alleinigen Vorstandssprechers sei daher früher als geplant gefallen, "um in dieser beispiellosen Krise eine starke, eindeutige Führungsverantwortung sicherzustellen", so der Wortlaut der Mitteilung.

Mit dem Abschied Morgans und der Machtübernahme Kleins gehen die turbulenten Zeiten an der Spitze des größten europäischen Softwareherstellers weiter. Beide Manager hatten erst im Oktober vergangenen Jahres die Verantwortung für SAP übernommen, nachdem überraschend der langjährige CEO Bill McDermott seinen Rücktritt verkündet hatte. "Jennifer Morgan und Christian Klein ergänzen sich perfekt und werden starke Co-CEOs sein", hatte Hasso Plattner konstatiert, SAP-Gründer, Aufsichtsratsvorsitzender und graue Eminenz, in dessen Händen nach wie vor die Fäden bei SAP zusammenlaufen. Dieses Führungsmodell habe sich bei SAP bereits früher bewährt. Neben dem Duo McDermott und Snabe hatte Plattner selbst bis 2003 den Konzern einige Jahre gemeinsam mit Henning Kagermann geführt.

Übergang in unsicheren Zeiten

Inzwischen haben sich die Zeiten drastisch verändert. Die Corona-Pandemie sorgt weltweit für massive Verunsicherung und schüttelt die Märkte kräftig durch. Das geht auch an SAP nicht spurlos vorüber. "Dieser Übergang fällt in eine Zeit weltweit großer Unsicherheit", sagte Plattner und dankte Morgan "für ihr Engagement an der Spitze von SAP, insbesondere dafür, was sie für das Unternehmen, unsere Mitarbeiter und Kunden getan hat". Er habe volles Vertrauen in Kleins unternehmerische Vision und Fähigkeiten. Die Erwartungshaltung ist indes klar: Klein soll SAP "auf dem Weg zu anhaltendem profitablem Wachstum, Innovation und Kundenerfolg weiter voranbringen".

SAP-Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender Hasso Plattner spricht von einer Zeit weltweit großer Unsicherheit. Es stellt sich die Frage nach dem richtigen Timing für eine neue Führungsstruktur bei SAP.
SAP-Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender Hasso Plattner spricht von einer Zeit weltweit großer Unsicherheit. Es stellt sich die Frage nach dem richtigen Timing für eine neue Führungsstruktur bei SAP.
Foto: SAP

Das dürfte in Zeiten der Coronakrise nicht gerade einfach werden. Für das laufende Geschäftsjahr hat SAP seine Erwartungen bereits ein wenig gedrosselt. So rechnen die Softwerker mit einem Umsatz zwischen 27,8 und 28,5 Milliarden Euro. Ende Januar war man in Walldorf noch von 29,2 bis 29,7 Milliarden Euro ausgegangen. Auch das Cloud-Geschäft bekommt offenbar einen Dämpfer. Rechneten die SAP-Verantwortlichen ursprünglich mit Cloud-Erlösen zwischen 8,7 und 9,0 Milliarden Euro in diesem Jahr, soll es nun auf 8,3 bis 8,7 Milliarden Euro hinauslaufen.

Schwache Nachfrage bis ins zweite Quartal

Die SAP-Verantwortlichen gehen davon aus, "dass sich das aufgrund der Coronakrise derzeit schwierige Marktumfeld, das von einer schwachen Nachfrage geprägt ist, bis ins zweite Quartal verschlechtern wird". Im dritten und vierten Quartal werde sich die Lage allmählich verbessern, hofft man im deutschen Softwarehaus, "wenn Länder ihre Wirtschaft wieder hochfahren und die Ausgangsbeschränkungen für die Bevölkerung aufgehoben werden".

Insgesamt herrscht bei SAP wie in vielen anderen Unternehmen auch große Sorge. Angesichts der aktuellen Unsicherheit im Hinblick auf Dauer und Ausmaß der Krise lasse sich nicht vorhersagen, "ob die bisherigen oder etwaigen künftigen Maßnahmen die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf unsere Geschäftstätigkeit und unser Betriebsergebnis effektiv abmildern werden". Deshalb agiert auch SAP im Krisenmodus. Um die eigene finanzielle Flexibilität sicherzustellen, werde man weniger neue Mitarbeiter einstellen, die kurzfristig anpassbaren Ausgaben verringern und daneben auch Einsparmöglichkeiten nutzen wie beispielsweise weniger Geschäftsreisen und virtuelle anstatt Präsenzveranstaltungen, hieß es anlässlich der Vorstellung der vorläufigen Bilanz für das erste Quartal 2020.

Das war los in der Führungsetage bei SAP:

In den ersten drei Monaten kam SAP noch mit einem blauen Auge davon. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahresquartal um sieben Prozent von 6,1 auf 6,5 Milliarden Euro. Dabei stiegen die Cloud-Einnahmen um 29 Prozent auf gut zwei Milliarden Euro. Dagegen brach das Geschäft mit Softwarelizenzen mit einem Minus von 31 Prozent von 650 auf 451 Millionen Euro regelrecht ein. Den Löwenanteil im Bereich Cloud und Software macht nach wie vor der Support aus. Die Wartungseinnahmen wuchsen leicht um drei Prozent von 2,8 auf 2,9 Milliarden Euro.

Zwischen Kostendisziplin und Innovation

Unter dem Strich stand im ersten Quartal ein Gewinn von 811 Millionen Euro. Im vergleichbaren Vorjahreszeitraum hatte SAP noch ein Minus von 108 Millionen Euro gemeldet. Allerdings hatte der Konzern im ersten Quartal 2019 hohe Restrukturierungskosten von fast 900 Millionen Euro verbucht. Rechnet man die Sondereffekte heraus schrumpfte der Gewinn leicht von 1,080 auf 1,015 Milliarden Euro (Non-IFRS).

Die SAP-Verantwortlichen sprachen trotz Coronakrise von einem stabilen Start ins Jahr 2020. Finanzchef Luca Mucic zufolge verdeutlichten die Zahlen die Beständigkeit des SAP-Geschäfts. "Wir werden weiterhin ein Gleichgewicht zwischen diszipliniertem Kostenmanagement und Investitionen in Innovation sicherstellen, damit wir unsere Wettbewerbsvorteile aufrechterhalten und ausbauen können." CEO Klein bezeichnete das Wachstum als solide. SAP stehe für die zuverlässige Abwicklung geschäftskritischer Unternehmensprozesse. Im Zuge der völlig neuen globalen Herausforderungen rund um die Corona-Pandemie profitiere man von der Stabilität des eigenen Geschäftsmodells. "Wir sind bestens aufgestellt, um die kommende Zeit zu meistern und in dem veränderten Umfeld, vor dem wir stehen werden, stärker agieren zu können", gab sich Klein optimistisch.