Digital Workplace

Bei der Swiss Re ist SharePoint kein technisches Projekt

07.06.2017
Von 
Silvia Hänig ist Kommunikationsberaterin und Geschäftsführerin der iKOM in München.
Kollaborativ, vernetzt und agil soll sie sein, die Traumorganisation – das denken auch die IT-Verantwortlichen der Swiss Re, einem der drei führenden Rückversicherer weltweit. Über eine intelligente Vernetzung sollen alle Mitarbeiter Teil eines Wissenskonzerns werden.

Für die Swiss Re arbeiten allein 14.000 Mitarbeiter auf fünf Kontinenten rund um die Uhr daran, verlässliche Risikoeinschätzungen für sich rasant wandelnde Märkte abzugeben. Die Palette der Schadensfälle, die der Konzern absichert, reicht von Naturkatastrophen über Brände bis hin zu der Prognose, wie sich unser Gesundheitssystem in den nächsten zehn Jahren entwickeln wird. Auch Technologietreiber wie das Internet der Dinge (IoT) kommen als neue Aufgabenbereiche hinzu: "Diese Art Risiko unterscheidet sich grundlegend von den Risiken, wie wir sie noch vor zwanzig Jahren hatten," macht Rainer Baumann, Chief Information Officer von Swiss Re, deutlich.

Sir Norman Foster baute einst für die Swiss Re das zentrale Gebäude in London, das der Volksmund liebevoll "die Essiggurke" nannte. Heute gehört "The Gherkin" einem brasilianischen Milliardär.
Sir Norman Foster baute einst für die Swiss Re das zentrale Gebäude in London, das der Volksmund liebevoll "die Essiggurke" nannte. Heute gehört "The Gherkin" einem brasilianischen Milliardär.
Foto: Thamer Altassan - shutterstock.com

Demzufolge müssen die Mitarbeiter das Internet der Dinge und dessen Einfluss als "transformierenden Faktor" auf das Tagesgeschäft vieler Firmen erst einmal verstehen lernen. Dafür fließen Tag für Tag relativ ungeordnet vielfältigste Informationen zwischen den Versicherungs-Spezialisten hin und her. Der IT-Chef möchte Struktur in diesen Prozess hineinbringen. "Das Gros dieser Daten ist noch unstrukturiert und ohne Bezug. Um sie zu verstehen, müssen wir sie in einen bestimmten Kontext setzen," erläutert er. Sein erklärtes Ziel ist es, über eine intelligente Datenanalyse die Kundenbedürfnisse besser zu verstehen und ihnen digitale Services bereitstellen zu können.

Collaboration-Tools müssen als sinnvoll wahrgenommen werden

Aber um allen Adressaten auf ihren verschiedenen Endgeräten relevante Daten zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stellen zu können, müssen Kollaborationsplattformen, IT-Services und mobile Devices nahtlos ineinandergreifen. Mehr noch: Sie müssen nicht nur technisch harmonieren, sondern in dieser technischen Konstellation auch als Mehrwert vom Mitarbeiter wahrgenommen werden. Denn in der Kombination aus technischen Hilfsmitteln, den richtigen Datensätzen und natürlich der zielführenden Risikoeinschätzung liegt für Baumann die wahre strategische Kompetenz auf dem Weg zum Wissenskonzern.

Um das zu erreichen, unterteilte Swiss Re sein Projekt in unterschiedliche Meilensteine. Dabei wurden als Schwerpunkte für den Digital Workplace die Verbesserung der Informationsstrukturen (Informationssuche, Streaming, Document Sharing) und möglichst einfache Konversationsmöglichkeiten (z.B. E-Mail) - unterstützt durch entsprechende Kollaborations-Tools (SharePoint) - definiert. Man wollte weg von stringent durchgeplanten Projekteinheiten, hin zu einer offenen Kommunikationsstruktur. Für die IT-Organisation bedeutete das, die bisher eingesetzten Tools in Hinblick auf dieses Ziel zu prüfen.

Viele Systemwechsel sorgten für Unmut

Unter der Leitung von Jochen Kleinschnittger, Senior Enterprise Architect und Vice President bei Swiss Re, machte sich die Abteilung daran zu verifizieren, welche Qualität die Kommunikation unter dem Einsatz vorhandener oder alternativer Plattformen überhaupt hatte. Oberstes Gebot dabei: Ein technischer Change darf nicht dazu führen, die Mitarbeiter in ihrer Arbeit zu stören oder sie gar davon abzuhalten. In den vergangenen Jahren hatte die Swiss Re bereits einige Systemwechsel hinter sich, die nicht immer zur Arbeitserleichterung der Mitarbeiter beitrugen. Das Unternehmen stellte die E-Mail-Kommunikation von Lotus Notes auf Outlook um, anschließend wurde SharePoint 2013 eingeführt und aktuell wird auf SharePoint 2016 umgestellt.

Dieser ständige Wechsel blieb nicht ohne Folgen für die Produktivität der Mitarbeiter. Viele wollten nicht mehr so arbeiten, wie es die IT vorschlug. Nur eine verschwindend geringe Anzahl nutzte die SharePoint-Oberfläche nach dem letzten Roll-out noch. "SharePoint als rein technisches Projekt einzuführen, war ein Fehler", blickt Kleinschnittger zurück. "Wir brauchten eine Lösung, die den Mitarbeitern als ruhender Pol mitten im Change-Sturm diente". Alles andere wäre für ihn kein wirklicher Schritt Richtung Digital Workplace gewesen. Hier kam es vor allem darauf an, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, seine Informationsansprüche zu adressieren und alles was an technischen Neuerungen notwendig war, im Hintergrund zu halten.

E-Mails auf Knopfdruck in Sharepoint-Ordner hochladen

Ein Teil der Lösung wurde dem langjährigen Softwarepartner Harmonie übertragen. Das Unternehmen war bereits für die Integration von Plug-ins für die E-Mail-Accounts der Lotus-Notes-Umgebung zuständig gewesen. Diese Funktion - der einfache Upload von E-Mail und Anhängen in die SharePoint-Umgebung auf Knopfdruck - sollte den Austausch von Dokumenten und Dateien im gesamten Informationsfluss auf der Plattform merklich erleichtern. Tatsächlich wurde dieses Ziel erreicht: Während im Hintergrund technische Weiterentwicklungen stattfanden, musste der Nutzer sich nicht ständig auf neue Browser oder Interfaces einstellen, sondern konnte über diese Oberfläche weiterhin alle für ihn relevanten Informationen erhalten.

Unterstützend arbeitete Swiss Re noch mit klar nutzenorientierten Use Cases. Konkret wurden dabei Workflows abgebildet, die neue technologische Funktionen beinhalteten, aber ohne dass sie vom Nutzer als solche wahrgenommen wurden. Ging es beispielsweise um neue Verträge, die in der SharePoint Library abgelegt waren, konnte der Initiator über den E-Mail Client gezielt bestimmte Personen einladen, um über den Inhalt zu diskutieren. Dieses Vorgehen steigerte die Nutzerakzeptanz und trug dazu bei, mehr und mehr Workflow über SharePoint abzubilden.

iOS-Geräte erfolgreich eingebunden

Damit das Ganze auch über den mobilen Zugriff funktionierte, bediente sich Swiss Re der technischen Lösung von MobileIron. Dieses Tool schlug die Brücke zwischen Sharepoint und dem iOS-Betriebssystem, wodurch Sharepoint auf der Beliebtheitsskala der Mitarbeiter um ein Vielfaches stieg. Um die User Experience ganz im Sinne des Mitarbeiters weiterzuentwickeln, will das Team um Kleinschnittger in den kommenden Jahren die jetzige Kollaborationsumgebung sukzessive auf den Cloud-Betrieb umstellen - was sich für einen Rückversicherer mit strengen regulatorischen Vorgaben nicht ganz einfach gestalten dürfte.

Dennoch ist es ein wichtiger nächster Schritt auf dem Weg zum Digital Workplace, auf dessen Basis sich dann hoffentlich die Expertenteams weltweit noch schneller und effektiver zur direkten Risikoeinschätzung zum Internet der Dinge austauschen können.

Wie der Digital Workplace das Business der Swiss Re beflügeln sollen:

  • Wettbewerbsvorteile schaffen: intelligentes Zusammenspiel kollaborativer, mobiler und analytischer Möglichkeiten, um Geschäftsprozesse zu verändern beziehungsweise zu beschleunigen;

  • Produktivitätssteigerung: über eine intelligente, kontextbezogene Datenanalyse den Mitarbeitern die richtigen Informationen zur richtigen Zeit verfügbar machen. Sie sollen relevante Daten zur verbesserten Risikoeinschätzung jederzeit über ihre Devices in einem nutzerfreundlichen Format abrufen können.

  • Integrierte Kommunikation: über Kollaborations-Tools eine gesicherte, integrierte und nahtlose Zusammenarbeit zwischen fachübergreifenden Teams ermöglichen. Document Sharing, Experten-Austausch und weitere gemeinsame Entwicklungen innerhalb der kollaborativen Umgebung sollen dazu führen, dass Swiss Re seinen Kunden schneller passgenaue digitale Services zur Verfügung stellen kann.