Augmented Reality & Virtual Reality

AR- & VR-Lösungen im Unternehmen

04.02.2016
Von 
Stephan Wiesend schreibt für die Computerwoche als Experte zu den Themen Mac-OS, iOS, Software und Praxis. Nach Studium, Volontariat und Redakteursstelle bei dem Magazin Macwelt arbeitet er seit 2003 als freier Autor in München. Er schreibt regelmäßig für die Magazine Macwelt, iPhonewelt und iPadwelt.

Augmented Reality: Auf und Ab

Während VR in der Unternehmenspraxis angekommen ist, steht die Augmented-Reality-Technologie (AR) noch am Anfang. Auch ist noch nicht ganz klar, für welche Geschäftsfelder AR am besten geeignet ist. Bereits die genaue Definition dieser neuen Technologie ist problembehaftet: Grundsätzlich versteht man darunter die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Konkret handelt es sich dabei meist um eine Datenbrille oder ein Mobilgerät, das Zusatzinformationen in das Sichtfeld des Nutzers einblendet und Tracking unterstützt. Bekanntestes Beispiel ist Google Glass, im Prinzip kann aber auch eine VR-Brille mit Kamera Realität und Zusatzinformationen verknüpfen.

Stark genutzt wurde AR bereits im Marketing: Einige Immobilien-Apps zeigten schon 2010 im Handy-Display die nächstgelegenen Angebote, Einkaufszentren-Apps führten zum gesuchten Shop. Viel Aufmerksamkeit erregte Ikea mit seiner Katalog-App, mit der man einzelne Möbelstücke direkt in seine Wohnung projizieren kann. Allerdings scheint das Thema wieder abzuflauen: Augmented Reality-Funktionen wurden aus vielen Apps wieder entfernt und Aktionen wie die Google-Glass-gestützte Präsentation des Hybrid-Sportwagens BMW i8 sind bislang einmalige Angelegenheiten geblieben.

AR-Testläufe in Unternehmen

Einsätze in Unternehmen sind Mangelware - auch wenn es zahlreiche Testläufe gibt. Erprobt wird ein Einsatz in der Planung, etwa um einem Architekten in Echtzeit CAD-Daten zu einem Rohbau einzublenden. Eine App von Formitas nutzt beispielsweise das Smartphone-Bild, um den Verlauf von Rohrleitungen anzuzeigen - was uns in der Umsetzung aber wenig beeindruckt. Ein großes Problem für AR-Entwickler ist aktuell allerdings das plötzliche Verschwinden von Metaio aus dem Markt, dessen Trackingsoftware die Grundlage für unzählige AR-Anwendungen war. Das gut vernetzte Unternehmen aus München wurde Mitte 2015 von Apple aufgekauft und stellte den Verkauf seiner Software ein. Die Zukunft dieser verbreiteten AR-Plattform ist ungewiss, Alternativen wie Qualcomms Vuforia sind rar. Laut Steffen Masik von Fraunhofer ist die Augmented-Reality-Technologie einfach noch zu wenig ausgereift: "Planer müssen sagen, ob sie das wirklich brauchen". Bei der Frage nach der Praxistauglichkeit werde aktuell noch "viel geblendet, aber spartanisch eingesetzt." Dabei könne man AR hervorragend für Aufgaben wie Wartung und Training verwenden. Es sei aber ein Problem die Inhalte zu produzieren - eine weitere Hürde stellt das Thema Tracking dar.

Unabhängig von Tracking- und 3D-Engine soll deshalb die kommende Version von Boschs AR-Lösung arbeiten. Die zusammen mit Reflekt entwickelte Bosch Common Augmented Reality Platform ermöglicht Nutzern, eigene Lösungen für Servcie, Marketing, Training und Produktion zu entwickeln. Kunden sollen mit dem Autorensystem bereits Anwendungen für Produktion, Sales und Service entwickelt haben. Laut Jürgen Lumera, Director Global TIS Productmanagement and Innovation bei Bosch, sei die am stärksten nachgefragte Lösung die Darstellung von Kabelbäumen: "Mit AR sieht der Techniker wo diese am und im Fahrzeug liegen und erspart sich dadurch immens Zeit". Wichtige Anwendungsbereiche für Augmented Reality sind Lumera zufolge die Darstellung von Informationen zur Reparatur, Service, Training und Bedienungsanleitungen. Moderne Produkte würden immer komplexer und die aktuelle Art der Beschreibung werde diesen Produkten nicht mehr gerecht.

BMW stellte auf Basis einer Daten-Brille eine Lösung für KFZ-Wartung vor, Volkswagen ein ähnliches Projekt namens MARTA, das auf Basis einer iPad-App funktioniert. Allerdings sind beide AR-Lösungen nur Testprojekte und längst nicht für deutschen Servicewerkstätten verfügbar. Als interessante aber völlig andere Art der AR sollte man das Projektionssystem "Werklicht Pro" von Extend3D nicht vergessen. Unter dem Motto "Projektion statt "Datenbrille" kann das Gerät beispielsweise Baupläne auf ein Werkstück projizieren. Als zweites Gerät bietet das Unternehmen aus München das "Werklicht Video Mevis", das vor allem Messdaten projizieren soll.

DHL prüfte in einem umfangreichen Test die Verwendbarkeit von AR in der Logistik. Beim sogenannten "Vision Picking" zeigt eine Datenbrille dem Logistikmitarbeiter, was er aufnehmen soll und wo er es findet. SAP bietet dazu die Software "Warehouse Picker" von SAPs Mobile Solutions, Datenbrillen liefern Google und Vizis. Grundlage bildet SAPs Extended Warehouse Management, ähnliche Lösungen sind bei Knapp (Kisoft) und Ubimax in Entwicklung. Die Bewertung des Testlaufs durch DHL ist positiv: So könne AR die Effizienz bei der Kommissionierung um 25 Prozent steigern, Vorteile gebe es auch in anderen Teilen der Zustellungskette. Allerdings benennt die DHL-Analyse auch einige Hürden für die Technologie im praktischen Einsatz: Akkuprobleme, hohe Investitionskosten, Netzwerkprobleme, Datenschutz und öffentliche Akzeptanz. Auch Bechtle testete Anfang des Jahres die Nutzung von Augmented Reality in der Logistik. Ob eine Einführung geplant ist, wollte man uns jedoch nicht mitteilen.

Fazit

Sowohl Augmented-, als auch Virtual Reality stehen noch am Anfang sind aber stark im Kommen. Vor allem die schnelle Entwicklung smarter Brillen wirkt unserer Meinung nach als Motor. So erwartet eine aktuelle Studie der Deutschen Bank, dass bis 2020 allein der globale Markt für Augmented Reality von 500 Millionen Euro auf 7,5 Milliarden Euro steigt. Geschäftsfelder für deutsche Unternehmen scheinen vor allem in spezialisierten Anwendungen zu liegen, die nah am Kunden entwickelt werden. Gerade wenn es um AR geht, sind Speziallösungen erfolgversprechend. Das "Schicksal" von Metaio scheint dies in gewisser Weise zu bestätigen. (fm)