"Digitalisierung ist das Schicksal", orakelte Hans Michael Strepp, Amtschef im Bayerischen Staatsministerium für Digitales, anlässlich der Eröffnung des bidt. Er lehnte sich damit an einen Spruch von Napoleon an, der gesagt hatte "Es gibt kein Schicksal. Die Politik selbst ist das Schicksal." Laut Strepp ist die Digitalisierung aber ebenso wie die Politik vor allem eine Gestaltungsaufgabe.
Nicht nur in der Wirtschaft, auch in der Verwaltung rücke mit der Digitalisierung die Kunden- beziehungsweise Nutzerperspektive in den Vordergrund. Es gehe um neue digitale Services für den Bürger - nicht darum, die Bürokratie, so wie sie ist, zu digitalisieren. Wie in der Wirtschaft gingen auch in den Behörden die Zeiten zu Ende, in denen alles mittel- und langfristig planbar schien und das Wasserfall-Denken die Projektorganisation dominierte.
Ausprobieren statt planen
"Wir müssen uns daran gewöhnen, dass in der Digitalisierung am Anfang vieles unklar ist", sagte Strepp. Wer sich auf agile Arbeitsmethoden, iteratives Vorgehen und Denken in Produkten statt in Projekten einlasse, wisse, dass er den riskanteren Weg wähle und manche Ergebnisse in der Tonne landen könnten. Solches Denken in eine Haushaltsverhandlung einzubringen, sei alles andere als einfach. Es führe aber kein Weg daran vorbei, "Verwaltung neu zu denken".
Alexander Pretschner, der Vorsitzende des bidt-Direktoriums, nahm den Ball auf und veranschaulichte - ein wenig holzschnittartig, wie er zugab - die unterschiedlichen Denkschulen in der alten und der neuen Welt. In den Vereinigten Staaten werde fortschrittsfreundlicher agiert, indem zuerst Neues entstehen könne und erst danach die Rahmenbedingungen definiert und bei Verstößen mitunter harte Strafen ausgesprochen würden. "Es ist kein Zufall, dass agile Methoden in den USA besonders schnell vorangekommen sind", so Pretschner.
Amerikanische Abenteuerlust, europäische Vorsicht
Die europäische und deutsche Kultur sei - möglicherweise geprägt von einer langen, von Kriegen geprägten Geschichte - zunächst abwartend und skeptisch. Man wäge gründlich ab und plane von langer Hand. Dieser Ansatz habe sich ebenfalls bewährt, etwa wenn es um den europäischen Datenschutz gehe, der längst auch in anderen Regionen der Welt und in den USA Anklang finde. "Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte", sagte Pretschner.
Dennoch ist der digitale Wandel nicht aufzuhalten, und mitgestalten will ihn das bidt zunächst in dreierlei Hinsicht:
als interdisziplinäre Forschungseinrichtung, die Wissenschaftlerteams aus ganz Bayern zusammenführen soll, um technischen, ökonomischen, rechtlichen, sozialwissenschaftlichen und ethischen Fragestellungen nachzugehen. Dabei sollen zunächst Wirtschaft und Arbeitswelt, Medien und Öffentlichkeit sowie Bildung und Recht im Mittelpunkt der Bemühungen stehen,
als Think Tank, der Berichte und Analysen über aktuelle Entwicklungen und Trends erstellen und einen besonderen Schwerpunkt auf das Thema Datennutzung und -pflege legen soll und
als Dialoginstanz, die aufklären und den Austausch mit den Akteuren des gesellschaftlichen Wandels fördern soll.
"Aktives Gestalten bedarf einer rationalen Grundlage und keiner Panikmache", sagte Pretschner, "dazu brauchen wir das Miteinander und die kollektive Intelligenz von Technikern, Juristen, Ökonomen, Politikwissenschaftlern, Soziologen, Philosophen und vielen anderen." Man wolle nicht zuletzt der drohenden digitalen Spaltung entgegenwirken und die Menschen ermächtigen, selbst fundierte Entscheidungen zu treffen anstatt sich immer nur auf die neuesten technischen Entwicklungen aus dem Silicon Valley zu verlassen.
Für die Arbeit des bidt stellt der Bayerische Landtag ab 2020 mehr als 20 Planstellen und jährlich rund 6,2 Millionen Euro zur Verfügung. Der größte Teil des Geldes soll in Förderprojekte investiert werden, die in ganz Bayern laufen sollen. Eine erste Ausschreibung dafür wurde bereits gestartet.
Europas Weg ist ein anderer
Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing und Direktoriumsmitglied des bidt, mahnte in ihrer Keynote, den Anschluss nicht zu verlieren. Zwischen China und den USA müsse Europa alles dafür tun, einen dritten Weg in der Gestaltung der digitalen Transformation zu finden. Dazu zählten Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, föderale Strukturen und das Verfügungsrecht der Bürger über ihre Daten.
"Datenschützer sind Verteidiger unserer Freiheitsrechte gegenüber Staat und Unternehmen", so die Professorin. Als beratende Einrichtung werde das bidt Politik und Gesellschaft bei der Gestaltung der digitalen Transformation unterstützen und auch seine internationalen Kontakte nutzen.
Folgende Wissenschaftler bilden das Direktorium des bidt (die ersten vier bilden den Geschäftsleitenden Ausschuss): Alexander Pretschner, Andreas Boes, Dietmar Harhoff, Thomas Hess, Felix Freiling, Dirk Heckmann, Lisa Herzog, Eric Hilgendorf, Ursula Münch und Julian Nida-Rümelin.