Nach über zehnjähriger Arbeit als Management-Berater, -Diagnostiker und Führungskräfte-Coach sah Michael Alznauer zum Jahrtausendwechsel in der aufkommenden Evolutionspsychologie eine wichtige Perspektive, das Phänomen Führung besser zu verstehen.
Der Diplompsychologe arbeitete bis dahin mit vielen Managern zusammen, bevor er seine Erkenntnisse in einem eigenen Modell verdichtete, das der Springer-Verlag seinerzeit zum "weltweit einzigen ganzheitlichen Ansatz zur Erklärung menschlichen Führungsverhaltens" erklärte. Seither setzt sich auch die Forschung mit diesem Grundgedanken stärker auseinander: Führung als uralte Aufgabe menschlicher Zusammenarbeit zu verstehen, die evolutionäre - und damit bleibende - Spuren in uns hinterlassen hat. Von dieser Perspektive ausgehend, leitet das Modell wesentliche Bausteine guter Führung ab.
2012 haben sich dann auf Alznauers Initiative bei einer Tagung im Neanderthal-Museum in Mettmann erfahrene Manager mit einem gemeinsamen Anliegen rund um diesen Ansatz zusammengefunden. Ihr Ziel war, auf Grundlage dieses Modells die Weiterentwicklung von Führungs-Know-how und -wirksamkeit zu fördern. Die daraus entstandene Initiative agiert seither in loser Kooperation unter dem Arbeitstitel "Open-Source: Management".
Zwei Jahre später kam im Team um Alznauer die Frage auf, inwieweit sich das evolutionäre Führungsmodell digitalisieren lässt. Zu diesem Zeitpunkt entstand der Kontakt zu dem erfahrenen IT-Spezialisten und Unternehmer Georg Richter. Der Diplomingenieur hatte sich bis dahin mit seinem Unternehmen vor allem in der Welt des IoT, der Industrie 4.0 und der IT-Herausforderungen des Bankwesens und Zahlungsverkehrs bewegt. Gemeinsam stellte man sich der Herausforderung, die notwendigen Algorithmen zu entwickeln, und konnte nach einem Jahr die technische Machbarkeit dieser Vision belegen.
Digitale Unterstützung in der Führungsrolle
In vier Jahren Entwicklungsarbeit entstand - in enger Zusammenarbeit mit Kunden und Führungskräften - eine Software, die durchaus auch Ängste schüren könnte: Werden wir demnächst von Maschinen, Computern oder Robotern geführt? Alznauer ist sich jedoch sicher, dass dies nicht geschehen wird: "Führung automatisieren zu wollen, gehört wohl eher in die Welt der Science-Fiction. Allerdings lässt sich mit entsprechenden Algorithmen die eigene Wirksamkeit und Akzeptanz in der Führungsrolle systematisch unterstützen und weiterentwickeln."
Nachdem in der Entwicklungsphase laut Alznauer über 1000 Menschen die Software getestet haben, beginnen nun Manager aus Großunternehmen das Programm zu nutzen. Grundsätzlich zielen die Pläne von LEAD2gether, wie sich das Unternehmen jetzt nennt, nicht nur auf Firmenkunden, sondern auf die rund vier Millionen Menschen in Deutschland, die Verantwortung für Mitarbeiter tragen. "Nur gut geführte Gemeinschaften werden den immer größeren Herausforderungen der Zukunft gewachsen sein," ist Alznauer überzeugt. Das Ziel der beiden LEAD2gether-Gründer war, Managern eine "kostengünstige, alltagstaugliche und jederzeit zur Verfügung stehende Lösung" anzubieten.
Nach eigenen Angaben konnte man den Finanzbedarf bislang aus eigenen Mitteln decken. Für die weitere Entwicklung soll die schon immer intensive Zusammenarbeit mit den Nutzern in Richtung einer lebendigen Community rund um das Thema Führung ausgebaut werden. "Wir denken dabei auch darüber nach, über reine Online-Kontakte hinauszugehen," verrät Alznauer einen Teil der Pläne. Im Vordergrund stehe jedoch zunächst der weitere Ausbau des Kundenstamms.
Assistenzsystem für Führungskräfte
Worum geht es nun aber konkret? Der Führungsalltag wird immer komplexer und vielschichtiger, der Handlungsdruck wächst. Gleichzeitig bleibt immer weniger Zeit zur Reflexion und für das Erarbeiten von Lösungen. Oder es fehlt ein Vorgesetzter oder ein Kollege, mit dem man sich abstimmen kann. LEAD2gether verspricht nun Hilfe mit "treffsicherem und handlungsorientiertem Rat" - ähnlich zum Beispiel wie bei Fahrerassistenzsystemen im Auto, meint Alznauer. Auch hier helfe Technik, komplexe Situationen zu lösen und den Fahrer zu unterstützen - und führe zu mehr Sicherheit. "Und Sicherheit in der Führung ist ein hohes Gut", weiß der erfahrene Coach.
Wer für andere Menschen Verantwortung trägt, ist mit seinen Herausforderungen im Führungsalltag oft allein. Selbst die vielen Informationen im Netz bieten ebenso wenig Orientierung wie die Unmengen von Weiterbildungsangeboten oder Berge von Literatur. LEAD2gether will den ehrgeizigen Beweis antreten, dass sich Führungswissen nicht nur in teuren Seminaren, langen Studiengängen und in individuellen Programmen vermitteln lässt. "Allein für Coachings wendet die deutsche Wirtschaft jährlich rund eine halbe Milliarde Euro auf", sagt Alznauer.
- KI im Unternehmen und Personalmanagement
Künstliche Intelligenz (KI) birgt ein enormes Potenzial für Unternehmen, zum Beispiel beim Einsatz im Personalmanagement. Joachim Skura, Thought Leader Human Capital Management bei Oracle, nennt Vorteile der KI sowie wichtige Faktoren, die bei der Planung sowie Nutzung zu beachten sind. - Kooperation der Führungskräfte
Da die KI-Technologie heute alle Unternehmensebenen durchdringt, müssen HR-Verantwortliche mit den anderen Führungskräften zusammenarbeiten, um Automatisierungsstrategien für die einzelnen Teams zu entwickeln. - Intelligenz kombinieren
KI muss zu einem Umdenken in Bezug auf die Belegschaft führen: Es geht nicht mehr nur darum, Mitarbeiter einzustellen. Vielmehr müssen menschliche und künstliche Intelligenz kombiniert werden, um die Produktivität zu maximieren. - Sinnvolle Prozessautomatisierung
Ein ganz wesentlicher Aspekt der Nutzung von KI ist, das Streben nach mehr Effizienz in Relation zu den tatsächlichen Möglichkeiten zu setzen. Nur weil sich ein Prozess automatisieren lässt, heißt das noch lange nicht, dass man das auch tun sollte. Das gilt auch im Personalwesen. - Keine Big-Brother-Atmosphäre schaffen
KI kann für die Sicherheit des Unternehmens sehr hilfreich sein. Viele Betriebe nutzen KI-Technik, um Anwendungen, Systeme und Infrastruktur ständig zu überwachen und anomales Verhalten in Echtzeit zu erkennen und zu bewerten. Hier sollten Unternehmen aber unbedingt darauf achten, dass keine „Big-Brother-Atmosphäre“ geschaffen wird. Der Personalabteilung kommt dabei eine wichtige Rolle zu. - Daten und Technik ausschöpfen
KI sollte bei Einstellungs- und Besetzungsplänen zur Anwendung kommen. Der Grund: Es gilt, kontextbezogene Daten und Technologien auszuschöpfen, um Probleme wie hohe Fluktuationsraten in Angriff zu nehmen, Mitarbeiter besser zu verstehen und den vorhandenen Pool an Talenten effektiver zu nutzen. Nur so lässt sich Arbeit intelligenter, angenehmer und kollaborativer gestalten – und letztendlich auch wertschöpfender. - KI im Recruiting nutzen
Künstliche Intelligenz wird derzeit auch im Recruiting immer wichtiger. Recruiter nutzen KI, um herauszufinden, welche Skills das Unternehmen aktuell benötigt, und wo passende Kandidaten zu finden sind. - Bewerbungsmanagement automatisieren
Mit Hilfe von KI lassen sich zeitaufwendige Aufgaben wie das manuelle Screening von Lebensläufen und Bewerber-Pools automatisieren. - Candidate Experience aufbauen
Leistungsstarke und integrierte KI-Funktionen sowie klare Abläufe helfen, im Personalmanagement eine benutzerfreundliche und personalisierte Candidate Experience vom Erstkontakt bis hin zur Einstellung und Eingliederung zu schaffen. - Mehr Effizienz durch Machine Learning
Modernste Machine-Learning-Anwendungen unterstützen das Personalwesen, die Time-to-Hire zu verkürzen, indem sie proaktiv eine Vorauswahl der geeignetsten Kandidaten treffen und Empfehlungen geben. - Chatbots einsetzen
Ein Chatbot kann eine Datenquelle sein, mit deren Hilfe Unternehmen mehr über ihre Mitarbeiter erfahren. Machine-Learning-Analysen von Fragen und Gesprächen können einzigartige und bisher nicht mögliche Einblicke liefern. So lassen sich zugrundeliegende Probleme aufdecken – und das vielleicht noch, bevor sich der Mitarbeiter dieser überhaupt bewusst ist.
Zudem komme die "große Mehrheit der im Alltag mit Führungsaufgaben betrauten Menschen ohnehin nicht in den Genuss solcher Maßnahmen", so der Gründer. Während sich der Tagesplan der Chefs stetig weiter mit Besprechungen und administrativen Aufgaben fülle, ernteten sie in Mitarbeiterbefragungen Kritik, etwa weil sie zu wenig Zeit für ihr Team aufbrächten. Gleichzeitig müssten sie in der vielzitierten VUCA-Welt handlungsfähig bleiben und unter Druck die richtigen Entscheidungen treffen. Eine Situation, die laut Stressreport des Bundesinstituts für Berufsbildung gesundheitliche Beschwerden wahrscheinlich macht.
"Wer bei LEAD2gether an E-Learning oder Online-Diagnostik denkt, liegt falsch", sagt Alznauer. Auch mit den zunehmend in Personalabteilungen verbreiteten Plattformen, bei denen es um Recruiting oder die Verwaltung, Befragung und Bewertung von Mitarbeitern geht, habe sein Unternehmen nichts zu tun. "Man muss sich erst einmal vorstellen können, dass es bereits Algorithmen gibt, die basierend auf der individuellen Situation praktische Empfehlungen für den Führungsalltag liefern", erläutert der Coach. Und er zitiert einen seiner zufriedenen Nutzer, den Consal-Vertriebsleiter Jens Winter: "Verblüffend, wie treffsicher das System meine Situation erkannt hat und handfeste Vorschläge gab, was zu tun ist."
Algorithmen für den Führungsalltag
Während der menschliche Verstand in der Lage ist, etwa fünf Elemente präsent zu halten, beziehen die Algorithmen von LEAD2gether derzeit über 100 Elemente ein, um der Komplexität des Führungsalltags gerecht zu werden. Das Tool berücksichtigt den persönlichen Stil seiner Nutzer. Es macht den Fortschritt der gemeinsamen Arbeit sichtbar, bewertet Risiken und unterstützt durch ein praktisches Ziel- und Wiedervorlagesystem die Selbstorganisation. Bei etwaigen Rückfragen stehen - je nach Account-Variante - zudem Coaches für eine telefonische Beratung bereit.
Mike Paschke, zuständig für die Führungskräfteentwicklung der envia Mitteldeutsche Energie AG, einem der ersten Konzernkunden von LEAD2gether, geht die Sache pragmatisch an: "Wenn es uns gelingt, bei jeder unserer Führungskräfte nur eine Entscheidung täglich zu optimieren, machen wir wöchentlich weit über tausend Mal etwas besser." Er betreut in seinem Unternehmen die Einführung des Online-Führungssystems, das hier zusätzlich durch gezielte Vor-Ort-Maßnahmen des LEAD2gether-Beraterteams ergänzt wird. Dass das System überall und jederzeit nutzbar ist, spricht seiner Erfahrung nach auch die Kollegen an, die viel unterwegs sind. Hoch bewertet Paschke den starken Praxisbezug des Tools, das einen schnellen Transfer der Empfehlungen in den Alltag ermöglicht.
- Falle 1: Die Wichtigkeit der Antrittsrede unterschätzen
Es ist hilfreich, die Mannschaft zu einem Come together einzuladen und sich noch einmal offiziell vorzustellen. In einer kurzen Rede sollte man zum einen etwas über sich samt Werdegang erzählen und zum anderen bereits einen Einblick in den Führungsstil sowie Werte und Ziele geben. - Falle 2: Sofort alles auf den Kopf stellen
Neue Führungskräfte verfallen wegen der hohen Erwartungshaltung häufig in blinden Aktionismus. Es ist besser, die ersten Wochen für Mitarbeitergespräche zu nutzen. So bekommen Sie einen Überblick über Erwartungen, Aufgaben, Zusammenarbeit, Prozesse und mögliche Knackpunkte. Erst nach der Bestandsaufnahme sollten Veränderungen unter Einbindung der Mitarbeiter angestoßen werden. - Falle 3: Von Mitarbeitern instrumentalisieren lassen
Kommt eine neue Führungskraft, tendieren Mitarbeiter gerne dazu, sie für ungeklärte und unbefriedigende Belange einzuspannen, damit sie sich für diese Anliegen gegenüber Dritten starkmacht. Aber hier ist Vorsicht geboten, weil oft nur die subjektive Wahrnehmung ans Licht kommt. Man sollte also keine Versprechungen machen und voreiligen Entscheidungen treffen, sondern sich zunächst einen umfassenden Eindruck über den Status quo und über Verantwortlichkeiten verschaffen. - Falle 4: Intensive Freundschaften mit Mitarbeitern eingehen
Entwickeln sich Freundschaften zu einzelnen Kollegen, sollte man hinterfragen, welchen Einfluss die Beziehung auf das Tagesgeschäft im Unternehmen hat und welchen Eindruck Kollegen und Vorgesetzte bekommen, wenn sie von der Freundschaft erfahren. Zum Schutz von Führungskraft und Mitarbeiter ist es daher sinnvoll, ausreichend Distanz zu wahren. - Falle 5: Recht behalten und Fehler nicht eingestehen
Fehler einzugestehen und Kritik von Mitarbeitern anzunehmen wird oft als Führungsschwäche ausgelegt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Wahre Größe und Kompetenz beweist, wer offen für berechtigte Kritik ist und gegebenenfalls eine Entscheidung rückgängig macht. So gewinnt man als Vorgesetzter Glaubwürdigkeit und Vertrauen. - Falle 6: Konflikten aus dem Weg gehen
Harmoniebedürftige Führungskräfte sind meist auch konfliktscheu. Sie hoffen insgeheim, dass sich Probleme von selbst lösen, und sprechen Missstände oft viel zu spät an. Ob Fehlverhalten von Mitarbeitern oder Konflikte im Team - Sie sollten Erwartungen frühzeitig nennen, immer konstruktives Feedback geben und rechtzeitig nachsteuern. Klarheit in der Führung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Und Klarheit und Freundlichkeit schließen sich nicht aus. - Falle 7: Immer eine offene Tür haben
Eine Aussage wie "Sie können jederzeit zu mir kommen" ist fatal. Der Grund: Ungeplante Gespräche bringen den Tagesablauf durcheinander und reißen die Führungskraft bei ihrer jeweiligen Aufgabe aus der Konzentration. Soll heißen: Führen "zwischendurch" ist nicht ratsam. Nehmen Sie sich nach Abstimmung ungeteilte Zeit für Mitarbeitergespräche. - Falle 8: Experten im Fachwissen übertreffen wollen
Es ist ein Trugschluss, als Führungskraft zu glauben, auf jede fachliche Frage eine Antwort haben zu müssen oder jedes Problem lösen zu können. Dafür sind die Fachleute zuständig, nämlich die Mitarbeiter mit ihrem entsprechenden Fachwissen. Der Job des Vorgesetzten ist primär, Führungs- und Steuerungsaufgaben wahrzunehmen. Wer sich als Chef dennoch dafür verantwortlich fühlt, wird schnell zum "Obersachbearbeiter". Tipp: Delegieren Sie, damit Sie Freiräume gewinnen und Ihre Ziele erreichen.
Für Axel Junker, Leiter PE/ Führungskräftemanagement der VSE AG, werden Mitarbeiter durch umfangreiche Veränderungen - bis hin zur Disruption von Geschäftsmodellen mit langer Tradition - vor große Herausforderungen gestellt. Wie erfolgreich damit umgegangen wird, hängt seiner Erfahrung nach wesentlich von den Führungsverantwortlichen ab. "Stand in dieser Rolle bislang oft die fachliche Qualifikation im Vordergrund, sind heute andere Fähigkeiten gefragt, vor allem bezüglich sozialer Kompetenzen." Das LEAD2gether-Tool liefere ihm einen schnellen Überblick zur eigenen Situation und gute Ansätze zur Priorisierung und Bewältigung seiner Führungsaufgaben. Es beeindruckt Junker, welche hilfreichen Empfehlungen das System einem gibt.
Offenbar nutzen Zielgruppen das Online-Tool, an die Alznauer und sein Team anfangs gar nicht dachten: Zwei Managerinnen, die sich die Bereichsleitung eines großen Carsharing-Anbieters teilen, haben unabhängig voneinander mit dem Führungstool gearbeitet. "Es war motivierend zu erleben, dass die von uns definierten Prioritäten vom System bestätigt wurden - und wir offenbar ähnliche Sichtweisen haben." Eine gute Ausgangslage für die gemeinsame Führungsarbeit, wie der Erfolg der beiden bestätigt.