Bürger helfen Bauern

BayWa-Plattform für den Artenschutz

02.06.2021
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Der Agrarkonzern BayWa hat eine Blockchain-basierte Plattform eingerichtet, auf der Konsumenten Landwirte finanziell dabei unterstützen können, Blühwiesen anzulegen.
BayWa-Projekt Blühpatenschaften: Auf der Blockchain-Plattform combayn.de finden Bürger, die bereit sind für Blühflächen einen kleinen Obolus zu entrichten, mit Landwirten zusammen.
BayWa-Projekt Blühpatenschaften: Auf der Blockchain-Plattform combayn.de finden Bürger, die bereit sind für Blühflächen einen kleinen Obolus zu entrichten, mit Landwirten zusammen.
Foto: pippeeContributor - shutterstock.com

Landwirte haben es schwer. Die Bevölkerung erwartet, dass Tiere artgerecht gehalten und Pflanzen nachhaltig und idealerweise ökologisch angebaut werden. Bauern sollen höchste Qualität liefern, gleichzeitig wollen die Konsumenten wenig für Lebensmittel zahlen und am Wochenende durch Blumenwiesen und Bienenweiden radeln. Ihr Geld verdienen die Landwirte aber mit Nutzpflanzen wie Gerste, Weizen und Raps, oft auch dem vielgeschmähten Mais, der als Viehfutter und Energiepflanze für Biogasanlagen unentbehrlich ist.

Dieser Konflikt ist kaum lösbar, und doch hat sich die BayWa AG aus München etwas einfallen lassen, um der "zunehmenden Entfremdung zwischen Landwirtschaft und Konsument" zu begegnen. Das BayWa Tochter-Unternehmen BayWa IT GmbH entwickelte gemeinsam mit dem Technologie-Startup-Partner Youki GmbH die digitale Plattform Combayn, auf der Privatpersonen, Unternehmen und Organisationen "Blühpatenschaften" übernehmen können. Sie zahlen dort Kleinstbeträge ab einem Euro ein, und angeschlossene Landwirte wandeln im Gegenzug für die Zahlung einen Teil ihrer Ländereien in Blühflächen um. Dafür besonders geeignete Flächen können über die Auswertung von Satellitenbildern vorgeschlagen werden.

Die Gründe für die Blockchain-Lösung

Mit ihrer Plattform begeisterte die BayWa IT die Jury des DIGITAL LEADER AWARD 2021 (DLA) - auch weil die Aufgabe sich als komplexer herausstellte als ursprünglich gedacht. Da es wenige große und viele kleine Förderer gibt, ist die Anzahl der Verträge und Bezahlvorgänge zwischen den Unterstützern und den angeschlossenen Landwirten hoch. Deshalb entschied sich das BayWa-Team in diesem Projekt für die Blockchain-Technologie, mit der sich das Szenario einfach und fälschungssicher umsetzen ließ.

"Warum Blockchain? So etwas lässt sich technisch auch anders abbilden" - mit diesem Einwand war das Team von Beginn an häufig konfrontiert. Tatsächlich forderte die Technologie zunächst die insgesamt 14 Firmen mit 95 am Projekt beteiligten Personen. Am Ende erwies sich die Blockchain aber als ein Trumpf in der Projektumsetzung, da es gelingt, viele Transaktionen mit etlichen Beteiligten bei geringem Aufwand automatisiert abzuarbeiten. Zudem werden Projektfortschritte, Blühstatus und Zahlungsabläufe transparent auf combayn.de dokumentiert. Die Landwirte haben kaum Administrationsaufwand und können auch kleine Flächen für das Geschäft mit Blühpatenschaften bereitstellen.

BayWa IT arbeitet mit Startup Youki zusammen

"Die Kombination aus Nachhaltigkeit, Transparenz und Blockchain-Technologie ist neu", sagt Tobias Fausch, CIO der BayWa AG und Geschäftsführer der BayWa IT GmbH. Es habe keine Blaupausen aus vorhergehenden Projekten gegeben. Deshalb hatte die BayWa IT eine neue Organisationseinheit eingerichtet, die das Projekt gemeinsam mit einem hinzugezogenen Technologie-Startup vorantreiben sollte. Das brachte Herausforderungen mit sich: Agile Vorgehensweise und die klare Aufgabenteilung zeigten ihre Fortschritte zunächst in unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

Auch war es für die Beteiligten neu, ein IT-basiertes Geschäftsmodell voranzutreiben, zumal Vertrieb, Marketing und Kommunikation neu aufgebaut werden mussten. Immerhin sollte die Plattform combayn.de nicht nur technisch eingerichtet, sondern auch als Marke geschaffen werden, die Themen wie Nachhaltigkeit, Artenschutz und Transparenz in den Mittelpunkt stellt.

Wie für viele andere Unternehmen war auch für das BayWa-Team die Corona-Pandemie ein Hindernis. Die zuständige Organisationseinheit konnte vom Beginn im März 2020 an kein physisches Treffen arrangieren, die Beteiligten mussten sich über Videokonferenzen finden.

Im Oktober 2020 konnte combayn.de an den Start gehen. Die Technologieplattform Blockchain war nur Mittel zum Zweck. Erst einmal ging es vor allem darum, dass "Produkt Blühfläche" in den Fokus zu stellen und intern sowie nach außen hin den Sinn des Vorhabens zu verdeutlichen, um möglichst viele Interessierte ins Boot zu holen.

Kulturwandel in der eigenen Organisation

Dazu mussten sich die beteiligten IT-Profis der BayWa auch selbst verändern. "Wir erlebten während der Projektlaufzeit einen Kulturwandel in der eigenen Organisation: Loslassen als IT-Konzerndienstleister und Ankommen als serviceorientierter Drittmarktanbieter. Das ist uns gelungen, indem wir ein Vertriebs-, Marketing- und Kommunikationsteam aufgebaut haben, das seine Wurzeln nicht in der IT hat", sagt Fausch. Auch seien Fach- und Corporate-Einheiten der Muttergesellschaft von Beginn an eingebunden gewesen, was den Erfolg deutlich beflügelt habe.

Für die BayWa hat das Projekt eine Signalwirkung: Neue Anforderungen in Sachen Artenschutz, Nachhaltigkeit und Regionalität verpflichten die IT nun häufiger, ihre Trümpfe auszuspielen und neue Produkte und Services zu entwickeln. Das Thema Blühfläche, fokussiert auf Privatpersonen auf Basis der Combayn-Plattform, war nur der Anfang; aktuell hinzu kommt eine verstärkte Ausrichtung auf Firmenpatenschaften. Die horizontale Erweiterung der Combayn-Plattform in Richtung Baumpatenschaften ist ebenfalls geplant.

Die Blockchain-Plattform baut eine Brücke zwischen Landwirt und Verbraucher. Schon mit kleinsten Beträgen können Verbraucher so einen Beitrag zu mehr Artenvielfalt und Klimaschutz zu leisten - auch ohne eigenen Garten oder Balkon.