Datensilos müssen aufgebrochen werden
Aber nicht nur die Denkmuster der Mitarbeiter müssen sich ändern. Auch die Datensilos in den einzelnen Abteilungen müssen aufgebrochen werden. Denn überall liegen Informationen, die erst in ihrer Gesamtheit einen "ganzheitlichen Blick auf den Kunden" ermöglichen, wie es Johann Wrede nennt, Vice President Marketing bei SAP Hybris - der Commerce-Sparte des Walldorfer Softwareanbieters. Laut PAC-Studie haben die meisten Unternehmen das Problem, dass CRM-Daten, die Kontakthistorie der Kunden und individuelle Kundenprofile nicht in allen Abteilungen zur Verfügung stehen. Jeder zweite Entscheider, der für die Untersuchung befragt wurde, hält daher den Aufbau eines einheitlichen IT-Systems für zwingend erforderlich, das alle relevanten Informationen verknüpft und unternehmensweit bereit stellt.
IT-Anbieter wie SAP oder Salesforce verfolgen dabei ein Plattformkonzept. SAPs Lösung Hybris Profile etwa zieht Daten aus verschiedenen Quellen im Unternehmen wie CRM oder ERP und kombiniert diese mit Kundeninformationen aus Social-Media-Kanälen wie Twitter oder Facebook. Hinzu kommen Daten, die der Kunde übermittelt, wenn er sich auf der Firmen-Website einloggt. All diese werden miteinander verknüpft und analysiert.
Bei Salesforce spricht Engelhardt von einem plattform-basierten Portfolio aus Lösungen wie Sales Cloud, Service Cloud, Marketing Cloud oder Analytics Cloud. Das Ganze bezeichnet der Software-as-a-Service-Spezialist (SaaS) als Customer Success Platform. Alle Systeme greifen laut Engelhardt "auf eine flexible offene Plattform und einheitliche Datenbasis zu" und sind auch durch "eingewobene Collaboration-Funktionen" miteinander verbunden. So sollen sich die verschiedenen Abteilungen "miteinander sowie auch das Unternehmen mit seinen Kunden und Partnern leichter austauschen können, um durchgängig eine exzellente Customer Experience zu verwirklichen", erklärt Engelhardt.
CRM ist nur ein Teil des Ganzen
Klassisches Customer Relationship Management (CRM) ist in diesen holistischen Ansätzen nur ein Teil des Ganzen. "CRM allein reicht nicht mehr aus", glaubt SAP-Mann Wrede. Man brauche weitere Systeme für eine gute Kundenbindung, die sich um CRM herum gruppieren.
Eine zunehmend wichtigere Rolle spielen dabei Analysetechnologien. Die aggregierten Informationen müssen schließlich möglichst genau analysiert werden, um die eigenen Aktivitäten individuell an jeden einzelnen Kunden anpassen zu können - und dies möglichst in Echtzeit. Im Idealfall soll auch eine vorausschauende Analyse möglich werden, um schon vorhersagen zu können, was der Kunde tun wird. "Wenn der Nutzer eines Produkts zum Beispiel über ein Problem twittert, lässt sich sofort ein Service Ticket generieren und an den Kundenservice schicken, der dem Sachverhalt dann nachgehen kann", erklärt Wrede.
- CRM in der Praxis
In der Studie haben die Autoren viele Zufriedenheitsaspekte abgefragt und anhand der Bewertung und Relevanz in verschiedene Sektoren eingeteilt. - CRM in der Praxis
Vor allem die Usability der CRM-Lösungen sowie deren mobile Einsetzbarkeit sind aus Sicht der Anwenderunternehmen die wichtigen Themen in der nächsten Zukunft. - CRM in der Praxis
Nach wie vor haben viele Anwenderunternehmen Probleme mit der Akzeptanz der eingesetzten CRM-Lösung - ein Dauerthema schon seit vielen Jahren. - CRM in der Praxis
Viele Unternehmen sehen Defizite im mobilen CRM-Einsatz und wollen dementsprechend in diesem Bereich investieren.
Die Möglichkeiten gehen noch weiter. IBM integriert beispielsweise kognitive Technik in seine Commerce-Lösungen. Einsatzbeispiel: Die Website eines Sportartikel-Herstellers erkennt einen User als Anfänger beim Thema Bike-Sport und unterbreitet ihm die passenden Angebote. Im Laufe der Zeit registriert sie dann sein verstärktes Interesse an Ernährungsthemen und an Infos über anspruchsvolle Touren. Dank kognitiver Technik lernt die Website aus diesen Daten, dass sich die Bedürfnisse des Kunden verändert haben. Auf Basis dieser Erkenntnis lässt sich nun wieder ein Angebot direkt auf seine Person zuschneiden.
IBM-Manager Schlösser berichtet sogar von einem Pilotprojekt, in dem die IBM-Technologie Watson als Einkaufsberater bei einem Hersteller von Outdoor-Kleidung fungiert. Der Kunde gibt in diesem Fall zum Beispiel nur an, wo er demnächst seinen Urlaub verbringen wird. Watson stellt ihm dann die passende Ausrüstung zusammen.
Solche Beispiele zeigen, dass Customer Experience viele Entfaltungsmöglichkeiten für Technologien aller Art bietet. Sie lassen aber auch erahnen, dass Unternehmen eventuell tief in die Tasche greifen müssen, wenn das Kundenerlebnis umfassend verbessert wollen. Und das gilt nicht nur für Systeme, die Funktionen wie Machine Learning bieten.
Gute Kundenbindung geht ins Geld
Für den Aufbau seines neues Web-Shops zum Beispiel hat Adolf Pfeiffer fünf Millionen Schweizer Franken gezahlt. Auch der Werkzeuggroßhändler will die Kundendaten eingehend analysieren, um sein Angebot personalisieren zu können. Dafür nutzt das Unternehmen neben der Sales- und Marketing-Cloud von Salesforce die Datenbank Hana von SAP. Doch dabei ist nicht von der Cloud-Version die Rede. Adolf Pfeiffer arbeitet mit der Onpremise-Variante von Hana - für einen Mittelständler ein durchaus ambitioniertes Unterfangen.
Im Moment sei die Technologie auch noch "ein bißchen oversized", räumt Geschäftsführer Schmidt ein. "Doch spätestens in drei bis fünf Jahren werden wir Hana brauchen, um Daten in Echtzeit zu verarbeiten." Die Investition konnte sich das Unternehmen vor allem deshalb leisten, weil es durch die Schweizer Holding Brütsch Rüegger von einem finanzstarken Mutterkonzern unterstützt wird.
Die IT-Anbieter verweisen gerne auf die Cloud, dank der Technologien auch für Firmen mit begrenztem Budget erschwinglich sein sollen. Salesforce und SAP heben zum Beispiel ihre jeweiliges Angebot an Einzelapplikationen aus dem weiten Feld an CRM- und Commerce-Technik hervor.
Trotzdem darf der Aufwand nicht unterschätzt werden. Firmen starten in der Regel nicht auf der grünen Wiese und müssen eine ganze Reihe von Bestandssystemen in eine Customer-Exprience-Strategie einbinden.
Werkzeug- und Maschinenhändler Schmidt glaubt dennoch, dass sich der Aufwand lohnen wird. Er berichtet von Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass allein eine individuelle Ansprache der Kunden den Umsatz um 20 bis 30 Prozent steigern kann. Ob die Strategie aber erfolgreich sein wird und die Rechnung aufgeht, werde erst die Zukunft zeigen. "Die kommenden drei bis fünf Jahren werden entscheidend sein für uns."