IT-Modernisierung

Auffrischen statt Ausmisten

06.10.2020
Von 
Iris Lindner ist freiberufliche Journalistin für Elektronik und Automatisierung.
IT-Modernisierung heißt das Gebot der Stunde - denn wenn IT-Systeme in die Jahre kommen, sinkt die Performance und die Ausfallrisiken steigen.
Viele Legacy-Systeme beherbergen geschäftskritische Applikationen, weswegen man sie nicht einfach ersatzlos streichen kann.
Viele Legacy-Systeme beherbergen geschäftskritische Applikationen, weswegen man sie nicht einfach ersatzlos streichen kann.
Foto: ROSSARINPHOTO - shutterstock.com

Wann wird ein Programm eigentlich zum Legacy-System? Einfach gesagt: wenn die Technologie einer geschäftskritischen Anwendung so weit veraltet ist, dass sie das Business behindert, die Wettbewerbsvorteile abnehmen oder die Applikation nicht mehr weiterentwickelt werden kann. IT-Systeme sind einem konstanten Wandel unterworfen, weshalb sie nach einer bestimmten Betriebszeit automatisch zur Legacy werden.

Doch ob eine Software noch den Anforderungen entspricht, entscheidet nicht zwangsläufig die IT-Abteilung, sondern das Business beziehungsweise die Anwender. Und je jünger diese sind, desto unattraktiver finden sie es, mit veralteten Systemen zu arbeiten. Aus Angst, keine jungen Talente mehr zu bekommen, ist eine IT-Modernisierung oftmals auch Teil der Unternehmensstrategie.

Unschlagbare IT-Modernisierungs-Argumente

Was motiviert Unternehmen generell, Altanwendungen zu modernisieren? Schließlich hat man in diese viel Zeit und Geld investiert und lebt doch eigentlich ganz gut mit der Devise "Never change a running system". Banken und Versicherungen beispielsweise arbeiten nach wie vor mit ihren alten Systemen, die oftmals auch zuverlässig laufen.

Doch auch sie haben in den vergangenen sechs Monaten ein gutes Argument für einen Modern Workplace und zeitgemäße Infrastrukturen gefunden: COVID-19 hat allen gezeigt, dass Remote- oder Homeoffice-Arbeitsplätze nur schwer möglich sind, wenn VPN-Systeme aus dem Ruder laufen und Bandbreiten nicht vorhanden sind. Die Pandemie hat die Notwendigkeit einer branchenübergreifenden IT-Modernisierung vergrößert, triftige Gründe dafür gab es aber auch schon vorher.

Unternehmen befinden sich immer in einem Spannungsfeld zwischen Zukunfts- beziehungsweise Wettbewerbsfähigkeit, Stabilität und Kosteneinsparung - ein Business-Aspekt, der in die IT ausstrahlt. Demnach muss nicht nur die IT transformiert werden, sondern auch die dazugehörigen Prozesse. Wird die Modernisierung jedoch als einmalige Sache abgetan und nicht kontinuierlich betrieben, muss man damit rechnen, dass die Rückstände dauerhaft wachsen oder das alte System irgendwann nicht mehr funktioniert.

Das Risiko, das von einer Applikation ausgeht, die nicht gewartet oder auf dem aktuellen Stand ist, müssen IT-Verantwortliche stets im Blick haben und entsprechend bewerten. Was passiert, wenn das System eine Sicherheitslücke aufweist? Welche Kosten verursacht ein Ausfall, und wie wirkt er sich auf das Business aus?

COVID-19 treibt Legacy-Modernisierung

Eine Risikobetrachtung ist ein wesentlicher Treiber für eine IT-Modernisierung, wird aber oft außer Acht gelassen. Dabei kann man gerade aus ihr einen Business Case generieren - ebenso aus der TCO-Betrachtung oder der Gegenüberstellung von Aufwand und zusätzlichem Umsatz, der sich zum Beispiel aus den zahlreichen Möglichkeiten einer Public Cloud generieren lässt. Diesbezüglich hat COVID-19 die bisherigen Entscheidungskriterien auf den Kopf gestellt: Firmen, die dadurch mit dem Rücken an der Wand stehen, haben zum Teil ihre Modernisierungsprojekte zurückgestellt, weil sie sich - wie die Reisebranche - nun in einem Überlebenskampf befinden und das Geld dazu nicht haben. Der Druck zu modernisieren wird dadurch aber nur noch größer, weil sie die Modernisierung genau in dieser Zeit bräuchten.

Trotz schwieriger Situation hat auch die Automobilbranche derzeit keine andere Wahl, als auf Themen wie Elektromobilität oder autonomes Fahren zu reagieren. Auch Gedanken über neue Geschäftsmodelle, etwa wie man Autos online statt über einen Händler verkauft, greifen fundamental in die IT ein, um aus Legacy einen schnellen, agilen Microservice zu machen. Zu einer IT-Modernisierung gehört somit ebenso, von alten auf neue Arbeitsweisen zu wechseln, also die Prozesse zu transformieren. Bereits vor der Pandemie war hier ein starker Bedarf bei den Fluggesellschaften zu erkennen, um den Leuten, die für qualitätssichernde Maßnahmen zuständig waren, mit Collaboration Devices das Arbeiten zu erleichtern.

Informationen zu den Partner-Paketen der Studie IT-Modernisierung

Die Strategie hinter der Strategie

Doch wie verhalten sich Planung und Umsetzung von Modernisierungsprojekten unter normalen Umständen? Oftmals folgt die IT-Modernisierung nicht einer separaten Strategie, sondern ist Bestandteil der Digitalisierungsstrategie - wenn auch nicht explizit geplant, wie aus der Erfahrung der Berater hervorgeht. Bei einer digitalen Transformation stecken Unternehmen die Ziele sehr hoch. Auf dem Weg dorthin kommt es bei einzelnen Projekten immer wieder zu Problemen, die sich nur durch eine Modernisierung lösen lassen.

Planung und Umsetzung hängen auch von der jeweiligen Public-Cloud-Strategie ab: Setzt man bei der Infrastrukturmodernisierung künftig auf einen einzigen Hyperscaler oder verfolgt man eine Multi-Cloud-Strategie? Ob nun als Ergebnis eines strategischen Beratungsprojekts oder vorbestimmt durch die Cloud-Strategie: Treiber der Modernisierung ist das Business, das auch den Technology-Stack verstehen muss. Was liegt im Rechenzentrum? Wie komplex sind die Systeme und wie hängen diese zusammen? Dieses Wissen braucht es, um auf dem richtigen Pfad in die Ziellandschaft zu kommen. Und es braucht eine spezifische Planung der Taktung, denn das Ziel erreicht man nur, indem man einen Schritt nach dem anderen geht.

Studie "IT-Modernisierung 2020": Sie können sich noch beteiligen!

Zum Thema IT-Modernisierung führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, helfen Ihnen Frau Regina Hermann (rhermann@idgbusiness.de, Telefon: 089 36086 384) Herr René Krießan (rkriessan@idg.de, Telefon: 089 36086 322) und Herr Bastian Wehner (bwehner@idg.de, Telefon: 089 36086 169) gerne weiter. Informationen zur Internet-of-Things-Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF).

Jeder muss mit anpacken

Inwieweit Unternehmen den Weg der Legacy-Modernisierung selbst beschreiten können, lässt sich pauschal nicht beantworten, denn selbst beim Outsourcing kann sich niemand zurücklehnen. Es wird immer ein Zusammenspiel von Unternehmen und externer Unterstützung sein. Zum einen, um die fachliche Kompetenz beider Seiten sinnvoll zu verbinden - heißt: Rückfragen des Beraters zur Applikation kann nur jemand aus dem Unternehmen beantworten. Zum anderen ist es sinnvoll, Beratungshäuser oder Systemintegratoren verstärkt zu involvieren, da die Kapazitäten in den IT-Abteilungen der Unternehmen nicht in den Maßen vorhanden sind, die nötig wären, um solch komplexe Modernisierungsprojekte innerhalb eines überschaubaren Zeitraums umzusetzen.

Ein weiteres Problem der unternehmensinternen IT: Viele Anwendungen sind in alten Programmiersprachen geschrieben, die Spezialisten dafür gehen aber nach und nach in Rente. Oft ist auch das Business-Know-how der älteren Kollegen nicht dokumentiert, muss aber in die Transformation mitgenommen werden. Obwohl auch hier externe Unterstützung hilfreich sein kann, sehen sich die Unternehmen gezwungen, aktiv zu werden. Zum einen müssen sie selbst ausbilden, da die jungen Nachwuchskräfte diese Sprachen nicht mehr erlernen.

Zum anderen müssen sie die alten Hasen mit den jungen Entwicklern zusammenbringen, um sowohl die Applikation vorantreiben zu können als auch die Akzeptanz untereinander zu erreichen. Stößt man eine der Gruppen vor den Kopf, kann eine Transformation nicht gelingen. Möglich ist so ein intelligentes Teaming zum Beispiel mit der Bereitstellung gleicher Entwicklungs-Tools. Sie schaffen nicht nur einen Ausgleich, sie nehmen auch Berührungsängste. Unterschiedliche Sprachen zu kombinieren oder Codeless Development zählen ebenfalls zu den zahlreichen Möglichkeiten, das wachsende Demografieproblem zu lösen.

Der individuelle Cloud-Königsweg

Vielfältige Möglichkeiten gibt es auch für die Migration von Altanwendungen in die Cloud. Vom Refactoring über Codetransformation bis hin zur Modernisierung über Standardsoftware - solange man sie spezifisch ausgestaltet und die Vorteile einer Cloud bereits in die Planung einbezieht, sind unterschiedliche Pfade durchaus sinnvoll - selbst ein Lift-and-Shift-Ansatz, der vorerst nicht den Geschäftsnutzen verändert, aber kurzfristig aus einer Notsituation helfen kann.

Die Zusammenführung von Applikationen, die bereits in verschiedenen Clouds laufen, stellen eine ebenso große Hürde bei Modernisierungsprojekten dar wie die Komplexität der unterschiedlichen Business Applications. Beim Versuch, die Applikationsvielfalt zu verkleinern, Anwendungen zu kategorisieren und so viele wie möglich davon zu automatisieren, merken Unternehmen, dass aus einer Mücke schnell ein Elefant wird. So verwundert es nicht, dass das größte Hindernis in Modernisierungsprojekten auf der Entscheiderebene zu finden ist.

Allerdings stellt man auch fest, dass die Probleme noch größer werden, wenn man nichts tut. Das Wichtigste ist deshalb zunächst eine klare Vorstellung, was modernisiert werden kann und welche Schwierigkeiten damit einhergehen. In den wenigsten Fällen betrifft dies die Applikation, sondern es ist das Umfeld, das ebenfalls transformiert werden muss, um wirklich zukunftsfähig zu bleiben. Doch wer die strategische Ausrichtung des Unternehmens versteht, den Segen von ganz oben hat und mit dem Business über die Umsetzung spricht, der wird den für sich richtigen Weg finden, die IT-Modernisierung erfolgreich umzusetzen.

Informationen zu den Partner-Paketen der Studie IT-Modernisierung