Vor allem große Unternehmen habenheute viel Erfahrung mit Veränderungsprojekten. Deshalb lässt sich eine gestiegene Professionalität beim Managen solcher Projekte konstatieren. Trotzdem erreichen viele Change-Projekte die definierten Ziele nur teilweise oder viel später als geplant.
Die häufigste Ursache: Beim Planen, Initiieren, Gestalten und Steuern der Change-Prozesse richten die Verantwortlichen ihr Augenmerk in erster Linie auf die Strukturen. Sie vernachlässigen die kulturellen Aspekte, die jede strukturelle Veränderung hat, und unterschätzen deren Relevanz für den betriebswirtschaftlichen Erfolg. Zudem übersehen die Verantwortlichen oft die engen Wirkungszusammenhänge zwischen den verschiedenen Dimensionen eines Change-Prozesses.
- Zwölf Change-Management-Maximen
"Change" ist ein Modebegriff geworden. Viele glauben zu wissen, was er bedeutet – und sitzen Missverständnissen auf. Ein paar davon sollen hier bereinigt werden. - 1. Nicht jede Veränderung ist ein „Change“.
Ganz gleich, ob Unternehmen ihre Fassade streichen oder mit anderen fusionieren – fast jede Veränderung wird heute als "Change" bezeichnet. Dieser inflationäre Gebrauch des Be- griffs sorgt für Verwirrung – und entwertet die Arbeit der Männer und Frauen, die echte Change-Prozesse managen müssen. Tipp: Bezeichnen Sie als Change-Prozess nur Veränderungsvorhaben, die auch einen kultu- rellen Wandel in Ihrer Organisation erfordern – also bei denen Ihre Mitarbeiter (und Sie) gewohnte Denk- und Verhaltensweisen über Bord werfen und neue entwickeln müssen. - 2. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.
Fast allen Menschen fällt es schwer, Denk- und Verhaltensgewohnheiten aufzugeben, denn sie vermitteln ihnen Sicherheit und sind ein Ausdruck von Identität. Entsprechend langwierig sind Prozesse, in deren Verlauf ganze Mitarbeitergruppen ihr Verhalten ändern sollen. Von heute auf morgen geht das nicht. Tipp: Berücksichtigen Sie beim Planen von Change-Projekten den Zeitbedarf. Sonst definieren Sie unrealistische Ziele, was eine Grundlage für Frustration ist. - 3. Struktur und Kultur beeinflussen sich.
In Unternehmen finden mehr Change-Prozesse statt, als die "Techniker" häufig vermuten. Sie denken: Wir führen doch nur ein neues IT- und CRM-System ein. Dabei übersehen sie, dass sich hierdurch auch die Arbeitsinhalte und -beziehungen der Mitarbeiter verändern. Entsprechend überrascht sind sie, wenn sie plötzlich auf (verdeckten) Widerstand stoßen. Tipp: Analysieren Sie, wenn große Veränderungen anstehen, deren Auswirkungen für die Mitarbeiter. Sonst ist die Gefahr gegeben, dass unverhofft ein Orkan über Sie hinwegfegt, der das gesamte Projekt lahmlegt. - 4. Was beschlossen ist, ist nicht umgesetzt.
Viele Unternehmensführer agieren bei Change-Projekten wie folgt: Sie treffen die erforderlichen Basisentscheidungen, dann rufen sie eine Projektgruppe ins Leben, die ihre Beschlüsse realisieren soll, anschließend wenden sie sich neuen Aufgaben zu. Wenn Sie so vorgehen, ist Ihr Projekt von vornherein gescheitert. Mitarbeiter orientieren ihr Verhalten an dem der oberen Führungskräfte. Von denen muss immerzu das Signal ausgehen: "Die Veränderung ist nötig, und an ihr führt kein Weg vorbei." Nur so lässt sich im Unternehmen die nötige Veränderungsenergie erzeugen. Tipp: Zeigen Sie Präsenz. Werben Sie immer wieder für die Veränderung – selbst wenn Sie die Verantwortung für das Umsetzen einer Projektgruppe übertragen haben. - 5. Bei jeder Veränderung gibt es Verlierer.
Unternehmen neigen dazu, alles in rosarotes Licht zu tauchen. Veränderungsvorhaben werden den Mitarbeitern so präsentiert, als gäbe es nur Gewinner. Doch Mitarbeiter wissen: Das ist so gut wie nie der Fall. Zumindest gibt es bei jedem Change-Projekt Mitarbeiter, die sich als Verlierer empfinden – zum Beispiel, weil sie Einfluss oder Privilegien verlieren. Tipp: Sprechen Sie mit den betroffenen Mitar- beitern offen und ehrlich darüber, was sich für sie (voraussichtlich) ändern wird, und geben Sie ihnen Raum, ihre Bedenken zu artikulieren. Sonst verdichten sich diese zu Widerständen. - 6. „Lonely heroes” auf verlorenem Posten.
Auch Führungskräfte sind am Ende nur "normale Mitarbeiter". Deshalb sollten Topmanager (und Projektverantwortliche) es nicht als selbstverständlich erachten, dass alle Führungskräfte die Veränderungen mittragen. Wenn es um das Umsetzen der Veränderungen in den Fachbereichen geht, sind sie auf die Unterstützung der Führungskräfte angewiesen. Tipp: Versuchen Sie, bevor Sie ein Change-Projekt verkünden, möglichst viele Führungskräfte als Mitstreiter zu gewinnen – zum Beispiel, indem sie diese (und sei es nur formal) in Ihre Entscheidungen einbinden. In persönlichen Gesprächen sollten Sie sie ausführlich über die Gründe für Ihre Entscheidungen und deren voraussichtliche Konsequenzen informieren. - 7. Projekt-Manager brauchen ein Standing.
Unternehmen übertragen die Verantwortung für Change-Projekte oft jungen Führungskräften – quasi als Chance, sich zu bewähren. In der Folge werden die Projekte von Personen gemanagt, die die Auswirkungen gewisser Entscheidungen und Handlungen auf die Organi- sation nur bedingt einschätzen können. Zudem haben sie ein recht schwaches Standing in der Organisation. Entsprechend schwer fällt es ihnen, von den "Bereichsfürsten" die nötige Un- terstützung zu bekommen – vor allem, wenn diese den Nachwuchs als Konkurrenz erleben. Tipp: Übertragen Sie die Verantwortung für strategische (Change-)Projekte gestandenen Führungskräften und/oder erfahrenen Projekt- Managern. Oder stellen Sie dem "Youngster" zumindest eine solche Person als Mentor oder Coach zur Seite, damit er mit ihr die strategische und taktische Marschroute erörtern kann. - 8. Aufbruch – und dann der Wüstenmarsch.
Oft starten Unternehmen ein Projekt voller Eu- phorie. Doch nach einiger Zeit beginnt das Jammern und Klagen. "Das bringt alles nichts", "da ändert sich sowieso nichts" etc. Das ist normal, weil sich kulturelle Veränderungen nun einmal nur in kleinen Schritten vollziehen und neue Verhaltensmuster erst mit der Zeit eingeschliffen werden. Tipp: Rechnen Sie damit, dass es Probleme beim Umsetzen gibt. Werben Sie gerade beim anstrengenden "Marsch durch die Wüste" stark für die Veränderung – sonst erlahmt die Veränderungsenergie, und die Mitarbeiter fallen in ihre alten Verhaltensmuster zurück. - 9. Neue Routinen zu entwickeln dauert.
Oft erlahmt die Energie auch, weil die Mitarbeiter beim Ausprobieren der neuen Verfahren registrieren: "So wie wir das früher gemacht haben, ging alles schneller/einfacher." Auch das ist normal! Es sind noch keine neuen (Denk- und) Verhaltensroutinen entwickelt. Hinzu kommt: Bei jedem größeren Veränderungsprojekt ist vorübergehend Sand im Getriebe, weshalb oft auch die Leistung sinkt. Tipp: Machen Sie Ihren Führungskräften bewusst, wie wichtig es gerade in dieser Über- gangsphase ist, dass sie ihre Mitarbeiter wirklich führen. Stellen Sie den Leuten Unterstützer zur Seite, die unter anderem an der Motivation der gesamten Belegschaft arbeiten. - 10. Zum Feiern gibt es immer einen Grund.
Der Weg zum großen Ziel eines Change-Projekts ist oft so weit, dass die Beteiligten zuweilen das Gefühl haben, nie anzukommen. Deshalb ist es besonders wichtig, Etappenziele zu formulieren und deren Erreichen zu feiern. Das macht den Beteiligten Mut. Tipp: Ziehen Sie, wenn es etwas zu feiern gibt, auch mal spontan (oder geplant) die Spendierhosen an – und organisieren Sie zum Beispiel einen Umtrunk oder Ausflug. Denn nichts motiviert Mitarbeiter mehr, als zu sehen: Unsere Leistung wird wahrgenommen und honoriert. - 11. Aus der Erfahrung für die Zukunft lernen.
Wenn ein Projekt endlich abgeschlossen ist, fällt den Beteiligten beziehungsweise Verant- wortlichen meist ein Stein vom Herzen. Das heißt: Das Projekt wird in der Regel nicht sau- ber evaluiert – auch weil häufig bereits das nächste Vorhaben wartet. Damit werden jedoch Chancen vergeben. Tipp: Evaluieren Sie nach Projekten detailliert: Was lief gut, was weniger gut? Was können wir künftig wie besser machen? Denn nur dann lernt Ihre Organisation. - 12. Change ist Normalzustand.
Machen Sie sich nichts vor: Ein abgeschlossenes Projekt zieht das nächste nach sich. Das Umfeld Ihres Unternehmens wird sich künftig immer schneller wandeln. Also müssen Sie in Ihrer Organisation auch immer häufiger die Weichen neu stellen und tradierte Vorgehensweisen überdenken. Zudem werden Ihre Change-Vorhaben aufgrund der vernetzteren Strukturen immer komplexer. Tipp: Bauen Sie in Ihrer Organisation die Change-Management-Kompetenz gezielt aus – zum Beispiel, indem Sie geeignete Mitarbeiter zu Change-Managern, -Beratern und -Unterstützern ausbilden. Dann ist Ihre Organisation fit für die Zukunft, und Sie müssen seltener externe Berater engagieren.
Diese Zusammenhänge lassen sich an einem fiktiven, aber realistischen Beispiel illustrieren: Bei einer Versicherungsgesellschaft sollen die Außendienstmitarbeiter künftig auch die Policierung vornehmen, damit der Kunde, so er sich für eine Versicherung entscheidet, sofort den Vertrag erhält. Hierfür muss die IT des Assekuranzunternehmens umgestaltet werden. Die Außendienstmitarbeiter erhalten mit ihren Laptops Zugang zum zentralen Rechner.
Vor allem aber ändern sich die Arbeitsprozesse in der Zentrale der Versicherungsgesellschaft - unter anderem, weil Aufgaben wie das Erfassen der Kundendaten und das Bearbeiten der Anträge entfallen. Für die bisher zuständigen Sachbearbeiter müssen also neue Aufgaben gefunden werden, sofern sie das Unternehmen nicht verlassen sollen. Zum Beispiel können sie künftig als Kundenbetreuer im Call-Center arbeiten. Doch ein solcher Jobwechsel setzt bei den Sachbearbeitern, die bisher keinen Kundenkontakt hatten, einen mentalen Turnaround voraus. Entsprechend groß sind ihre Ängste und, sofern darauf nicht angemessen reagiert wird, ihre Widerstände.
- Zehn Stolpersteine im Change-Management
Hier sind die am häufigsten begangenen Fehler, die einer erfolgreichen Anpassung der IT-Systeme und -Strukturen immer wieder im Weg stehen. - 1. Keine Ausrichtung am Unternehmensziel
Ausgangspunkt jedes erfolgreichen Change-Managements ist die enge Verbindung mit der Unternehmensstrategie: Firmen, die sich am Markt als Qualitätsführer positionieren, sind auf ein besonders hochwertiges Change-Management angewiesen. Für Unternehmen, die auf wechselhaften Märkten agieren, ist es wichtig, dass die Changes flexibel und rasch aufsetzbar sind. Generell soll das Change-Management maximale Qualität bei äußerster Flexibilität und geringen Kosten sicherstellen. - 2. Missachtung der jeweiligen Business-Relevanz
Es gibt Systeme, die für den operativen Betrieb elementar sind und Hochverfügbarkeitsanforderungen stellen. Andere haben lediglich unterstützenden Charakter. Diese Unterschiede werden in den Change-Management-Prozessen oft nur ungenügend abgebildet. Hier hilft ein Clustering der IT-Landschaft. - 3. Keine Business-basierende (Kosten-Nutzen-)Analyse
Änderungen, die nur einen kleinen Anwenderkreis betreffen, können dennoch enorme Auswirkungen haben, beispielsweise bei der Umsetzung gesetzlicher Anforderungen. Dagegen sind andere Veränderungen trotz ihrer gefühlten Bedeutung nur mäßig relevant. Eine Priorisierung darf deshalb nicht danach gehen, "wer am lautesten schreit" oder wer zuerst einen Change angemeldet hat. Entscheidend sollten wirtschaftliche Erwägungen sein. - 4. Nicht optimierte Change-Management-Prozesse
Die Umsetzung von Change-Management-Prozessen ist in der Praxis ein komplexes Unterfangen. Abhängig vom jeweiligen Change sind verschiedene Organisationseinheiten einzubinden, Umsetzungen unterschiedlich zu planen, Qualitätssicherungs- und Testmaßnahmen in diversen Ausprägungen auszuführen und Rollouts individuell zu gestalten. Das bilden die operativen Change-Prozesse meist unzureichend ab. Damit fehlen übergreifende Prozesssteuerung und -transparenz, Verantwortlichkeiten sind unklar, Qualitätssicherungs- und Testmaßnahmen finden nicht ausreichend statt, und die Fachbereiche werden ungenügend einbezogen. - 5. Fehlende Gesamtübersicht über laufende und geplante Changes
Bereits beschlossene Änderungen stehen in Konkurrenz zu geplanten Changes und zum operativen Tagesgeschäft. Zudem ist der tatsächliche Aufwand schwer abzuschätzen. Deshalb bedarf es einer Gesamtübersicht über laufende und geplante Changes inklusive aktueller Ressourcenplanung. Hier sind neben den IT-Ressourcen auch die Fachbereiche zu betrachten, die ja verantwortlich für Beauftragung, fachliches Testen sowie Abnahme der Changes sind. In der Realität gibt es eine Ressourcenplanung jedoch höchstens bei der Beauftragung. - 6. Weder Überprüfung von KPIs noch Rückkopplung zu KVPs
Nach der Umsetzung eines Change ist ein Post Implementation Review (PIR) sinnvoll. Mit einem solchen Prozess lässt sich die Qualität der Umsetzung überprüfen. Für eine umfassende Betrachtung müssen alle Beteiligten befragt werden. Dazu zählen neben der IT auch die beauftragenden Personen inklusive Sponsor. Ansonsten ist eine realistische Bewertung kaum möglich. Über Key Performance Indicators (KPIs) lassen sich zudem Verteilung und Ursache von Changes überprüfen. Beides sind wichtige Informationsquellen für den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). - 7. Standard-Changes nicht erstellt und dokumentiert
Zirka 80 Prozent aller Änderungen in der IT lassen sich in Form von Standard-Changes beschreiben und anwenden. Solche Änderungen basieren auf einer klar definierten Beschreibung, und sie lassen sich im Idealfall ohne eine Genehmigung von theoretisch jedem Mitarbeiter ausführen. Derart "reproduzierbares Wissen" entlastet nicht nur die einzelnen Spezialisten, sondern erhöht auch Transparenz und Geschwindigkeit bei der Umsetzung. - 8. Mangelnde Abstimmung von Fachbereich und IT
Change-Management ist kein reiner IT-Prozess. Er kann deshalb nur erfolgreich sein, wenn er in bestehende Unternehmensprozesse eingebunden wird. Beispielsweise ist es im Produktentwicklungs-Prozess wichtig, dass die für das neue Produkt relevanten IT-Anpassungen frühzeitig abgestimmt und umgesetzt werden. Aber oft werden Changes erst dann beantragt, wenn die IT keine Möglichkeit mehr hat, Alternativvorschläge zu unterbreiten. - 9. Fehlendes Commitment von Seiten der Mitarbeiter
Erfolgreiches Change-Management im Unternehmen setzt voraus, dass die betroffenen Mitarbeiter von dessen Nutzen überzeugt sind. Ein strukturierter Prozess hat zur Folge, dass die Dokumentation der Tätigkeiten formaler und gegebenenfalls umfangreicher wird. Oft sind die Mitarbeiter deshalb schwer motivierbar, die Prozesse tatsächlich zu leben. Aus diesem Grund ist das Augenmerk auf die Kommunikation der persönlichen Vorteile zu legen. - 10. Fehlende Individualisierung des Prozesses
Change-Management-Prozesse müssen individuell an die Unternehmensbedürfnisse angepasst werden. Dafür, wie sie im Dreieck von Qualität, Kosten und Zeit aufzustellen sind, gibt es keine allgemeingültigen Empfehlungen. Aber Change-Management-Prozesse im Unternehmen zu etablieren, ohne die spezifischen Anforderungen zu berücksichtigen, ist ein schwerwiegender Fehler. Die Individualisierung betrifft auch die Wahl eines geeigneten ITSM-Tools.
Auf der strukturellen Ebene steuern die Unterehmen ihre Veränderungsprozesse in der Regel routiniert. Das trifft weniger zu, wenn es um kulturelle Fragen geht. Deren Bedeutung wird oft unterschätzt - von den Verantwortlichen wird sie zuweilen sogar als "Psycho-Kram" abgetan. Das führt in der Praxis oft dazu, dass sich latente Ängste zu massiven Widerständen gegen das Neue verfestigen, die ihrerseits zu Reibungsverlusten sowie Terminverzögerungen und Nacharbeiten führen.
Kulturelle Aspekte von vornherein einplanen
Deshalb sollten die kulturellen Aspekte eines Change-Projekts schon in dessen Planungsphase angemessen berücksichtigt werden. Zudem ist es sinnvoll, in das Projektdesign bereits Maßnahmen zu integrieren, mit denen sich der kulturelle Wandel meistern lässt. Diese Maßnahmen können unterschiedlicher Art sein - abhängig von der Phase, in der sich der Veränderungsprozess befindet. In der Startphase zum Beispiel sollte stark für die anstehenden Veränderungen geworben werden. Ein taugliches Instrument sind hier Großveranstaltungen, in denen Vorstand oder Geschäftsleitung die Mitarbeiter über die geplanten Veränderungen informieren. Je weiter der Prozess fortschreitet, umso mehr Bedeutung gewinnen Maßnahmen, die eher individuellen Coaching-Charakter haben.
Beim emotionalen Verarbeiten der Veränderungen, die mit struktur- und kulturverändernden Projekten einhergehen, lassen sich sieben Phasen unterscheiden. Sie reichen von der Vorahnung ("Es wird etwas geschehen") bis zur Konsolidierung neuer Denk- und Verhaltensmuster.
Phase 1: Die Vorahnung
In dieser Phase spüren die Betroffenen, dass sich eine Veränderung anbahnt, obwohl es noch keine offizielle Verlautbarung gibt. Unruhe macht sich breit, Gerüchte kursieren. In dieser Phase ist es wichtig, mit den Mitarbeitern im Gespräch zu bleiben und Spielregeln für den Umgang mit der Situation zu vereinbaren.
Phase 2: Der Schock
Mit der Bekanntgabe des Veränderungsvorhabens wird das Unausweichliche sichtbar. Hoffnungen und Befürchtungen sind auf einen Schlag präsent. Manche Betroffene fühlen sich wie gelähmt. Kaum jemand kann sich auf Zukunftsvisionen einlassen. Zuhören und Verständnis sind nun gefragt.
Phase 3: Die Abwehr
Nach dem ersten Schreck folgt die Abwehr - zum Beispiel indem die Betroffenen die Notwendigkeit der Veränderung bestreiten. Hieraus kann sich kurzfristig sogar ein Produktivitätsanstieg ergeben. Die Mitarbeiter strengen sich mehr an, um den Chefs zu beweisen, dass die Veränderungen überflüssig sind. Zugleich kommt Ärger auf. Jeder meint zu wissen, was in der Situation richtig ist. Die Schuld für die Misere wird anderen zugeschrieben; die Notwendigkeit, sich selbst zu ändern, wird nicht akzeptiert. Das gilt vor allem dann, wenn die Veränderung auch eine neue Selbstdefinition erfordert. Hier ist oft eine regelrechte Desillusionierung nötig, die klarstellt: Der Wandel ist unausweichlich.
Phase 4: Die rationale Akzeptanz
Nach der erfolglosen Abwehr wird den Betroffenen allmählich klar: Es muss sich tatsächlich etwas ändern. Eine tiefer greifende emotionale Auseinandersetzung mit dem erforderlichen Wandel erfolgt aber noch nicht. Ansätze zur Problemlösung sind vornehmlich vom Wunsch nach einem raschen Ende der unangenehmen Situation getragen. Es wird jetzt gern an unbedeutenden Stellen etwas verändert, was kaum zum erwarteten Erfolg führen kann, aber nichtsdestoweniger Frustration erzeugt. Hier hilft es, die persönliche Auseinandersetzung mit der Veränderung zu fördern.
Phase 5: Die emotionale Akzeptanz
Irgendwann wird allen klar: Es gibt keinen Weg zurück. Dann ist der emotionale Tiefpunkt erreicht; das "Tal der Tränen" wird durchschritten. An dieser Stelle ist das Handlungsrepertoire ausgeschöpft. Zumindest haben die Betroffenen das Gefühl, alles versucht zu haben. Und sie verabschieden sich mit tiefer Trauer von Althergebrachtem. Mit dem Durchschreiten dieses Korridors erreicht die Systemleistung ihre verlustreichste, sprich: unproduktivste, Zone. Trotzdem muss der Trauer Raum gewährt werden (etwa in Workshops und Einzelgesprächen), denn sie ist quasi eine Schwellenemotion bei jeder Neuorientierung. Erst wenn diese Trauerarbeit geleistet ist, kann sich die Energie auf das Neue richten.
Phase 6: Die Öffnung
Nun ist der Weg frei für eine grundlegende Neuausrichtung der Selbst-, Team- und Unternehmensdefinition. Die Neugier auf einen erweiterten Erfahrungshorizont erwacht. Man klammert sich nicht mehr an Vergangenes. Sicher kommt es dann und wann noch zu Rückschlägen. Diese werden aber als Rückmeldung mit hohem Informationswert und Zugewinn an Erfahrung betrachtet. Lernprozesse stabilisieren sich dadurch und führen Schritt für Schritt zu einem Produktivitätsniveau, das über dem Ausgangs-Level liegt. Hilfreich sind nun Geduld und Ermutigung der Lernenden.
Phase 7: Die Integration
Durch kontinuierliche Lernerfolge wird das Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsspek-trum erweitert. Neue (Handlungs-)Perspektiven tun sich auf und stärken das Selbstvertrauen der Mitarbeiter, was sich in einer steigenden Systemleistung widerspiegelt. Zudem werden die Muster des erfolgreichen Umgangs mit Veränderungen in Form einer Strategie generalisiert. Das heißt: Die Veränderungskompetenz der Organisation hat sich erhöht; künftige Change-Prozesse wird sie schneller und effektiver meistern. So lassen sich die Früchte der gemeinsamen Anstrengung einfahren.
Diese sieben Phasen sind in jedem Change-Projekt mehr oder minder ausgeprägt zu beobachten. Also können und sollten sie bereits beim Planen vom Change-Projekten berücksichtigt werden. Die Verantwortlichen in der Organisation sind durchaus in der Lage, sich vorab zu überlegen, wie sie auf die "emotionalen Zustände" der Mitarbeiter reagieren können. Und das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Organisation den Veränderungsprozess wie geplant durchläuft und die damit verbundenen (betriebswirtschaftlichen) Ziele am Ende auch erreicht. (qua)