In Deutschland soll das Onlinezugangsgesetz bis Ende 2022 dafür sorgen, dass Bund, Länder und Kommunen wesentliche Verwaltungsdienstleistungen digital anbieten. Das bedeutet weit mehr als Internetseiten mit Online-Formularen. Stefan Fischer, Sales Director Public Services, Life Science und Healthcare bei ServiceNow, und Christian Wawrzinek, COO des ServiceNow-Partnerunternehmens nuvolax erklären, wo es bei der Umsetzung des Gesetzes womöglich klemmt und warum ein echtes Bürgerportal auch die Arbeit für die Angestellten öffentlicher Institutionen vereinfacht.
Bis 2022 ist nicht mehr viel Zeit. Wie geht es mit der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes voran?
Stefan Fischer: Das Onlinezugangsgesetz hat Rahmenbedingungen formuliert. Das ist auf jeden Fall sinnvoll. Jetzt sind kreative und innovative Lösungen gefragt. Schließlich soll die Zusammenarbeit von Bürgern, Unternehmen und Verwaltungen nicht nur digital funktionieren. Sie soll richtig gut sein, vielleicht sogar Spaß machen.
Christian Wawrzinek: Wir führen viele Gespräche mit Vertretern von Verwaltungen und Behörden. An Willen und Mut mangelt es dort unserer Erfahrung nach nicht.
In den letzten Jahren haben öffentliche Institutionen ohnehin schon einiges in die Modernisierung ihrer Verwaltungssysteme und Fachverfahren investiert. Wie kann die ServiceNow-Plattform die jeweiligen Leistungen effizienter machen?
Fischer: Vielfach fließen die Investitionen in Enterprise Management Systeme wie SAP. Diese Systeme zeichnen sich durch eine sehr hohe "innere" Funktionalität aus. Sie bilden die äußerst umfangreichen Verwaltungsprozesse intern ab. Wir bezeichnen das als "System of Record".
Wawrzinek: Auf der Seite der Anwender ist dagegen Einfachheit gefragt. Wenn man einen Bauantrag stellt oder eine kompliziertere gewerbliche Entsorgung beantragt, sind oft viele Module einer Verwaltungssoftware beteiligt, manchmal mehrere unterschiedliche Systeme. Dazu kommen viele über Jahrzehnte hinweg entwickelte Fachverfahren. Damit soll aber der Anwender möglichst wenig zu tun haben. Um einen reibungslosen und einfachen Service zu ermöglichen, spannen wir eine Art Brücke über diese bestehenden Softwaresysteme. Und das machen wir mit Hilfe der Now Platform. Wir sorgen also für eine einfache und nachvollziehbare Interaktion in Richtung Anwender und bedienen im Hintergrund die nötigen Verwaltungssysteme - eine Art "System of Action".
Wie sieht das in der Praxis aus?
Fischer: Wir gehen vom Anwender aus. Dem Bürger, dem antragstellenden Unternehmen, dem Patienten einer Klinik oder dem Mitarbeitenden in der Verwaltung. Unsere Frage lautet: Was braucht der Anwender und was braucht die Verwaltung, um diese Arbeit für ihn zu erledigen …
Wawrzinek: … und wie können wir Prozesse möglichst optimal für den Anwender gestalten?
Von "optimalen Prozessen" sprechen auch die Anbieter von Enterprise Resource Planning Software.
Fischer: Die Integration von bestehenden ERP-Systemen, also den Systemen zur Verbuchung, ist eine enorm wichtige Komponente der Now Platform. Schließlich findet im ERP-System die betriebswirtschaftliche Steuerung statt.
Wawrzinek: Aber die Logik des Buchungssystems darf das Arbeiten der Menschen damit nicht bestimmen. Hier braucht es einen sinnvollen Fluss der einzelnen Arbeitsschritte. Nicht nur für die Bürger, sondern genauso für die Mitarbeitenden in den Verwaltungen.
Kommunen bieten heute schon jede Menge Leistungen digital an.
Wawrzinek: Es geht uns nicht darum, eine Homepage zu bauen, auf der eine Vielzahl von Online-Formularen verfügbar ist. Das ist bei vielen Kommunen und Behörden heute Standard. Aber was passiert, wenn Sie Ihre Anmeldung für die Hundesteuer, den Antrag für den Anwohnerparkausweis oder die Baugenehmigung online abgeschickt haben? Es geht um die Harmonisierung der Prozesse dahinter und aktuelle Informationen über den Status der Anfrage.
Wie kann so etwas konkret aussehen?
Wawrzinek: Beispiel Sperrmüll. Allein in einem scheinbar so einfachen Service sind mehrere Dienstleister und Instanzen beteiligt. Da kann online abgefragt werden, wie viel Sperrgut abgeholt werden soll, um die Größe des Containers oder des Fahrzeugs zu bestimmen. Die Stadt erledigt die Abholung aber nicht selbst. Der Auftrag wird thematisch sortiert und geht weiter an einen Dienstleister. Einen solchen Ablauf so zu gestalten, dass möglichst wenige Mitarbeitende manuell eingreifen müssen und alle Beteiligten auf dem Laufenden sind, das ist unsere Aufgabe.
Fischer: Allgemein gesprochen geht es darum, Prozesse mit vielen Bruchstellen auf robuste, interaktive und durchgängige Workflows umzustellen, die mit den Backend-Systemen interagieren und Transparenz bieten. Das ermöglicht die direkte Einbeziehung aller Beteiligten von Beginn an. Die Now Platform bietet hierfür jede Menge vorgefertigte Services an, die für den jeweiligen Anwendungsfall nur noch angepasst werden müssen.
Wawrzinek: Jeder von uns erwartet bei Verwaltungsvorgängen eine geeignete, datenschutzkonforme und effektive Erfassung von Daten, Unterstützung beim richtigen Ausfüllen von Formularen und Informationen zum aktuellen Stand der Bearbeitung. Wenn das effektiv funktioniert, schafft das Bürgernähe und Zufriedenheit mit der Verwaltung.
Wie sieht das mit den Mitarbeitenden in den Verwaltungen selbst aus?
Fischer: Jeder ist genervt, wenn Prozesse nicht optimal funktionieren, Informationen, die eigentlich vorhanden sind, erst wieder aufwändig über andere Abteilungen beschafft werden müssen, wenn Kleinigkeiten langatmige Abstimmungen erfordern. Dazu kommt die chronische Unterbesetzung in vielen Abteilungen.
Wawrzinek: Aus unserer Sicht ist die Sache klar: Die Leute, mit denen wir bei Behörden oder Stadtverwaltungen sprechen, sind hochmotiviert, die Abläufe zu verbessern. Alle wollen zeigen, was sie wirklich drauf haben, schließlich freut sich jeder über ein "Daumen hoch", wenn der Bürger und die ortsansässigen Unternehmen das Gefühl haben, da hat jetzt wirklich etwas super geklappt.
Fischer: Auf einen Nenner gebracht: Wenn die Menschen in den Behörden sich immer mehr trauen, ihre Ideen umzusetzen und dabei pragmatisch vorgehen, wird die öffentliche Verwaltung "agil" und wir sind gemeinsam auf dem richtigen Weg.
Wawrzinek: Allein in Baden-Württemberg gibt es rund 1.100 Gemeinden. Ich weiß nicht, ob das für alle bis 2022 zu schaffen ist. Aber für zahlreiche "Daumen hoch" werden wir bis dahin sorgen können. Das kann ich von hier aus schon versprechen.
Warum E-Government dringend den digitalen Push braucht und wie die Herausforderungen des Onlinezugangsgesetzes gemeistert werden können, lesen Sie hier.