Eine Umfrage der Karriereberatung Runstedt hat ergeben, dass 60 Prozent der Teilnehmer Stress und Leistungsdruck als Kündigungsgrund anführen. Wie können Unternehmen also ihre immer wertvoller werdenden Mitarbeiter längerfristig halten und besser einbinden?
Die Lösung klingt banal: Sie sollten ihnen schnellstmöglich die tägliche Arbeit erleichtern. Insbesondere eine Entlastung von wiederkehrenden Routineaufgaben und eine Senkung des täglichen Workloads sind angesagt. Darüber hinaus sollten Teams in ihrem Arbeitsalltag schnell und unkompliziert Hilfe bei auftretenden Problemen erhalten. Und genau an dieser Stelle kommt das viel diskutierte Thema Digitalisierung ins Spiel: Richtig eingesetzt, schaffen Künstliche Intelligenz (KI), Robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) und Enterprise Service Management (ESM) den notwendigen Freiraum, um Innovationen effizient umsetzen zu können.
Automatisierung von Routineaufgaben
Viele Mitarbeiter kennen das Phänomen: Aufgrund fehlender Fachkräfte wird die eigene Aufgabenliste immer länger während gleichzeitig Erwartungs- und Leistungsdruck steigen. Besonders deutlich wird dies überall dort, wo Geschäftsprozesse abgewickelt und Serviceleistungen erbracht werden. Richtig eingesetzt kann Automatisierung Unternehmen und Mitarbeitern gleichermaßen helfen - sei es im Einkauf, bei der Abwicklung von Bestellprozessen, dem Handling von Rechnungen als auch in den Bereichen Service Management und Support.
Laut Ergebnissen einer Studie der Information Services Group (ISG) lässt sich der Workload eines Vollzeit-Mitarbeiters durch Robotergestützte Prozessautomatisierung um bis zu 43 Prozent senken. Bei Prozessen rund um das Personalwesen sind es 32 Prozent.
Standardisierung von Geschäftsprozessen
Voraussetzung dafür sind klar strukturierte Daten, eine Standardisierung von Geschäfts- und Serviceprozessen sowie die Auswahl der richtigen Tools. Organisationen müssen dazu das Rad keinesfalls neu erfinden, sondern können auf eine Sammlung von Best Practices zurückgreifen, die sich in den vergangenen Jahren bewährt haben. Dabei hilft ihnen die Information Technology Infrastructure Library (ITIL): Leistungen werden als Services verstanden und lassen sich sehr effizient planen, implementieren, liefern und kontrollieren. Sie können sogar in IT-fremden Bereichen eingeführt werden - wie beispielsweise in der Buchhaltung oder im Personalwesen.
Deren Services liefern Daten für andere Abteilungen und diese wiederum Resultate für externe Kunden - und unterstützen somit das eigentliche Geschäftsmodell der Organisation. Auch hier liegt der Nutzen für viel beschäftigte Mitarbeiter auf der Hand: Sie sparen Zeit, können im Unternehmen vorhandene Informationen nutzen und so die Leistungsfähigkeit ihres Geschäftsbereiches verbessern. Zur praktischen Umsetzung stehen digitale Plattformen verschiedenster Anbieter zur Verfügung, mit deren Hilfe Unternehmen Leistungen im eigenen Haus bereitstellen oder bei Bedarf die Services von Drittanbietern nutzen können. Auch dort werden Menschen von Routineaufgaben entlastet - von einem "Jobkiller" kann also keine Rede sein.
Effizienteres IT-Management
Mitarbeiter von IT-Abteilungen müssen rund um die Uhr den reibungslosten Betrieb komplexer IT-Infrastrukturen sicherstellen. Angefangen vom Server über Storage-Systeme bis hin zu Netzwerkkomponenten und Sicherheitslösungen müssen sie eine Vielzahl unterschiedlicher Komponenten managen und kontinuierlich überwachen. Die Herausforderung: Tritt ein Problem auf, müssen sie sich mit dem betreffenden System verbinden, Fehler identifizieren und deren Behebung starten. Trotz vorhandener Monitoring-Tools kommen entsprechende Vorfälle oft überraschend und können oft nicht ohne die Hilfe Dritter gelöst werden.
Technologien wie Künstliche Intelligenz können hier sinnvoll unterstützen: Entsprechende Lösungen grenzen Fehler automatisiert ein, kategorisieren sie und leiten sie an die zuständigen Techniker weiter - oder beheben sie zum Teil sogar eigenständig. Ansätze wie Predictive Maintenance helfen zudem, Wartungsbedarf zu erkennen, bevor es zu wirklichen Problemen kommt. In der Industrie wird dieses Verfahren bereits eingesetzt: Wenn ein stark beanspruchtes Bauteil einer Machine kurz vor dem Ausfall steht, erhalten Techniker eine Warnung und können diese zeitnah bestellen und rechtzeitig auszutauschen.
- Lars Schwabe (Associate Director bei Lufthansa Industry Solutions
„Die Erfolgsquote von Predictive-Analytics-Projekten ist gestiegen, da die Firmen endlich die notwendigen Vorarbeiten geleistet haben, beispielsweise die Schaffung von modernen Datenarchitekturen. Außerdem sind inzwischen sowohl das Personal fachkundiger und die Tools besser geworden." - Daniel Eiduzzis (Solution Architect Analytics bei Datavard)
„Technisch müssen sich die Unternehmen öffnen und sollten sich nicht sklavisch einem Hersteller verpflichten. Heute geht es vielmehr darum, in Abhängigkeit vom jeweiligen Use Case das ideale Instrument zu identifizieren, mit dem die Fragestellungen bestmöglich bedient werden. Daher kann ein Best-of-Breed Ansatz hier sinnvoll sein.“ - Jan Henrik Fischer (Bereichsleiter Business Intelligence & Big Data bei Seven Principles)
„Mit Methoden der Predictive Analytics und der parallel weiter steigenden Digitalisierung werden wir Prozesse besser verstehen. Dies wird ausnahmslos alle Bereiche eines Unternehmens betreffen. Das größte Potenzial liegt dabei sicherlich in der Optimierung der Kundenprozesse. Durch ein tieferes Verständnis für seine Bedürfnisse werden wir in der Lage sein, den Kunden effizienter und besser zu bedienen sowie seine Loyalität zu steigern.“ - Vladislav Malicevic (Vice President Development & Support bei Jedox)
„Viele Unternehmen experimentieren bereits seit längerem mit Predictive Analytics. Bislang mangelte es oft an konkreten Anwendungsfällen mit einem klaren Mehrwert, dem sogenannten Business Case. Aber die nächste Phase im Technologie-Lebenszyklus hat bereits begonnen, und Firmen führen nicht mehr nur rein innovationsgetriebene Experimente durch. Sie verknüpfen Predictive-Analytics- und KI-Projekte zunehmend mit einem bereits im Vorfeld klar definierten Mehrwert für bestimmte Fachbereiche oder Geschäftsprozesse, inklusive der erwarteten Ergebnisse und den möglichen Auswirkungen auf bisherige Prozesse.“
Auf den IT-Betrieb übertragen bedeutet das: Jeder korrekt vorhergesagte und korrigierte Fehler bedeutet potenziell hunderte weniger Alarme, einige Dutzend weniger Incidents, die vom Support zu bearbeiten sind sowie mindestens eine Notfall-Eskalation weniger im Bereich IT Operations Management.
Fazit: Durch Automatisierung gewinnen alle
Tägliche Routineaufgaben lassen sich Stand heute bereits in vielen Bereichen automatisieren. Die frei gewordene Zeit führt jedoch keinesfalls automatisch zu geringerem Personalbedarf oder gar Entlassungen - ganz im Gegenteil. Mitarbeiter werden spürbar entlastet, erhalten mehr Freiraum und können Aufgaben übernehmen, für die sonst mühsam einzuarbeitende neue Kollegen gesucht werden müssten. Beispielsweise haben sie deutlich mehr Zeit sich aktiver um die Weiterentwicklung ihrer Abteilung kümmern. Unternehmen können sowohl ihr Geschäftsmodell als auch die internen Prozesse deutlich schneller an veränderte Marktentwicklungen anpassen, als bisher und profitieren gleichzeitig von deutlich motivierteren Mitarbeitern.
Lesetipp: So tragen Sie die Digitalisierung ins Mindset Ihrer Mitarbeiter
Die größte Herausforderung liegt hier vor allem in der Akzeptanz von Automatisierung durch die Mitarbeiter. Hier ist insbesondere der CIO gefragt: Er muss als motivierender Technologie-Botschafter zwischen IT- und Fachabteilungen agieren, kompetente Unterstützer gewinnen und erste Pilotprojekte initiieren. Wenn diese gelingen, können Unternehmen mittelfristig dem Fachkräftemangel begegnen - und gleichzeitig ihr Geschäftsmodell flexibel halten.