Steuerparadies Luxemburg

Amazon zahlt in Europa wieder keine Steuern

25.04.2022
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Amazons Steuerpraktiken stehen schon seit Jahren in der Kritik. Jetzt wurde bekannt, dass der Online-Händler in seiner luxemburgischen Europazentrale trotz Milliarden-Umsätzen erneut keine Steuern gezahlt hat.
Bei Amazon weiß man genau, wie man trotz Milliarden-Einnahmen keine Steuern zahlen muss.
Bei Amazon weiß man genau, wie man trotz Milliarden-Einnahmen keine Steuern zahlen muss.
Foto: Mike Mareen - shutterstock.com

Amazon zahlt laut "Bloomberg" in seinem europäischen Hauptquartier in Luxemburg keine Einkommenssteuer. Einem Bericht des Nachrichtendienstes zufolge hat der weltgrößte Online-Händler über die Amazon EU Sarl im vergangen Jahr 51,3 Milliarden Euro umgesetzt, rund 17 Prozent mehr als im vorangegangenen Jahr. Dabei sei ein Verlust von knapp 1,2 Milliarden Euro angefallen, was dazu geführt habe, dass keine Steuern fällig wurden. Im Gegenteil: Durch das negative Ergebnis könne Amazon Steuergutschriften verbuchen, die die Steuerlast zu einem späteren Zeitpunkt mindern, falls doch einmal Gewinne gemeldet werden.

Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. Schon vor einem Jahr berichtete der britische "Guardian" über Amazons Steuerpraktiken in Luxemburg, wonach der Online-Händler bei einem Umsatz von 44 Milliarden Euro keine Einkommenssteuer zahlen müsse. Der Grund: ebenfalls ein Verlust von 1,2 Milliarden Euro. "Amazons Einnahmen sind während der Pandemie in die Höhe geschnellt", schimpfte damals die britische Labour-Abgeordnete Margret Hodge, "und dennoch verschiebt das Unternehmen seine Gewinne weiterhin in Steueroasen wie Luxemburg, um seinen gerechten Anteil an Steuern nicht zahlen zu müssen."

Investitionen fressen Amazon-Gewinne auf

Amazon weist die Vorwürfe zurück. "Wir zahlen in Ländern in ganz Europa Körperschaftssteuern in Höhe von Hunderten von Millionen Euro, und wir arbeiten überall in voller Übereinstimmung mit den lokalen Steuergesetzen", heißt es in einer offiziellen Mitteilung. 2015 habe die luxemburgische Amazon EU Sarl Niederlassungen in Großbritannien, Deutschland, Spanien, Frankreich und Italien gegründet. "Wir melden den lokalen Steuerbehörden in diesen Ländern direkt die Einzelhandelsumsätze aus Verkäufen an Kunden, die über diese Niederlassungen getätigt werden, sowie die damit verbundenen Ausgaben und Steuern." Ähnliche Niederlassungen seien zuletzt auch in den Niederlanden, Schweden und Polen gegründet worden. Dieses paneuropäische Geschäft betreibt Amazon vom Hauptsitz in Luxemburg aus.

Der Online-Händler betont, dass Einkommensteuer anfielen, wenn Gewinne eingefahren würden. Angesichts der hohen Investitionen in Europa seien diese jedoch gering ausgefallen. "Seit 2010 haben wir weit über 100 Milliarden Euro investiert", erklärt Amazon. Ein Großteil dieser Ausgaben fließe in Infrastruktur und Forschung, wodurch viele Tausend neue Arbeitsplätze entstanden seien, was wiederum erhebliche lokale Steuereinnahmen generiert habe und zehntausende kleine europäische Firmen mit Programmen wie Fulfillment by Amazon unterstütze.

EU-Kommssion spricht von ungerechtfertigten Steuervorteilen

Amazon steht bereits seit vielen Jahren wegen seiner Geschäfts- und Steuerpraktiken im Visier der Behörden. 2017 stellte die EU-Kommission rechtswidrige staatliche Beihilfepraktiken fest. "Die Steuervorteile von Amazon in Luxemburg sind nach den EU-Beihilfevorschriften rechtswidrig", konstatierten die europäischen Wettbewerbshüter. Demzufolge habe der Online-Konzern von Mai 2006 bis Juni 2014 von nicht gerechtfertigten Steuervorteilen profitiert. Infolgedessen müsse Amazon Steuervorteile in Höhe von 250 Millionen Euro plus Zinsen zurückzahlen, verlangte die EU-Kommission.

Amazon und der Staat Luxemburg legten Beschwerde gegen den Beschluss der EU-Kommission ein. Vor dem europäischen Gerichtshof bekamen sie im Mai 2021 Recht. Die Richter stellten fest, dass sich Amazon mit seiner Firmenkonstruktion in Luxemburg keinen unrechtmäßigen Vorteil verschafft habe und deshalb die Entscheidung in vollem Umfang für nichtig erklärt werden müsse.

Die EU-Kommission legte im Juli 2021 postwendend Rechtsmittel gegen dieses Urteil ein. Die Begründung der Richter in Luxemburg sei widersprüchlich und unzulänglich. Außerdem habe das Gericht seine Zuständigkeit zur gerichtlichen Nachprüfung überschritten, was einen Verfahrensfehler und einen Verstoß gegen die Verteidigungsrechte der Kommission bedeute und den Beschluss verfälsche. Das Verfahren läuft noch.

Luxemburg - Steuerparadies mitten in Europa

Die Steuerpraktiken Luxemburgs stehen seit Jahren in der Kritik. 2014 waren im Zuge von "LuxLeaks" Dokumente veröffentlicht worden, die belegten, dass hunderte internationale Konzerne, darunter Amazon, mit den luxemburgischen Steuerbehörden 'spezielle Vereinbarungen' über ihre Besteuerung geschlossen hatten. Der Vorwurf: Profite seien über Grenzen hinweg verschoben und Verluste in Luxemburg angehäuft worden. Das habe im Endeffekt zu einer sehr geringen Steuerbelastung geführt.

Dem ehemaligen EU-Kommissionsvorsitzenden Jean Claude Juncker wird vorgeworfen, in Luxemburg eine Steueroase für internationale Konzerne geschaffen zu haben.
Dem ehemaligen EU-Kommissionsvorsitzenden Jean Claude Juncker wird vorgeworfen, in Luxemburg eine Steueroase für internationale Konzerne geschaffen zu haben.
Foto: Alexandros Michailidis - shutterstock.com

Im Zentrum des Skandals stand der langjährige EU-Kommissionspräsident und Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker. Dem Politiker wurde vorgeworfen, in Luxemburg ein regelrechtes Steuerparadies geschaffen zu haben. Juncker dementierte und beteuerte vor dem LuxLeaks-Sonderausschuss, die Steuerverwaltung in Luxemburg habe lediglich geltendes Recht angewandt.

Die Vorwürfe dubioser Steuer-Deals sind allerdings längst nicht vom Tisch. Die Wettbewerbshüter dürften auch Amazon kaum vom Haken lassen. Der "Guardian" berief sich im vergangenen Jahr auf Aussagen von Bob Comfort, der von 2000 bis 2011 Amazons Steuerabteilung geleitet hatte. Juncker habe Comfort persönlich seine Hilfe angeboten, heißt es in dem Bericht. Wenn Probleme auftauchten, solle er sich an Juncker wenden. Er werde versuchen zu helfen. Comfort wurde später zum luxemburgischen Honorarkonsul in Seattle ernannt, dem Sitz der US-Zentrale von Amazon.