Über den sogenannten CO2-Fußabdruck wird viel gesprochen, womöglich so viel, dass die meisten Unternehmen glauben, sie würden ihren eigenen bereits kennen. Wie die aktuelle Studie "Erfolgsfaktoren IT und Innovation 2023 - Lösungen für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit" von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE in Zusammenarbeit mit All for One und Materna ergeben hat, denken das 84 Prozent der befragten Unternehmen.
Allerdings könnte es bei nicht wenigen der Unternehmen eher ein Bauchgefühl als echtes Wissen sein, wie hoch der eigene CO2-Fußabdruck ist. So sagen nur 18 Prozent der Befragten, die für die Bestimmung der CO2-Bilanz erforderliche Datenlage sei bei ihnen sehr gut.
Ohne eine zuverlässige Datenbasis geraten aber alle Maßnahmen zur Erhöhung der Nachhaltigkeit und zur Senkung des Energieverbrauchs in eine mögliche Schieflage. Fehlen gute Daten, kann die Wirksamkeit der Maßnahmen nicht bewertet werden. Es stellt sich sogar die Frage, wie zweckgemäß die Strategie für mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen sein kann, sofern es denn eine solche Strategie schon gibt.
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Die Cloud: Geplant, aber auch nachhaltig?
Wie die aktuelle Studie deutlich macht, haben bislang erst 63 Prozent der Unternehmen eine Strategie für Nachhaltigkeit - geht es um ESG (Environmental, Social, Governance), sind es sogar nur 58 Prozent.
Dagegen berichten 86 Prozent aller Unternehmen, dass bei ihnen eine Digitalisierungsstrategie vorhanden ist. Eine Cloud-Strategie haben 75 Prozent der Unternehmen. Auf Platz drei der vorhandenen Strategien liegen Konzepte für Risikomanagement und Risikoanalysen (bei 71 Prozent der Befragten vorhanden). Tatsächlich ist diese Diskrepanz aber selbst ein Risiko, denn Strategien zur Digitalisierung, zur Cloud und zu Unternehmensrisiken sollten ohne die Aspekte der Nachhaltigkeit gar nicht mehr bestehen.
Die Cloud gilt aber als Energiesparer
Auch wenn es Unternehmen gibt, die ihre Cloud-Vorgaben planen, aber für die Nachhaltigkeitsmaßnahmen noch über kein Konzept verfügen, wird bei der Frage nach der Einsparung von Energie insbesondere die Cloud als Möglichkeit genannt. Jedes dritte Unternehmen nennt zuerst die Cloud als Energiesparer unter allen anderen IT-Lösungen.
Dann stellt sich aber die Frage, warum in der Cloud-Strategie nicht auch die Nachhaltigkeit der bezogenen Cloud-Services definiert und eingefordert wird. Als Unternehmen sollte man bei der Cloud-Auswahl genauso auf Nachhaltigkeit achten wie auf IT-Sicherheit und Datenschutz, die besonders häufig als Auswahlkriterien genannt werden, wie frühere Cloud-Studien gezeigt haben.
Awareness für Nachhaltigkeit fehlt
Bei der hohen Medienpräsenz der Umwelt- und Klimathemen kann es überraschen, dass die befragten Unternehmen meinen, ihre Beschäftigten seien nicht ausreichend für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisiert. Dies schätzen 48 Prozent der Unternehmen als größtes Hindernis auf dem Weg zur Umsetzung entsprechender Ziele oder Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs ein. 37 Prozent begründen das mit dem fehlenden Nachdruck, mit dem das Management das Ganze verfolge.
Offensichtlich fehlt in vielen Unternehmen die notwendige Awareness für die Ziele der Nachhaltigkeit, aber eben nicht nur bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern auch im Management. Das zeigt sich auch daran, dass Nachhaltigkeit als deutlich weniger strategisch definiert wird als Digitalisierung oder Cloud Computing.
Nachhaltigkeit: Wichtig, aber ohne eigenes Budget
Aber der fehlende Nachdruck im Management hat noch weitere Folgen: Solange die Nachhaltigkeit nicht als Teil der Cloud-Strategie oder allgemein der Digitalisierungsstrategie angesehen wird, braucht es ein dediziertes Budget für die Maßnahmen zur Steigerung der Sustainability und damit auch zum Beispiel zur Senkung des Energieverbrauchs.
Wie die Studie ergibt, hält etwa jedes zweite Unternehmen (53 Prozent) ein spezielles Budget für das Thema Nachhaltigkeit vor. Denkt man an die Aktualität und Brisanz von Nachhaltigkeit, ist dies ein erstaunlich geringer Anteil, denn die andere Hälfte der Befragten verfügt entsprechend über keine speziellen Budgets, um zum Beispiel den Energieverbrauch senken zu können.
Wenn aber die Verringerung des Energieverbrauchs nicht als Ziel in anderen Strategien wie der Cloud-Strategie zu finden ist, kann letztlich dafür auch kein Budget aus den anderen Töpfen genommen werden. Nachhaltigkeitsziele erhalten dann so nur indirekt eine Finanzierung, wenn denn überhaupt. Das bleibt nicht ohne Folgen, auch für die Datenbasis, die für die Kenntnis des CO2-Fußabdruckes benötigt würde.
Tools für Nachhaltigkeitsplanung fehlen oft
Eigentlich bräuchte ein Unternehmen geeignete Lösungen, um die Daten zum aktuellen Stand der eigenen Sustainability zu erfassen, um den eigenen CO2-Fußabdruck zu berechnen und um ergriffene Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit zu bewerten. Damit sieht es aber bisher nicht gut aus - ohne Zweifel auch deshalb, weil es häufig noch kein explizites Budget für diesen Bereich gibt.
So berichtet nur etwa jedes zweite große Unternehmen ab 1000 Beschäftigten, dass Tools zur Datenerfassung im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements genutzt werden. 47 Prozent haben einen CO2-Rechner im Einsatz, 42 Prozent spezielle Bewertungswerkzeuge. Noch weniger verbreitet sind die genannten Tools bei den kleinen Unternehmen: Hier nutzen 47 Prozent Tools zur Datenerfassung, 38 Prozent einen CO2-Rechner und 37 Prozent entsprechende Bewertungswerkzeuge.
Nachhaltigkeit senkt Kosten und verdient Budget
Unternehmen sollten sich deshalb bewusster machen, dass es sich lohnt, Geld in mehr Nachhaltigkeit zu investieren, nicht nur aus Gründen der Compliance oder wegen der positiven Außenwirkung auf die eigene Kundschaft.
Die Studie "Erfolgsfaktoren IT und Innovation 2023 - Lösungen für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit" zeigt: Wenn Unternehmen Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit ergreifen, dient dies in 55 Prozent der Fälle der Kostensenkung, 46 Prozent verfolgen damit Umweltschutzziele und 36 Prozent wollen so den Umsatz steigern.
Wenn also Kostensenkung und auch Umsatzsteigerung zu den Zielen gehören und nicht etwa "nur" der Umweltschutz, dann sollte dies Anlass genug sein, auch ein Budget für die Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu vergeben. Oder aber man betrachtet Nachhaltigkeit als zwingenden Bestandteil jeder Unternehmensmaßnahme, dann braucht es kein zusätzliches Budget, Nachhaltigkeit wäre dann "inklusive". Noch ist es aber nicht so weit.
Das zeigt sich auch daran, wie die Befragten ihren Erfolg messen: Wirtschaftliche Erfolgskennzahlen haben für 77 Prozent der großen Unternehmen ab 1000 Beschäftigten die größte Bedeutung, gefolgt von Kundenzufriedenheit (65 Prozent), Produktivität (57 Prozent) und Prozessqualität (55 Prozent). Erfolgsparameter für Nachhaltigkeit stufen nur 48 Prozent der großen Unternehmen als "sehr wichtig" bis "geschäftskritisch" ein. Bei den kleinen Unternehmen bis 500 Beschäftigten sinkt dieser Anteil sogar auf 37 Prozent.
Fazit: Keine (IT-)Strategien mehr ohne Sustainability
Es zeigt sich: Der Nachhaltigkeit geht es nicht besser als dem Datenschutz und der IT-Sicherheit. Der klare Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit kann nur Realität werden, wenn Unternehmen nicht mehr denken, Cloud-Strategien, Digitalisierungsstrategien und Strategien für Sustainability seien getrennte Bereiche und müssten dann gemeinsam betrachtet werden.
Vielmehr gehört Nachhaltigkeit genau wie Datenschutz und IT-Sicherheit direkt in jede IT-Strategie. Dann sind Cloud-Dienste ganz automatisch wichtige Bausteine für das Einsparen von Energie und die Verringerung des CO2-Fußabdrucks. Die Frage, ob die Cloud oder ganz allgemein die IT dabei hilft, nachhaltiger zu werden, hätte sich dann erledigt. Bisher jedoch kann man nicht von Nachhaltigkeit by Default oder by Design sprechen. Der lange Weg dahin muss noch gegangen werden, aber nicht irgendwann, sondern sehr bald, denn der Schutz von Umwelt und Klima kann nicht warten.
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Studiensteckbrief
Herausgeber: CIO, CSO und COMPUTERWOCHE
Studienpartner: All for One Group SE (Platin), Materna Information & Communications SE
Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche in Unternehmen der DACH-Region: Beteiligte an strategischen (IT-)Entscheidungsprozessen im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs); Entscheidungsbefugte sowie Experten und Expertinnen aus dem IT-Bereich
Teilnehmergenerierung: Persönliche E-Mail-Einladung über die exklusive Unternehmensdatenbank von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE sowie - zur Erfüllung von Quotenvorgaben - über externe Online-Access-Panels
Gesamtstichprobe: 322 abgeschlossene und qualifizierte Interviews
Untersuchungszeitraum: 9. bis 16. Februar 2023
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung und Durchführung: Custom Research Team von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE in Abstimmung mit den Studienpartnern