Project Kuiper

Amazon macht Ernst mit Satelliten-Netzwerk

24.07.2023
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Schon in wenigen Jahren hofft Amazon, jeden Monat bis zu 80 Satelliten bauen und in den näheren Orbit schießen zu können. „Project Kuiper“ soll Internetverbindungen auf der ganzen Welt bereitstellen.

Innerhalb der kommenden sechs Monate will Amazon in einer neuen, 172.000 Quadratmeter großen Fabrik in Kirkland, Washington, mit der Produktion seiner Kuiper-Satelliten zu beginnen. Die Kuiper Systems LLC ist eine Tochtergesellschaft von Amazon, die zu diesem Zweck 2019 gegründet wurde. Amazon kündigte damals an, zehn Milliarden Dollar in das Vorhaben zu investieren. Das Netz soll die Vereinigten Staaten und den größten Teil der restlichen Welt mit Internet-Zugängen via Satellit bedienen.

Die Illustration zeigt die entstehende Anlage im Kennedy Space Center der NASA, wo Raketen mit den Kuiper-Satelliten bestückt werden sollen.
Die Illustration zeigt die entstehende Anlage im Kennedy Space Center der NASA, wo Raketen mit den Kuiper-Satelliten bestückt werden sollen.
Foto: Amazon/Project Kuiper

Vermutlich wird es ein ganzes Jahrzehnt dauern, bis alle 3.236 geplanten Satelliten vollständig bereitgestellt sind. Amazon will seine Breitbanddienste dann direkt an Verbraucher in aller Welt verkaufen. Ebenso sollen Vertriebspartnerschaften mit Unternehmen eingegangen werden. Am vergangenen Freitag gaben Mitarbeiter der Regierung von Florida und Amazon-Manager bekannt, dass eine weitere, noch im Bau befindliche, 100.000 Quadratmeter große Anlage im Kennedy Space Center der NASA als Produktionsanlage für das Kuiper-Programm dienen soll.

Kuiper, Starlink oder OneWeb - wer hat den längeren Atem?

Ingenieure werden dort in der Nähe der alten Landebahn des Space Shuttle auf riesigen Gerüsten die neuen Satelliten auf die Raketen montieren. Die fertig gerüsteten Raketen sollen dann in die nur wenige Kilometer entfernte Cape Canaveral Space Force Station zu den Startrampen von United Launch Alliance (ULA) und Blue Origin transportiert werden. Bei letzterem handelt es sich um das Raumfahrtunternehmen von Amazon-Gründer Jeff Bezos.

Project Kuiper ist nicht das einzige Großprojekt, in dem es darum geht, große Mengen von Satelliten in die nähere Erdumlaufbahn zu schießen, um die Menschen flächendeckend mit Internet-Zugängen zu versorgen. Amazon konkurriert hier mit dem Starlink-Netzwerk von SpaceX, das von Elon Musk gegründet wurde und bereits über 4.000 Satelliten im Orbit positioniert hat.

Dritter im Bunde ist OneWeb, ein mittlerweile rein europäisches Satellitenunternehmen mit wechselhafter Vergangenheit, das heute über Satellitenflotten sowohl im erdnahen als auch im geosynchronen Orbit verfügt. Bis Ende Mai 2023 hatte OneWeb, an dem unter anderem die französische Eutelsat beteiligt ist, 634 Satelliten in die niedrige Erd-Umlaufbahn transportiert und will bis Ende 2023 eine weltweite Breitbandabdeckung erreichen.

Die neue Vulcan-Rakete von der ULA soll die Kuipers-Satelliten demnächst in die niedrige Erdumlaufbahn befördern.
Die neue Vulcan-Rakete von der ULA soll die Kuipers-Satelliten demnächst in die niedrige Erdumlaufbahn befördern.
Foto: ULA

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Elon Musk lässt Satelliten im Wochenrhythmus transportieren

All diese Projekte verschlingen Milliardensummen und es ist noch nicht ausgemacht, wer im Wettbewerb um preiswerte Satelliten-Breitbanddienste übrigbleiben wird. Wie aufwändig das Ganze ist, zeigt das Beispiel SpaceX: Das Unternehmen von Tesla-Gründer Musk bringt seine Starlink-Satelliten inzwischen im Wochenrhythmus mit der firmeneigenen Falcon-9-Rakete in den Orbit. Diese Flüge, die von Cape Canaveral oder der Vandenberg Space Force Base in Kalifornien starten, machen rund die Hälfte der SpaceX-Missionen der letzten Jahre aus.

Amazons geplante Taktung ist ähnlich ehrgeizig. Der E-Commerce-Gigant möchte bis Juli 2026 etwa die Hälfte seiner 3.236 Satelliten in Betrieb nehmen. Vorausgesetzt, die Federal Communications Commission gibt grünes Licht, würde das mindestens zwei Starts pro Monat erfordern, vielleicht sogar mehr.

Um dem Ziel näher zu kommen, sicherte sich Amazon im vergangenen Jahr Transportflüge mit einer neuen Vulcan-Rakete von der ULA, der New Glenn von Blue Origin und der Ariane 6 von Arianespace. Alles in allem hat Amazon 77 Starts gekauft: 38 Vulcan-Starts, neun Flüge mit der bald ausgemusterten Atlas V von ULA, 18 Ariane 6-Raketen und 12 New Glenn-Missionen, mit einer Vertragsoption für 15 weitere.

Klappt alles wie geplant, wäre der Bedarf von Kuiper an Startdiensten für seine 3.236 Satelliten gedeckt. Das Problem: Mit Ausnahme der Atlas V befinden sich all diese Raketen noch in der Entwicklung. Die Vulcan von ULA wird wohl als erste von Amazons Trägerraketen fliegen, wahrscheinlich gefolgt von der in Europa gebauten Ariane 6 und der New Glenn von Blue Origin.

Dass Amazon sich für die Platzierung seiner Satelliten nicht an SpaceX als Transportunternehmen wandte, ist keine Überraschung: Amazons Kuiper-Netzwerk wird unmittelbar mit Elon Musks Starlink konkurrieren. Doch das gilt auch für OneWeb, und die Europäer waren weniger wählerisch. Sie schlossen im vergangenen Jahr einen Vertrag mit SpaceX ab, um ihre Satelliten mit Falcon 9-Raketen ins All zu schießen, nachdem im Zuge des Ukraine-Kriegs eine Zusammenarbeit mit einem russischen Weltraum-Unternehmen geplatzt war.

Kuiper-Satelliten sind startklar, aber die Raketen nicht

Wie Ars Technica berichtet, stehen die ersten beiden Prototyp-Satelliten für Kuiper bereits seit März 2023 in einem klimatisierten Reinraum in der Nähe von Cape Canaveral, Florida. Sie warten darauf, mit dem ersten Testflug der neuen Vulcan-Rakete der ULA, dem Nachfolger der Trägerraketen Atlas V und Delta IV, ins All zu fliegen. Das Debüt der Rakete lässt aber länger auf sich warten, als ursprünglich vorgesehen - was für eine brandneue Trägerrakete nicht ungewöhnlich ist. Neben den Kuiper-Testsatelliten von Amazon soll der erste Vulcan-Flug eine kommerzielle Mondlandefähre des Pittsburgher Unternehmens Astrobotic an Bord nehmen.

"Die Verzögerung der Testsatelliten hält uns nicht auf", sagte Steve Metayer, als Vice President verantwortlich für den Bereich Production Operations bei Kuiper. "Wir können die dynamischen Belastungen beim Start in unseren Labors simulieren. Wir können in unseren Kammern die Weltraumumgebung simulieren. Abgesehen von den Entfernungen und der Kommunikation durch die Atmosphäre haben wir am Boden alles getestet, was wir ausprobieren mussten." (hv)