Verstöße gegen den Digital Markets Act?

Apple, Meta und Co. im Visier der Verbraucherschützer

06.08.2024
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Big Tech steht unter Beobachtung. Vor allem die Kopplung von Diensten und die Bildung von Nutzerprofilen sind Verbraucherschützern ein Dorn im Auge.
Du kommst hier nicht rein - nur gegen Deine Daten!
Du kommst hier nicht rein - nur gegen Deine Daten!
Foto: Dave Clark Digital Photo - shutterstock.com

"Gatekeeper wie Meta, Amazon, TikTok oder Google missachten die Brüsseler Vorgaben für digitale Märkte." Zu diesem Schluss kommt Ramona Pop, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). "Alle untersuchten Dienste nutzen weiterhin manipulative Designs, um an mehr Daten zu kommen", lautet ihr Vorwurf. Ziel der Anbieter sei es, möglichst umfassend Daten zu Profilen zusammenfügen zu dürfen.

Die Big-Tech-Vertreter versuchten dem vzbv zufolge, Nutzerinnen und Nutzer auf Webseiten und in Apps Durch manipulative Designs dazu zu bringen, einer möglichst weitreichenden Zusammenführung personenbezogener Daten zuzustimmen. Außerdem werde es Usern erschwert, erteilte Einwilligungen in die Zusammenführung von Daten aus mehreren Diensten zu widerrufen.

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Zu den manipulativen Tricks zählten unter anderem die optische Gestaltung der Nutzeroberfläche, die verwendete Sprache und der notwendige Aufwand, eine Datenzusammenführung individuell anzupassen, listen die Verbraucherschützer die Verfehlungen der Anbieter auf. Beispielsweise spiele TikTok (ByteDance) gezielt mit der Sorge der Nutzerinnen und Nutzer, das Angebot kostenpflichtig zu machen, wenn sie der Datenzusammenführung nicht zustimmten. Meta suggeriere in verschiedenen Diensten, dass die Einwilligung in die Datenzusammenführung allein eine Frage des Nutzungserlebnisses sei. Wenn User die Einwilligung verweigern, drohten zudem Nachteile, beispielsweise dass Angebote nur noch eingeschränkt nutzbar seien.

Wie die Gatekeeper gegen den DMA verstoßen

Diesen Praktiken hat die EU-Kommission seit dem 7. März 2024 mit dem Digital Markets Act (DMA) eigentlich einen Riegel vorgeschoben. Dem Regelwerk unterliegen insbesondere sogenannte Gatekeeper, Anbieter von weitreichenden, viel genutzten Plattformdiensten. Dazu zählen aus Sicht der EU-Kommission beispielsweise Alphabet mit der Google Suche und YouTube, Amazon mit dem Amazon Marketplace, Apple mit iOS und Safari, ByteDance mit TikTok, Meta mit Facebook und Messenger sowie Microsoft mit LinkedIn.

Wie Big Tech gegen die geltenden Regeln verstößt, zeigt der vzbv beispielhaft am Facebook Marketplace. Dieser Dienst lasse sich ohne ein Facebook-Konto nicht sinnvoll als Marktplatz nutzen. User könnten keine Verkäuferinnen und Verkäufer kontaktieren oder eigene Angebote einstellen. Obwohl der Marketplace als zentraler Plattformdienst benannt wurde und dadurch dem Kopplungsverbot unterliegt, stelle Meta keine Option bereit, mit der der Dienst vollständig ohne Facebook-Konto genutzt werden könnte, kritisieren Verbraucherschützer die Social-Media-Plattform.

Der vzbv hat zwischen dem 16. Mai und 26. Juni 2024 bei besagten Gatekeepern die Umsetzung einiger Regelungen untersucht. Geprüft wurde die Einhaltung des Artikels 5 Abs. 2 (Datenzusammenführung) und Abs. 8 DMA (Kopplungsverbot). Bei Artikel 5 Abs. 2 wurden ausgewählte Dienste aller sechs Gatekeeper (Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta, Microsoft) überprüft, bei Artikel 5 Abs. 8 ausgewählte Dienste bei den Gatekeepern Alphabet, Apple, Meta und Microsoft.

DMA muss konsequent umgesetzt werden

Alle Regeln des Digital Markets Acts (DMA) müssten konsequent durchgesetzt und bei fortlaufenden Verstößen Untersuchungen eingeleitet, beziehungsweise entsprechende Geldbußen verhängt werden, fordern die vzbv-Verantwortlichen. "Google, Meta oder Amazon beeinflussen als Gatekeeper, was die Menschen in Deutschland konsumieren", sagt Pop. "Wenn Anbieter ihren Einfluss zum eigenen Vorteil ausnutzen, schadet das auch dem Wettbewerb."

vzbv-Chefin Ramona Pop will schärfere Regeln beim DMA. Jede Manipulation gehöre verboten.
vzbv-Chefin Ramona Pop will schärfere Regeln beim DMA. Jede Manipulation gehöre verboten.
Foto: Dominik Butzmann / vzbv

Pop plädiert darüber hinaus für eine Verschärfung des DMA. "Die geltenden Regeln reichen nicht aus", konstatiert die Verbraucherschützerin. Manipulative Designs müssten umfassend verboten werden. Beispielsweise auf Webshops und Webseiten seien sie nur unzureichend reguliert. "Hier sollte die neue Europäische Kommission die Digital-Fairness-Initiative nutzen", fordert Pop. "Verbraucherinnen und Verbraucher wollen nicht manipuliert werden."

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Für den Verbraucherreport 2024 haben die Meinungsforscher von forsa im Auftrag des vzbv im März dieses Jahres eine repräsentative Telefonbefragung mit 1.500 Personen durchgeführt. Demzufolge findet eine Mehrheit (79 Prozent), dass Webseiten nicht so gestaltet sein dürfen, dass dadurch Einfluss auf die Entscheidungen von Menschen genommen wird. Sieben von zehn Befragten (70 Prozent) stimmten der Aussage zu, dass Unternehmen Daten grundsätzlich nicht zu Profilen zusammenfassen dürften, um personalisierte Werbung zu erstellen.

EU-Kommission untersucht Praktiken von Meta

Tatsächlich schauen die Regelhüter der EU den großen Tech-Konzernen genauer auf die Finger. Anfang Juli hat die Kommission Meta von ihrer vorläufigen Feststellung in Kenntnis gesetzt, dass das "Pay or consent"-Werbemodell gegen das Gesetz über digitale Märkte verstößt. Nach vorläufiger Auffassung der Kommission würden Nutzer dazu gezwungen, in die Zusammenführung ihrer personenbezogenen Daten einzuwilligen. Eine weniger personalisierte, aber gleichwertige Version der sozialen Netze von Meta werde ihnen verwehrt.

Meta kann sich verteidigen, indem es die Unterlagen in der Untersuchungsakte der Kommission einsieht und schriftlich auf die vorläufigen Feststellungen der Kommission antwortet. Die Untersuchung soll bis Ende März 2025 abgeschlossen werden. Bleibt es bei der Feststellung, dass Meta gegen den DMA verstößt, kann die Kommission Geldbußen in Höhe von bis zu zehn Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes verhängen, bei wiederholten Verstößen sogar bis zu 20 Prozent. Darüber hinaus könnten Gatekeeper dazu verpflichtet werden, ein Unternehmen oder Teile davon zu verkaufen.

Aus Sicht von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager verstößt Meta mit seinem Werbemodell gegen den DMA.
Aus Sicht von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager verstößt Meta mit seinem Werbemodell gegen den DMA.
Foto: Alexandros Michailidis, shutterstock.com

"Unserer vorläufigen Ansicht nach verstößt das Werbemodell von Meta gegen das Gesetz über digitale Märkte", sagte Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin, zuständig für Wettbewerbspolitik, und verwies darauf, dass Gatekeeper wie Meta über viele Jahre hinweg personenbezogene Daten von Millionen von EU-Bürgerinnen und -Bürgern gesammelt hätten. Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton ergänzte: "Das Gesetz über digitale Märkte soll den Nutzern die Macht über ihre eigenen Daten zurückgeben und sicherstellen, dass innovative Unternehmen beim Datenzugang gleichberechtigt mit Technologieriesen konkurrieren können."