Digitalisierung & Industrie 4.0

Anleitung zur digitalen Transformation

29.04.2015
Von Volker Maiborn und  IDG ExpertenNetzwerk
André Mundo ist erfahrener IT-Berater mit IT-Background mit langjähriger Erfahrung in Führung und Geschäftsentwicklung. Zuletzt war er Bereichsleiter Distributed Ledger Technologies bei MaibornWolff GmbH.

Strategie: Der Weg ist das Ziel

Für einen Einzelhändler mit dem Erfolgsmodell Amazon vor Augen stellt sich die Frage "Was bedeutet Digitalisierung für mein Geschäft?" anders als für die durch Uber aufgerüttelte Taxibranche. Im ersten Fall könnte diese Frage lauten: Wie halte ich bei einem schier grenzenlosen Angebot mit schneller und fast kostenloser Lieferung mit? Im zweiten: Wie binde ich Kunden nach dem Verlust einer Quasi-Monopolstellung an mich? Für einen Verlag kann die Frage noch anders lauten: Wie regle ich Lizenzfragen und digitale Verwertungsrechte? Wie schütze ich mein digitales Produkt? Helfen neue Preismodelle, etwa Abos oder Pay-per-Use-Abrechnungen?

Den Kunden abholen, wo er steht

Neue Vertriebs- und Servicekanäle tragen zum disruptiven Potenzial der "News Kids" bei. Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen Bloomy Days. Es überträgt das Abomodell aus dem Zeitschriftengeschäft auf ein verderbliches Gut, Blumen, und digitalisiert deren Vertriebsweg: Bestellt wird per Webshop. Das und eine vom digitalen Vorreiter Amazon als Quasi-Standard gesetzte Logistik vervielfachte das Absatzgebiet des Startups; die Gründerin wurde in anderthalb Jahren Chefin von 20 Angestellten. Daraus lässt sich auch lernen: Was für andere Branchen gang und gäbe ist, kann für das eigene Umfeld Neuland sein.

Social-Business-Komponenten spielen bei der digitalen Transformation eines Unternehmens eine immer größere Rolle.
Social-Business-Komponenten spielen bei der digitalen Transformation eines Unternehmens eine immer größere Rolle.
Foto: Alice Daniel, Shutterstock.com

Ähnlich wirken Social-Business-Komponenten: Community-ähnliche Wohnungstauschplattformen wie Airbnb beginnen das Gespräch mit ihren Facebook-gewöhnten Kunden bereits im digitalen Wohnzimmer. Statt sie erst auf einem virtuellen oder gar realen Marktplatz zu umwerben, holen die Anbieter ihre Interessenten da ab, wo sie stehen, und machen sie schon vor dem ersten Kauf zu Freunden.

  • Welche Leistungen überzeugen den Kunden, und zwar über das Produkt hinaus? Was benötigt der Kunde für ein gutes Einkaufserlebnis? Wie lassen sich online und offline sinnvoll verknüpfen?

  • Wie lassen sich die Kunden begeistern? Eine liebevolle Verpackung? Gratisproben? Regelmäßige Tipps? Emotionale Ansprache geht schnell schief. Doch richtig eingesetzt, verstärkt und unterstreicht sie das Angebot.

  • Welche Trends aus anderen Branchen sind im eigenen Umfeld noch nicht angekommen? Hier hilft ein Blick in Nachbars Garten: Welche Technologie nutzen Web-Unternehmen? Wie setzt ein Versandunternehmen neue Maßstäbe in der Logistik? Welche Absatzwege sind für die jeweilige Branche noch nicht erschlossen?

  • Wie wirkt sich das Transformationsprojekt auf das bestehende Geschäft aus? Was alles wird neben Vertrieb und Kundenansprache noch auf den Kopf gestellt? Sind neue Preismodelle nötig? Neue Vertriebsstrukturen? Neue Partner?

  • Wie beteiligt man die bestehendenPartner am Erfolg? Welche Geschäftsmodelle binden sie ein oder geben ihnen vielleicht sogar ein eigenes neues Geschäftsmodell?

Technologie: Die Bremse und das Gaspedal

Ohne technischen Unterbau kommt auch die beste Strategie nicht über das Konzeptstadium hinaus: Technik ist wesentlich für eine bezahlbare, automatisierte "Bis-morgen-Logistik" oder effizientes Social Selling.

Digitalisierung wird oft - berechtigt oder unberechtigt - als reine Technologiediskussion und losgelöst von der analogen Welt geführt. Doch Investitionsschutz, Risikominimierung und bestehende Systemlandschaften sprechen dafür oder fordern sogar, alles zusammen zu sehen, zu diskutieren und zu planen.

Einem Unternehmer, CTO oder CIO stellt sich damit die Grundsatzfrage: Wie muss denn nun eigentlich die IT-Zielarchitektur aussehen? Welche sind die zukunftsfähigen Technologien für Betrieb, Flexibilität, Skalierung und Integration?

  • Wie innovativ ist die IT? Wie viel schafft die IT-Organisation selbst, und wie viel wird durch externe Dienstleister erbracht? Wird fehlende Innovationskraft auf die IT zurückgeführt? Es lohnt der Blick auf bekannte Engpässe wie technische Problempunkte. Das aktuelle Vorgehens- und Umsetzungsmodell kann ebenfalls eine Rolle spielen: Wie agil sind diese Modelle und damit das Unternehmen?

  • Mit welchen Technologien hat das Team Erfahrung? Welche haben sich in der jeweiligen Branche bewährt, welche in anderen? Und welche technischen Hypes werden gerade intensiv diskutiert?

  • Open-Source-Software ist ebenfalls ein Punkt, den man ins Kalkül ziehen sollte. Es kann ein Vorteil darin liegen, Provider-unabhängige Software einzusetzen. Oder ist die Strategie etwa die, grundsätzlich alles selbst zu entwickeln, um damit schneller, flexibler und unabhängiger zu werden?

  • Welche Compliance-Vorgaben sind einzuhalten? Welche Datenarten gibt es, und wie sensibel sind sie? Was passiert, wenn ausgelagerte Anwendungen nicht (mehr) verfügbar sind oder alle Daten verlieren?

  • Darf das Unternehmen Anwendungen von einem SaaS-Anbieter mit Rechenzentren außerhalb Deutschlands beziehen - und dort auch Anwendungsdaten lagern? Wie weit kann der Betrieb gemäß der eigenen Policy und den bestehenden gesetzlichen Regelungen gehen? Ist das im Unternehmen eigentlich geregelt?

Und morgen wird transformiert!

Alle Fragen beantwortet, und jetzt ist alles klar. Also auf los geht's los! Oder doch nicht? Die Transformation beginnt mit vielen Fragezeichen. Gefolgt von vielen - gern kontroversen - Ausrufezeichen. Dann gilt es zu filtern, zu simulieren, zu erproben. Und vor allem: Sich zu trauen, etwas zu entscheiden. Dabei ist es egal, mit welcher Dimension das Unternehmen anfängt: Es gibt kein etabliertes Vorgehen für den transformierenden Dreisprung. Wichtig ist, in allen drei Dimensionen zu springen. (fm)