"Kackfrecher" Digitalzwang an der Packstation

Big Brother Award für DHL

15.05.2023
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
DHL digitalisiert seinen Packstation-Service – die Belohnung: Ein Big Brother Award für Digitalzwang. Der Logistiker wehrt sich dagegen.
Für den "Digitalzwang" an den neuen Packstation-Modellen erhielt DHL den "BigBrotherAward 2023".
Für den "Digitalzwang" an den neuen Packstation-Modellen erhielt DHL den "BigBrotherAward 2023".
Foto: Deutsche Post DHL Group

Ein unterdurchschnittlicher Digitalisierungsgrad von 63 Prozent, 82 Prozent der Unternehmen faxen noch immer - in Sachen digitaler Prozesse und Services hat Deutschland Nachholbedarf. Wenn ein Unternehmen mal konsequent eine Dienstleistung digitalisiert, ist die Belohnung ein Big Brother Award!

Big Brother Award für Digitalzwang

Die Deutsche Post DHL Group erhielt von BigBrothersAwards.de den "BigBrotherAward 2023 in der Kategorie Verbraucherschutz für praktizierten Digitalzwang". Stein des Anstoßes: Die Digitalisierung der Packstation und die Umstellung ihrer Nutzung auf Smartphone und Apps. Die Awards werden seit dem Jahr 2000 von Digitalcourage vergeben.

Die Kritikpunkte

Für die Preisvergabe an die DHL Group werden drei Argumente ins Feld geführt:

  1. DHL habe die Technik der Packstationen so umgestellt, dass man dort kein Paket mehr abholen könne ohne Smartphone und Nutzung der Post & DHL App.

  2. die Post & DHL App übertrage sofort nach dem Start ungefragt Daten an Trackingfirmen. Die sei illegal.

  3. Der Konzern versuche so, sich den Pflichten der Grundversorgung bei der Briefzustellung zu entziehen, unter anderem durch den Plan, Postfilialen durch Automaten - sogenannte "Poststationen" - zu ersetzen.

Sollte der zweite Punkt zutreffen, müssten die IT-Verantwortlichen bei DHL unverzüglich handeln. In der Laudatio begründet Digitalcourage seinen Vorwurf mit einer Analyse des IT-Sicherheitsexperten Mike Kuketz.

Spioniert die App?

Auch die Packstation-App wird bemängelt. Sie soll ungefragt Daten in die USA übertragen.
Auch die Packstation-App wird bemängelt. Sie soll ungefragt Daten in die USA übertragen.
Foto: Deutsche Post DHL Group

Laut Kuketz baut die App unter anderem Verbindungen zu Google Firebase (USA), Adobe Inc. (USA), der Adobe Experience Cloud und zu Google Firebase Remote Config (USA) auf. Weitere Verbindungen führten zu Sentry4, und schließlich zum "Google Firebase Analytics" Tracker.

Dies alles geschehe, bevor Nutzer irgendwie mit der App interagieren könnten. Erschwerend komme hinzu, dass der Zustimmungs-Button ein manipulatives Design habe, um den Nutzer auf "Alle akzeptieren" zu locken.

Verstoß gegen die DSGVO?

Des Weiteren missachte die App die DSGVO sowie das TTDSG, denn die Übermittlung von Daten an US-Konzerne Google und Adobe sei einwilligungspflichtig. Dies habe laut Digitalcourage eine Prüfung durch den Rechtsanwalt Peter Hense ergeben.

DHL wehrt sich

DHL will diese Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. Gegenüber wa.de äußerte sich die Pressestelle des Konzerns dahingehend, dass die App erst im Oktober 2022 von der Stiftung Warentest zum Testsieger in Sachen Datenschutz erklärt worden sei. Zudem halte man sich strikt an die Regeln und Vorgaben der Datenschutzgesetze.

"Kackfreche" Packstation?

Doch nicht nur die App selbst war den Juroren ein Dorn im Auge, sondern auch das neue Lean-Modell der Packstation. Während die einen das Konzept als ein erfolgreiches Beispiel dafür sehen, welche neuen Anwendung etwa aus der Kombination von verschiedenen Techniken wie Bluetooth Low Energery, GPS und schnellem Mobilfunk möglich sind, wertet die Jury das DHL-Verhalten als "kackfrech".

"Dumm wie Brot"

Die Juroren monieren, dass sich die Post die eigene Datenverbindung von der Packstation zum Server einfach einspare und dies über das Smartphone der Kunden abwickle. Ohne diese Verbindung sei eine "neue Packstation dumm wie Brot und wisse nicht, was für wen in welchem Fach liege". Da man zudem Display und Kartenlesegerät eingespart habe, stünden Kunden ohne Smartphone in Regen.

Auch diese Kritik kann man laut wa.de bei DHL nicht nachvollziehen. Die App-gesteuerten Packstationen seien ein ergänzendes Angebot für eine besonders Smartphone-affine Zielgruppe.