Strategie: Der Weg ist das Ziel
Für einen Einzelhändler mit dem Erfolgsmodell Amazon vor Augen stellt sich die Frage "Was bedeutet Digitalisierung für mein Geschäft?" anders als für die durch Uber aufgerüttelte Taxibranche. Im ersten Fall könnte diese Frage lauten: Wie halte ich bei einem schier grenzenlosen Angebot mit schneller und fast kostenloser Lieferung mit? Im zweiten: Wie binde ich Kunden nach dem Verlust einer Quasi-Monopolstellung an mich? Für einen Verlag kann die Frage noch anders lauten: Wie regle ich Lizenzfragen und digitale Verwertungsrechte? Wie schütze ich mein digitales Produkt? Helfen neue Preismodelle, etwa Abos oder Pay-per-Use-Abrechnungen?
Den Kunden abholen, wo er steht
Neue Vertriebs- und Servicekanäle tragen zum disruptiven Potenzial der "News Kids" bei. Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen Bloomy Days. Es überträgt das Abomodell aus dem Zeitschriftengeschäft auf ein verderbliches Gut, Blumen, und digitalisiert deren Vertriebsweg: Bestellt wird per Webshop. Das und eine vom digitalen Vorreiter Amazon als Quasi-Standard gesetzte Logistik vervielfachte das Absatzgebiet des Startups; die Gründerin wurde in anderthalb Jahren Chefin von 20 Angestellten. Daraus lässt sich auch lernen: Was für andere Branchen gang und gäbe ist, kann für das eigene Umfeld Neuland sein.
Ähnlich wirken Social-Business-Komponenten: Community-ähnliche Wohnungstauschplattformen wie Airbnb beginnen das Gespräch mit ihren Facebook-gewöhnten Kunden bereits im digitalen Wohnzimmer. Statt sie erst auf einem virtuellen oder gar realen Marktplatz zu umwerben, holen die Anbieter ihre Interessenten da ab, wo sie stehen, und machen sie schon vor dem ersten Kauf zu Freunden.
Welche Leistungen überzeugen den Kunden, und zwar über das Produkt hinaus? Was benötigt der Kunde für ein gutes Einkaufserlebnis? Wie lassen sich online und offline sinnvoll verknüpfen?
Wie lassen sich die Kunden begeistern? Eine liebevolle Verpackung? Gratisproben? Regelmäßige Tipps? Emotionale Ansprache geht schnell schief. Doch richtig eingesetzt, verstärkt und unterstreicht sie das Angebot.
Welche Trends aus anderen Branchen sind im eigenen Umfeld noch nicht angekommen? Hier hilft ein Blick in Nachbars Garten: Welche Technologie nutzen Web-Unternehmen? Wie setzt ein Versandunternehmen neue Maßstäbe in der Logistik? Welche Absatzwege sind für die jeweilige Branche noch nicht erschlossen?
Wie wirkt sich das Transformationsprojekt auf das bestehende Geschäft aus? Was alles wird neben Vertrieb und Kundenansprache noch auf den Kopf gestellt? Sind neue Preismodelle nötig? Neue Vertriebsstrukturen? Neue Partner?
Wie beteiligt man die bestehendenPartner am Erfolg? Welche Geschäftsmodelle binden sie ein oder geben ihnen vielleicht sogar ein eigenes neues Geschäftsmodell?
Technologie: Die Bremse und das Gaspedal
Ohne technischen Unterbau kommt auch die beste Strategie nicht über das Konzeptstadium hinaus: Technik ist wesentlich für eine bezahlbare, automatisierte "Bis-morgen-Logistik" oder effizientes Social Selling.
Digitalisierung wird oft - berechtigt oder unberechtigt - als reine Technologiediskussion und losgelöst von der analogen Welt geführt. Doch Investitionsschutz, Risikominimierung und bestehende Systemlandschaften sprechen dafür oder fordern sogar, alles zusammen zu sehen, zu diskutieren und zu planen.
Einem Unternehmer, CTO oder CIO stellt sich damit die Grundsatzfrage: Wie muss denn nun eigentlich die IT-Zielarchitektur aussehen? Welche sind die zukunftsfähigen Technologien für Betrieb, Flexibilität, Skalierung und Integration?
Wie innovativ ist die IT? Wie viel schafft die IT-Organisation selbst, und wie viel wird durch externe Dienstleister erbracht? Wird fehlende Innovationskraft auf die IT zurückgeführt? Es lohnt der Blick auf bekannte Engpässe wie technische Problempunkte. Das aktuelle Vorgehens- und Umsetzungsmodell kann ebenfalls eine Rolle spielen: Wie agil sind diese Modelle und damit das Unternehmen?
Mit welchen Technologien hat das Team Erfahrung? Welche haben sich in der jeweiligen Branche bewährt, welche in anderen? Und welche technischen Hypes werden gerade intensiv diskutiert?
Open-Source-Software ist ebenfalls ein Punkt, den man ins Kalkül ziehen sollte. Es kann ein Vorteil darin liegen, Provider-unabhängige Software einzusetzen. Oder ist die Strategie etwa die, grundsätzlich alles selbst zu entwickeln, um damit schneller, flexibler und unabhängiger zu werden?
Welche Compliance-Vorgaben sind einzuhalten? Welche Datenarten gibt es, und wie sensibel sind sie? Was passiert, wenn ausgelagerte Anwendungen nicht (mehr) verfügbar sind oder alle Daten verlieren?
Darf das Unternehmen Anwendungen von einem SaaS-Anbieter mit Rechenzentren außerhalb Deutschlands beziehen - und dort auch Anwendungsdaten lagern? Wie weit kann der Betrieb gemäß der eigenen Policy und den bestehenden gesetzlichen Regelungen gehen? Ist das im Unternehmen eigentlich geregelt?
Und morgen wird transformiert!
Alle Fragen beantwortet, und jetzt ist alles klar. Also auf los geht's los! Oder doch nicht? Die Transformation beginnt mit vielen Fragezeichen. Gefolgt von vielen - gern kontroversen - Ausrufezeichen. Dann gilt es zu filtern, zu simulieren, zu erproben. Und vor allem: Sich zu trauen, etwas zu entscheiden. Dabei ist es egal, mit welcher Dimension das Unternehmen anfängt: Es gibt kein etabliertes Vorgehen für den transformierenden Dreisprung. Wichtig ist, in allen drei Dimensionen zu springen. (fm)
- Arbeiten von zu Hause aus
Im Arbeitsalltag wollen deutsche Entscheider ihre Mitarbeiter lieber im Büro sitzen sehen, als sie ins Home Office zu schicken. Das zeigt eine Studie des Branchenverbandes Bitkom mit dem Titel „Digitalisierung der Arbeitswelt“. Rund 1.500 Geschäftsführer und Personalentscheider verschiedenster Branchen haben daran teilgenommen. - Anwesenheit ist oft Pflicht
In drei Vierteln der Unternehmen (75 Prozent) besteht nach wie vor Anwesenheitspflicht für alle Mitarbeiter. - Bedeutung des Büroarbeitsplatzes
Sieben von zehn Befragten sind denn auch davon überzeugt, dass der klassische Büroarbeitsplatz in seiner Bedeutung konstant bleiben wird. - Home Office nicht vorgesehen
Hier haben die Autoren der Umfrage nach den Gründen geforscht. Fazit: Knapp zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) erklären, die Arbeit vom Home Office aus sei "generell nicht vorgesehen". - Künftig mehr Freie
Ohne eine Flexibilisierung der Arbeitsplatzstrukturen wird es aber nicht gehen. Denn 31 Prozent der Befragten wollen künftig stärker als bisher mit freien Mitarbeitern kooperieren. - Vorteile externer Spezialisten
In solche Kooperationen setzen die Befragten große Erwartungen. 73 Prozent erwarten, dass das Innovationstempo steigt. 67 Prozent freuen sich auf einen interessanteren Arbeitsalltag. - Chancen der Digitalisierung
Grundsätzlich schreiben die Befragten der Digitalisierung große Vorteile zu.