Mit der Übernahme von 1Life Healthcare schafft sich Amazon ein Standbein im boomenden Markt für Gesundheitsservices. der Kaufpreis beträgt 18 Dollar je Aktie - ein deutlicher Aufschlag von 77 Prozent auf den Schlusskurs von knapp 10,20 Dollar vor Bekanntgabe der Akquisition. Insgesamt beläuft sich der Wert des Deals inklusive der Übernahme von Schulden auf 3,9 Milliarden Dollar. Die Verantwortlichen haben dem Kauf bereits zugestimmt. Das Okay der Anteilseigner und der Aufsichtsbehörden steht noch aus.
Das in San Francisco beheimatete Unternehmen bietet unter der Marke "One Medical" medizinische Erstversorgungs- und Vorsorgeprogramme für Unternehmen und deren Mitarbeiter sowie für Privatkunden an. Die Dienste können virtuell oder in einer der zahlreichen Praxen bezogen werden. Dazu unterhält 1Life Healthcare 25 medizinische Zentren in den US-amerikanischen Metropolen und zählt etwa 8.000 Unternehmenskunden. Diese können mit One Medical verschiedene Angebote beziehen, die von persönlichen Beratungsleitungen vor Ort durch medizinisches Personal bis hin zu virtuellen Gesundheits-Coachings reichen.
Gesundheitsfürsorge neu erfinden
Für Amazon geht es auch darum, ein Healthcare-Angebot für die eigenen über 1,6 Millionen Angestellten zu schaffen. "Die Gesundheitsfürsorge steht ganz oben auf der Liste der Services, die neu erfunden werden müssen", sagt Neil Lindsay, Senior Vice President von Amazon Health Services. Momentan müssten Patienten mitunter wochen- oder sogar monatelang auf einen Arzttermin warten, sich von der Arbeit freistellen lassen, zur Klinik fahren, einen Parkplatz finden, im Wartezimmer sitzen, einige wenige Minuten mit dem Arzt verbringen und dann in die Apotheke gehen. "Wir sehen viele Möglichkeiten, sowohl die Qualität des Arztbesuchs zu verbessern und den Menschen wertvolle Zeit zurückzugeben."
Amir Dan Rubin, der auch zukünftig CEO von 1Life Healthcare sein soll, bezeichnet die Übernahme als "große Chance, die Gesundheitsversorgung für Patienten, Anbieter und Kostenträger zugänglicher, erschwinglicher und sogar angenehmer zu gestalten". Dabei setzt der Manager auf die Kombination eines menschenzentrierten mit einem technologiegestützten Modell.
Innovationsstau im Heathcare-Bereich
Die Tür in den Healthcare-Sektor aufzustoßen, dürfte allerdings auch für Amazon schwierig werden. In den USA gelten die Strukturen ähnlich wie in vielen anderen Ländern als verkrustet. Viele Versuche, das System durch Innovationen effizienter und patientenfreundlicher zu gestalten, sind gescheitert. Dazu kommen strenge regulatorische Vorschriften, die gerade in den USA durch unterschiedliche Bundes- und Staatsvorgaben schwer zu durchschauen sind.
Andererseits verspricht das Gesundheitswesen gute Geschäfte. Experten taxieren den US-amerikanischen Healthcare-Markt auf ein Volumen von rund vier Billionen Dollar pro Jahr. Hinzu kommt, dass sich gerade in Zeiten der Coronapandemie gezeigt hat, wie modernisierungsbedürftig das System ist. Erste Ansätze rund um Telemedizin und virtuelle Angebote deuten bereits auf Veränderungen hin.
Das ruft nun auch neue, branchenfremde Player mit einem Technologiehintergrund auf den Plan. Vor Amazon hat bereits Oracle Ambitionen angemeldet und mit der 28,3 Milliarden teuren Übernahme des Healthcare-IT-Spezialisten Cerner ein deutliches Zeichen gesetzt. 2021 hatte Microsoft für fast 20 Milliarden Dollar Nuance gekauft, einen Spracherkennungs- und KI-Spezialisten, der sich in den vergangenen Jahren zunehmend auf den Healthcare-Sektor konzentriert hatte.