Bis zu anderthalb Jahre Wartezeit für ein neues Auto, bestimmte Ausstattungen sind erst gar nicht lieferbar, Waschmaschinen und Geschirrspüler sind Mangelware etc. - und das alles, weil Chips, respektive Halbleiter fehlen. Die letzten beiden Jahren haben Verbrauchern und Politik deutlich vor Augen geführt, welche strategische Bedeutung eine gesicherte, ausreichende Versorgung mit Halbleitern hat.
Reaktion der Politik auf Chipmangel
Die USA betrachteten den Mangel an Chip-Halbleitern bereits als Risiko für die nationale Sicherheit und wollen wie berichtet im Rahmen des "CHIPS for America Act" den Bau neuer Chipfabriken mit 52 Milliarden Dollar subventionieren. Und auch Europa lässt sich nicht lumpen. Im Rahmen des Important Project of Common European Interest (IPCEI) und des European Chip Acts sollen mehr als 40 Milliarden Euro in den Auf- und Ausbau der europäischen Chipindustrie fließen. Das Ziel dabei: Der Anteil Europas an der weltweiten Halbleiter-Produktion soll bis Ende der Dekade von zehn auf 20 Prozent verdoppelt werden.
Bosch und Intel investieren
In der Wirtschaft scheinen die Fördermaßnahmen gut anzukommen. So will Intel bis 2027 17 Milliarden Dollar in zwei neue Halbleiterfabriken bei Magdeburg investieren. Und Bosch will im Rahmen des IPCEI-Förderprogramms Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie nochmals drei Milliarden Euro in seine Halbleitersparte investieren. Dazu, ob und in welcher Höhe dabei Fördergelder fließen, machte Bosch keine Angaben.
Aber eines ist für Dr. Stefan Hartung, Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung, ganz klar: "Mikroelektronik ist Zukunft und entscheidender Erfolgsfaktor für alle Geschäftsfelder von Bosch. Mit ihr halten wir einen zentralen Schlüssel für die Mobilität von morgen, das Internet der Dinge und unsere 'Technik fürs Leben' in den Händen."
SoC und MEMS
Die Schwaben sind schon seit 60 Jahren im Halbleitergeschäft und wollen diesen Bereich nun weiter ausbauen. Zu den neuen Innovationsfeldern von Bosch gehören beispielsweise sogenannte Systems-on-Chip (SoC). Damit will das Unternehmen zum Beispiel Radarsensoren, wie sie etwa beim automatisierten Fahren für die 360-Grad-Umfelderfassung eines Fahrzeugs gebraucht werden, kleiner, intelligenter und zugleich kostengünstiger machen.
Speziell für die Konsumgüterindustrie arbeitet Bosch an einer Weiterentwicklung seiner mikromechanischen Systeme, kurz: MEMS. Auf Basis dieser Technik entwickeln die Forscherinnen und Forscher von Bosch derzeit beispielsweise ein neues Projektionsmodul für Smart Glasses, das so schmal ist, dass es in den Brillenbügel passt. Vor diesem Hintergrund erteilt Hartung auch dem Rennen nach immer kleineren Chipstrukturen eine klare Absage: "Wichtig ist dabei, dass mehr denn je Chips für den spezifischen Bedarf der europäischen Industrie entstehen - also nicht nur in den kleinsten Nanometer-Strukturen." So komme es in der Elektronik für die Elektromobilität etwa auf Strukturbreiten von 40 bis 200 Nanometern an.
Erweiterungen in Dresden und Reutlingen
Konkret plant Bosch unter anderem je ein neues Entwicklungszentrum in Reutlingen und Dresden für zusammen mehr als 170 Millionen Euro. Außerdem investiert das Unternehmen im kommenden Jahr in Dresden 250 Millionen Euro für den Standortausbau mit einer Erweiterung der Reinraumfläche um 3.000 Quadratmeter. Zudem sollen ab 2026 in Dresden MEMS-Sensoren auf 300-Millimeter-Wafern produziert werden. Mit einer Milliarde Euro ist die 2021 in Dresden eröffnete Chipfabrik bislang die größte Einzelinvestition des Unternehmens.
Ebenso baut Bosch den Standort Reutlingen aus, wo das Unternehmen seit 50 Jahren Halbleiter fertigt. Bis 2025 investiert Bosch dort beispielsweise rund 400 Millionen Euro in den Ausbau der Fertigung sowie den Umbau von Bestands- in neue Reinraumfläche. Unter anderem entsteht am Standort ein neuer Gebäudeteil mit zusätzlich rund 3.600 Quadratmetern hochmoderner Reinraumfläche. Insgesamt soll die Reinraumfläche in Reutlingen von zurzeit rund 35.000 Quadratmetern bis Ende 2025 auf mehr als 44.000 Quadratmeter wachsen.
Chips für E-Mobilität
Gleichzeitig investiert Bosch weiter in neue Halbleiter-Technologien. In Reutlingen fertigt Bosch beispielsweise seit Ende 2021 Siliziumkarbid-Chips (SiC), die in der Leistungselektronik von Elektro- und Hybridautos zum Einsatz kommen. Mithilfe dieser Chips konnte das Unternehmen die Reichweite von Elektroautos bereits um bis zu sechs Prozent steigern. Nach Angaben des Konzerns ist die Nachfrage nach SiC-Chips so hoch, dass die Auftragsbücher volle seien. Und der Markt wachse weiter kräftig - im Jahresschnitt um 30 Prozent. Zudem prüft Bosch laut Hartung die Entwicklung von Chips für die Elektromobilität auf Basis von Gallium-Nitrid, wie sie bereits in Ladegeräten von Laptops und Smartphones stecken. Diese sollen robuster sein und noch höhere Spannungen aushalten.