Palantir-Software mit realen Daten

Bayerische Polizei testet Schnüffelsoftware

30.11.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Analysesoftware von Palantir arbeitet in Bayern offenbar mit echten Personendaten. Das Vorgehen der Polizeibehörden alarmiert Datenschützer und Opposition im Landtag.
Das LKA in Bayern testet seine Schnüffelsoftware offenbar mit Daten real existierender Menschen.
Das LKA in Bayern testet seine Schnüffelsoftware offenbar mit Daten real existierender Menschen.
Foto: fizkes - shutterstock.com

Das bayerische Landeskriminalamt (LKA) testet offenbar seit Monaten eine umstrittene Analyse-Software mit echten Personendaten. Das geht aus einem Bericht des Bayerischen Rundfunks (BR) hervor. Basis für das Projekt VeRA (Verfahrensübergreifendes Recherche- und Analyse-System) bildet Software des US-Herstellers Palantir. Damit sollen sich Daten aus verschiedenen Polizei-Datenbanken verbinden und auswerten lassen. Anhand von so entdeckten Querverbindungen, Mustern und Personenprofilen ließen sich Verbrechen und Straftaten schneller aufklären, so die Hoffnung der Behörden.

Das bayerische Innenministerium hat dem BR bestätigt, dass das LKA in München VeRA schon seit März 2023 mit Daten real existierender Personen testet. Diese Praxis verstoße nicht gegen Datenschutzgesetze, behauptet die bayerische Staatsregierung. "Die testweise Datenverarbeitung wird nicht für polizeiliche Zwecke genutzt, sie dient lediglich der internen Prüfung der Anwendung. Eine gesonderte Rechtsgrundlage im Polizeiaufgabengesetz (PAG) ist nicht erforderlich", zitiert der Sender aus einer schriftlichen Stellungnahme des Innenministeriums.

Testbetrieb kann zum veritablen rechtlichen Problem werden

Das sieht der bayerische Landesbeauftragte für Datenschutz, Thomas Petri, anders. Er bezweifelt, dass es für den Testbetrieb der Palantir-Software eine rechtliche Grundlage gibt. Wenn die Polizei bei einem solchen Test Hinweise auf Straftaten erhalte, müsse sie Behörden dem nachgehen, erläutert der Datenschützer gegenüber dem BR. "Dann wird der Testbetrieb zum veritablen rechtlichen Problem, weil die Polizei ja eigentlich nicht die Rechtsgrundlage hat, VeRA zu betreiben."

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Bayern hatte die Palantir-Software bereits im vergangenen Jahr eingekauft. Dem Innenministerium zufolge wurden für Die Lizenzen rund 13,4 Millionen Euro ausgegeben. Der Rahmenvertrag sieht vor, dass sich auch Polizeibehörden des Bundes und anderer Bundesländer an diesen Vertrag anhängen können, ohne separate Ausschreibungen starten zu müssen.

Bundesverfassungsgericht erklärt Polizeigesetze für rechtswidrig

Bislang wurde daraus allerdings nichts. Bundesinnenministerin Nancy Faeser lehnte den Einsatz des Palantir-Systems bei der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt wegen datenschutzrechtlicher Bedenken im Sommer 2023 rundweg ab. Zuvor hatte im Februar dieses Jahres das Bundesverfassungsgericht die Polizeigesetze in Hessen und Hamburg, die einen erweiterten Einsatz von Analysesoftware möglich machen sollten, für verfassungswidrig erklärt. In Hessen nutzte die Polizei mit HessenData ein Analysesystem, das ebenfalls auf Palantir-Software basiert.

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Die Verfassungsrichter bemängelten, dass durch die per Polizeigesetz legitimierte massenhafte und automatisierte Datenanalyse auch unschuldige Personen ins Fadenkreuz von Ermittlungen geraten könnten. Darüber hinaus sei die Verknüpfung und Anreicherung der Datensätze mit weiteren Informationen, beispielsweise aus dem Social Web, bedenklich, weil sich damit detaillierte Profile erstellen ließen. Das greife in die informelle Selbstbestimmung und damit die Grundrechte der Menschen ein.

Palantir - Thema im bayerischen Landtag

In Bayern droht jetzt deswegen Ärger. Der Datenschutzbeauftragte Petri will das Vorgehen des LKA genau prüfen. Es gehe um die Frage, ob mit dem Testbetrieb eine rechtliche Befugnis vorweggenommen werde. Der SPD-Abgeordnete Horst Arnold im bayerischen Landtag hält das Vorgehen der Behörden laut BR-Bericht für "rechtlich äußerst grenzwertig". Personenbezogene Daten dürften nur erhoben werden, wenn eine gesetzliche Grundlage dafür vorliege. "Man spricht auch von einer Zweckbindung", so Arnold. "Ein Probebetrieb als Zweckbindung ist im Gesetz bislang nicht bekannt." Er kündigte an, die SPD werde den Vorgang im Landtag thematisieren.