Lars Hinz dachte, ihn trifft der Schlag. Beim Öffnen der Bürotür hörte der Inhaber einer Werbeagentur, wie sein neuer Azubi am Telefon sagte: "Herrn Hinz können Sie nicht sprechen. Der ist gerade auf dem Klo." An sich eine zutreffende Aussage. Doch tabu im Business-Bereich. Dort lautet - nicht nur nach Knigge - die Standardinfo in solchen Situationen: "Herr Hinz ist gerade nicht am Platz."
Ähnliche Fauxpas begehen Uniabsolventen und Schulabgänger oft in ihrer Startphase. Auch Peter Schreiber erinnert sich an einen solchen Lapsus, der ihn fast einen Großauftrag gekostet hätte. Noch heute bekommt der Inhaber einer Vertriebsberatung in Ilsfeld eine Gänsehaut, wenn er an eine Präsentation bei einem Neukunden denkt, zu der er einen "Junior-Berater" mitnahm. Die Präsentation verlief spitze - so gut sogar, dass der Firmeninhaber am Schluss sagte: "Wir haben einen Imbiss vorbereitet. Ich lade Sie dazu ein." Schreiber hätte am liebsten einen Freudensprung gemacht. Denn die Einladung zeigte ihm, das Eis war gebrochen. Den Auftrag haben wir vermutlich in der Tasche. Doch bevor Schreiber antworten konnte, erwiderte der Junior-Berater: "Ich würde lieber nach Hause fahren." Und Schreiber? Er wäre am liebsten im Erdboden versunken.
Gute Kinderstube ist keine Garantie
Ähnliche Erfahrungen machen gerade Dienstleistungsunternehmen oft. Ihre Personalverantwortlichen registrieren immer wieder: Selbst bei (Hoch-)Schulabsolventen mit einer guten Kinderstube ist man vor Überraschungen nicht gefeit - denn im Geschäftsleben gelten teils andere Kommunikations- und Verhaltensregeln als im Privatleben. Hinzu kommt: Manches, was früher selbstverständlich war, kann man heute nicht mehr voraussetzen. Dirk Pfister, Dress-Code-Berater aus Mannheim, nennt ein Beispiel: "Führungskräfte erzählen mir oft, dass sie jungen Mitarbeitern vor Kundenbesuchen erst mal die Krawatte binden müssen. Oder, dass sie ihnen sagen müssen: Nehmt was zum Schreiben mit und macht euch Gesprächsnotizen - allein schon, um dem Kunden zu signalisieren: Ich nehme Sie ernst."
- „Vieles wird heute abgefrühstückt mit Kursen für Etikette …
… dabei sollten die Leute einmal lernen, höflich miteinander umzugehen, statt mit Messer und Gabel zu essen.“ - Adolph Freiherr Knigge sagt zur Etikette, …
… dass er die steife Etikette als etwas Unmenschliches ablehnt. Sein Buch „Über den Umgang mit Menschen“ ist etwa 450 Seiten lang und er hat nur einen langen Satz über Etiketteregeln geschrieben. Der ist allerdings über zwei Seiten lang. Darin listet er einfach gängige Verhaltensregeln auf. Er schließt den Satz mit der Bemerkung ab: „Dies sind nur die kleinen Dinge der Welt, aber jeder Mensch soll sich bewusst darüber sein, dass die persönliche zeitliche Wohlfahrt immer wieder von Menschen abhänget, denen diese kleinen Dinge sehr wichtig sind. Von daher wäre es dumm, sie einfach zu missachten.“ - „Versuchen Sie, ein angenehmer Mensch zu sein.“
… rät Moritz Freiherr Knigge: „Denn die Basis für Wertschätzung ist Umgänglichkeit.“ Die Hauptpfeiler für eine wertschätzende Haltung sind nach Knigge … - … Offenheit:
Er sagt: „Interessieren Sie sich für andere, treten Sie ihnen mit Respekt entgegen. Auch eine Klofrau verdient einen Blick, eine Begrüßung, einen Dank. Haben Sie keine Dünkel.“ - … und Maß:
„Der wertschätzende Mensch ist maßvoll, sich seiner selbst bewusst, ohne in sich selbst verliebt zu sein. Sehen Sie die Dinge nicht schwarz-weiß, sondern suchen Sie die goldene Mitte und handeln Sie angemessen. Ungelassenheit etwa ist der Feind der Höflichkeit, das ist unprofessionell. Fangen Sie an, Ihre Emotionen zu kontrollieren. Denn im Stress kommt er wieder heraus, der Höhlenmensch.“ - … und beherztes Handeln:
„Wenn etwas schief läuft, müssen Sie es sagen. Ruhig und freundlich.“ - … und Souveränität:
„Starke Menschen stehen zu ihren Fehlern. Rechtfertigen ist unsouverän. Entschuldigen Sie sich, wenn Sie Fehler gemacht haben. Menschen können verzeihen. Manager, die zu ihren Fehlern stehen, sind souveräne Menschen.“ - „Machen Sie sich Dinge bewusster und …
… Don’t argue with reality. Die Ampel wird nicht rot, nur weil Sie gerade da sind.“ - Das hat Vorteile für das Unternehmen:
„Wenn die Kultur des Unternehmens gut ist, arbeiten die Mitarbeiter besser. Generell setzen Chefs das Klima und beeinflussen die Unternehmenskultur. Nicht umsonst sagt man, ‚Wie der Herr, so des Gscherr‘.“
Weil solche Dinge nicht mehr selbstverständlich sind, haben manche Betriebe in ihre Ausbildung das Thema Benimm integriert. So sind zum Beispiel bei den Finanzdienstleistern Schwäbisch Hall und Union Investment. Benimmseminare und entsprechende Informationsveranstaltungen Teil des Ausbildungsprogramms - "um Fauxpas möglichst von Anfang an zu vermeiden", betont Marion Matter, Ausbildungsleiterin bei Schwäbisch Hall.
Konfliktfeld "Kleiderordnung"
In diesen Seminaren lernen die Azubis nicht, einen Hummer zu sezieren. Auf der Agenda stehen elementarere Fragen - zum Beispiel das Thema, wie man sich angemessen kleidet. Ein Punkt, der in Betrieben ohne starre Kleiderordnung häufig zu Irritationen führt. Pfister: "Wenn alle Männer stets einen blauen Anzug und alle Frauen stets ein graues Kostüm tragen müssen, ist das Thema schnell erledigt. Anders ist es, wenn die Vorgabe lautet: ‚Kleiden Sie sich angemessen.’ Dann können heute beim Besuch einer Werbeagentur Jeans und Sakko okay sein, und morgen beim Besuch einer Bank ist der Anzug Pflicht." Den richtigen Griff in den Kleiderschrank müssen viele Berufseinsteiger noch lernen.
- Stilvolle Business-Kleidung ...
... ist eine hohe Kunst. Lesen Sie unsere Anregungen, um die größten Fettnäpfchen zu vermeiden. - Das hochwertige Sakko
Ein qualitativ hochwertiges Business-Sakko erkennen Sie daran, dass es innen, unten links, über eine Tasche für Visitenkarte verfügt. Außerdem hat das teurere Sakko an den Ärmeln vier statt drei Knöpfe. - Das Sakko sitzt richtig ...
... wenn der Kragen des Sakkos sich unterhalb des Hemdkragens so um den Nacken legt, dass der Hemdkragen etwa eineinhalb Zentimeter übersteht. Unter dem Kragen dürfen keine Falten auftreten, sonst wirkt das Sakko zu eng oder zu weit. - Hemdsärmelig?
Der Ärmel des Sakkos ist eineinhalb Zentimeter kürzer als der Hemdsärmel und reicht bis zum Knochen des Handgelenks. - Seriös wirken
Der korrekte Anzug für den Job hat einen dunklen Farbton. - Das Detail macht den Unterschied
Ein Haifischkragen wirkt deutlich schicker als der gute alte Kentkragen. - Schlichtweg unmöglich ...
... sind Button-down-Hemden in der Führungsetage oder bei Geschäftsveranstaltungen. - Details, Teil 2
Eine Krawatte ist ein Statement. Binden Sie diese deshalb ordentlich, wobei der oberste Hemdknopf geschlossen wird. - Kariert oder gestreift?
Wenn Sie gemusterte Hemden bevorzugen, entscheiden Sie sich für ein unauffälliges Design oder klassische Streifen bei der Krawatte. - Von Kopf bis Fuß
Nichts ruiniert Ihr Outfit schneller, als ein stilloser oder vernachlässigter Schuh. Mit den Klassikern (Oxfords und Brogues) liegen Sie immer richtig. - Farbkombis
Zu schwarzen Anzügen trägt man weder braune Gürtel noch braune Schuhe. Zumindest nicht als Deutscher. Italiener kriegen auch diese Kombi chic hin. - Weniger ist mehr.
Zu einem Nadelstreifenanzug wählen Sie immer ein einfarbiges Hemd. - Noch ein No-Go ...
....sind nackte Männerwaden! Das geht nur beim Sport! Achten Sie darauf, dass die Socken auch beim Beinüberschlag keine Haut zeigen. Auf Nummer Sicher gehen Sie dabei mit Kniestrümpfen. - Ein Mann ist ein Mann ...
... Schmuck ist deshalb im Business-Umfeld nach wie vor nicht akzeptiert. Hier sollten sich Herren auf maximal ein bis zwei Ringe und eine Armbanduhr beschränken. - Manchmal geht auch leger
Bei Geschäftsessen oder zum Drink nach Feierabend darf die Krawatte auch mal fehlen. - Drauf reingefallen?
Business Casual als Dresscode suggeriert zwar einen Freizeit-Look, jedoch nur im angemessenen Rahmen: Jeans sind absolut tabu, ebenso wie Shorts oder offene Schuhe. - Für Fortgeschrittene
Business Casual, Teil 2: Stilvoll sind Polohemden, farbige Oberhemden und/oder feine Strickpullover in Kombination mit Baumwoll- oder Cordhosen.
- Knitterfreier Stoff
Wählen Sie einen Stoff für Kostüm oder Anzug aus, der nicht schnell knittert. Prüfen Sie beim Kauf, ob sich der Stoff schnell wieder glättet. - Mantellänge
Mäntel sollten länger als der Rocksaum sein. Ist das nicht möglich, tragen Sie einen Mantel/Jacke, die deutlich (über zehn Zentimeter) kürzer ist als der Rock. - Schmuck
Kombinieren Sie nie Modeschmuck mit echtem Schmuck! Weniger ist mehr: Eine schlichte, dezente Goldkette ist perfekt für den Business-Look. - Accessoires
Denken Sie an Ihre Außenwirkung! Faustregel: Verzichten Sie auf verspielte und kindliche Accessoires im Business. Ein Seidentuch schützt nicht nur vor Klimaanlagen, sondern auch vor Blicken in den Ausschnitt. Aber bitte keine dicken Wollschals zum Büro-Outfit tragen, auch wenn Schals derzeit Trend sind. - Ihr Kleidungsstil muss zum Unternehmen passen
Überprüfen Sie Ihren Kleiderstil dahingehend, ob er mit der Kernaussage des Unternehmens, für das Sie arbeiten, übereinstimmt. - Gesamteindruck
Erfüllen Sie in Ihrer Kleiderwahl mehr als nur "die Pflicht"! Sorgsamkeit bei Frisur, Make-up und Accessoires zahlen sich aus. - Blusenkragen
Der Blusenkragen wird normalerweise unter dem Blazer getragen. Um einen zu harten Kontrast im Winter zwischen Anzug und (blassem) Gesicht zu vermeiden, kann der Kragen aber auch über dem Blazer getragen werden. - Ton in Ton
Arbeiten Sie bei der Wahl Ihrer Garderobe mit Ton-in-Ton-Kombinationen. Das heißt - zumindest im Business: ohne große Kontraste. So fallen kräftige Körperpartien weniger auf. - Dunkle Farbtöne
Je dunkler Sie die Farbe Ihres Outfits wählen, desto seriöser wirken Sie. - Ihren Typ unterstreichen
Die Farbe, die Ihren Typ unterstreicht, sollte möglichst in der Nähe Ihres Gesichts sein (z. B. Bluse oder Tuch).
Ein weiteres Thema vieler Benimmseminare ist das Verhalten am Telefon. Dem Nachwuchs wird zum Beispiel vermittelt, dass es nicht kundenorientiert wirkt, wenn man am Telefon zu Kunden sagt: "Dafür bin ich nicht zuständig." Kundenorientierter ist die Aussage: "Da weiß ich nicht Bescheid. Ich kümmere mich aber darum, dass ..."