Bei Blackberry überschlagen sich die Ereignisse: Am Wochenende hatte das Unternehmen noch vor einem Quartalsverlust von knapp einer Milliarde Dollar wegen Abschreibungen auf nicht verkaufte Smartphones mit Blackberry 10 gewarnt und angekündigt, sich aus dem Endkundengeschäft zurückzuziehen und weitere 4500 Mitarbeiter oder 40 Prozent der Belegschaft zu entlassen. Nun gaben die Kanadier bekannt, der Finanzinvestor Fairfax Financial beabsichtige, Blackberry für 4,7 Milliarden Dollar zu übernehmen und anschließend von der Börse zu nehmen. Das Angebot entspricht einem Preis von neun Dollar je Aktie - das entspricht einem Aufschlag von neun Prozent gegenüber dem aktuellen Kurs. Zu Jahresbeginn waren die Papiere allerdings noch rund das Doppelte wert.
Blackberry und Fairfax haben bereits eine dementsprechende Absichtserklärung unterzeichnet, zunächst hat die Gruppe um Prem Watsa jedoch sechs Wochen Zeit, die Bücher zu studieren. Angesichts der relativ niedrigen Bewertung ist es nicht ganz ausgeschlossen, dass zwischenzeitlich auch andere Käufer Interesse bekunden: Nachdem nun ein Preis genannt wurde, könnten sich andere kolportierte Interessenten wie Oracle, IBM oder (erneut) Microsoft melden. Es gibt auch Berichte, dass der Firmengründer und ehemalige Co-CEO Mike Lazaridis zusammen mit Investment-Gesellschaften an einem Comeback arbeitet - ob dies angesichts der vorangegangenen Versäumnisse Sinn macht, sei einmal dahingestellt. Allerdings müsste Blackberry eine Strafe von über 150 Millionen Dollar zahlen, wenn es sich für einen anderen Käufer entscheidet.
Restrukturierung ohne den Druck der Wall Street
Über die weiteren Pläne von Fairfax mit Blackberry ist aktuell wenig bekannt. Marktbeobachter sind sich jedoch weitgehend darin einig, dass die Übernahme durch den Finanzinvestor die bestmögliche von zahlreichen unattraktiven Optionen ist. Unklar ist jedoch, ob das Unternehmen noch gerettet werden kann. Jack Gold, Chefanalyst und Gründer von J. Gold Associates, geht immerhin davon aus, dass die Company nach sechs bis zwölf Monaten ohne den Druck der Börse ein attraktiverer Übernahmekandidat wird. Das Management könnte sich wieder auf die wichtigen Aspekte der Restrukturierung konzentrieren, ohne ständig den Atem der Wall Street im Nacken zu spüren. Gleichzeitig, so argumentiert Gold weiter, wiese Blackberry dann wieder ausreichend finanzielle Stabilität auf, um Enterprise-Kunden den Druck zu nehmen, aus Furcht vor einer Geschäftsaufgabe schleunigst auf eine andere Lösung umzusteigen. Ob Blackberry letztendlich überlebt, hält aber auch Gold nicht für sicher.
- Blackberry Q10
Der Blackberry Q10 mit Touchscreen und Tastatur. - Blackberry Q10
Die Rückseite des Smartphones. - Blackberry Q10
Auch der Blackberry Q10 setzt auf Blackberry OS 10. - Blackberry Q10
Wie der Z10 verfügt das Gerät über die Flow-Oberfläche. - Blackberry Q10
Die Seitenansicht des Blackberry Q10. - Blackberry Q10
Das Smartphone gibt es auch in weiß. - Blackberry Q10
Das weiße Blackberry Q10 in der Frontansicht.
Der TK-Experte ist jedoch davon überzeugt, dass eine Zerschlagung nicht sinnvoll ist. So böten längerfristig gesehen die drei Bereiche Geräte, Services und Collaboration zusammen mehr Wert als in ihren Einzelteilen. Für Blackberry sei es jedoch noch ein langer Weg, bis die Company im Smartphone-Bereich - falls überhaupt - wieder Fuß fasse. Wachstumspotenzial sieht Gold auch im Messaging-Geschäft, wo BBM aktuell mehr als 60 Millionen Nutzer zählt - auch, nachdem der erste Start der iOS- und Android-App fehlschlug. Last, but not least sei auch der Servicebereich dank Blackberry Enterprise Service (BES) und dem Einzug in allgemeine MDM- und MAM-Geschäft gut aufgestellt und könnte weiter zulegen.
Unrentabel ohne Endkundengeschäft
Ovum-Analyst Jan Dawson wiederum sieht im geplanten Rückzug Blackberrys von der Börse keine Lösung für die fundamentalen Probleme der Company. Erstens breche der Geräteverkauf derzeit ein und die von Blackberry angekündigte Abkehr vom Endkundenbereich bedeute das endgültige Aus für den Geschäftsbereich. Ohne die dazugehörigen Stückzahlen, so Dawson, könne Blackberry mit Geräten kein Geld verdienen und werde sich somit spätestens Mitte nächsten Jahres komplett aus dem Bereich zurückziehen.
Eine weitere Herausforderung ist laut dem Ovum-Mann, dass auch Blackberrys andere Geschäftsbereiche mehr oder weniger mit dem Device-Business zusammenhängten. So setze die breite Nutzerschaft von Blackberry Messenger (BBM) aktuell nur Blackberrys ein. Das MDM-Geschäft rund um BES10 wiederum basiere voll und ganz auf der Möglichkeit, damit Blackberry-Geräte zu managen, während die plattformübergreifende Verwaltungslösung bei weitem nicht so weit verbreitet sei wie die von Wettbewerbern wie Airwatch oder MobileIron.
Der einzige Bereich, der laut Dawson momentan einen deutlichen Wert darstellt, ist das Patent-Portfolio. Auch dieses würde aber den Kaufpreis nicht rechtfertigen. "Normalerweise werden Unternehmen von der Börse genommen, damit sie Zeit haben, bis sich ihre langfristige Strategie auszahlt, ohne Rücksicht auf die kurzfristigen Interessen der Aktionäre nehmen zu müssen", so Dawson. Über die letzten Jahre hinweg sei es jedoch das Hauptproblem von Blackberry gewesen, dass eine solche Strategie fehlte. Der Ovum-Mann sieht entsprechend wenig Chancen für einen Turnaround- es sei denn, Fairfax plant, die Strategie von Blackberry radikal zu ändern oder zu beschleunigen.
Unnötigen Ballast abwerfen
Gerade was die Fähigkeiten des Investors anbelangt, hat Gartner-Analystin Carolina Milanesi so ihre Zweifel. "Was könnte Fairfax anderes tun, als Blackberry in Teilen zu verkaufen?", fragte die Mobile-Expertin. Fairfax weise weder besondere Kenntnisse noch Assets auf, um die Probleme von Blackberry zu adressieren. Ihr Kollege bei Gartner, Bill Menezes, schlägt vor, Fairfax sollte stattdessen versuchen, auf Basis von Blackberrys Service- und Patent-Portfolio zukunftsfähige eigenständige Geschäfte aufzubauen: "So grausam es klinge, so Menezes weiter, aber Fairfax oder ein anderer potenzieller Käufer sollte das Endgerätegeschäft "als Ballast abwerfen, dicht machen oder als viel kleineren Bereich behalten". Die von Blackberry angekündigte Abschreibung von einer Milliarde Dollar auf Smartphones zeige, dass der Markt sich von Blackberry-Geräten wegbewegt habe und in absehbarer Zeit nicht wieder zurückkomme.