Greenfield-Approach im Bankwesen

Alles auf Anfang - Digitalisierung ausprobieren

10.07.2018
Von 


Vincenzo Fiore ist Gründer und CEO von Auriga. Nachdem er 1988 sein Studium der Informationswissenschaften mit einem Diplom abgeschlossen hatte, war er zunächst als Consultant im Bereich der technischen Informatik tätig. Er ist Experte auf dem Gebiet der Software und Anwendungslösungen für den Bankensektor und andere Finanzinstitute, insbesondere für Bezahlsysteme und das Omnichannel-Banking.

Neustart statt Altlast

Mit diesem Ansatz können Banken ihr Kerngeschäft weiterhin laufen lassen, aber parallel neue Ideen entwickeln und digitale Initiativen ausprobieren. Ein Vorteil für Finanzinstitute ist, dass sie sich bei diesen Projekten voll und ganz auf die Problemstellung fokussieren können. Zudem fließen Ressourcen, die beispielsweise für Altlasten oder die Integration des Projekts an das bestehende Geschäft benötigt werden würden, effizienter in die Projektumsetzung. Hier herrscht fast schon eine Start-up-Mentalität. Greenfield-Projekte werden oftmals von jungen, agilen Teams geleitet, die auch von unterschiedlichen Orten arbeiten können, aber direkt an die Führungsebene berichten und nicht durch übergeordnete Hierarchiestrukturen ausgebremst werden.

Wenn ein Projekt gut läuft, ist nicht auszuschließen, dass ein Spin-Off gegründet werden kann. Bleibt der Erfolg hingegen aus, kann das Nebengeschäft viel einfacher abgewickelt werden als ein erfolgloses Digitalprojekt im Kerngeschäft. Greenfield-Projekte sind vor allem im Bereich technologischer Trends wie Big Data Analytics oder künstliche Intelligenz vorstellbar, das heißt für Technologien, die sich direkt auf das Nutzererlebnis und die Kundenzufriedenheit auswirken. So sollten sich Banken beispielweise beim Thema Open APIs nicht auf alte Technologien verlassen, denn diese würden einerseits das Kundenerlebnis negativ beeinflussen und andererseits kostspielige Wartungen mit sich bringen. Hinzu kommt, dass Banken flexible und reaktionsschnelle Systeme benötigen, um neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen - mit veralteter Technik lässt sich das Ziel kaum realisieren. Greenfield-Projekte können sehr erfolgreich sein und sich langfristig zu einem wichtigen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen entwickeln. Damit das gelingt, muss das System während der Einführung schrittweise getestet werden können sowie ausreichend Benutzer haben, um Zugkraft aufzubauen und der Erfolg muss messbar nachgewiesen werden können.

Digitalisierung des Kerngeschäfts nicht aus dem Auge verlieren

Können Banken mit Hilfe der Greenfield-Methode das Dilemma lösen und ihren Kunden all die Digital-Services bieten, die sie gerne hätten? Bei all der Euphorie, die Bank-Manager jetzt verspüren könnten und schon erste Greenfield-Projektideen austüfteln, darf das Kerngeschäft nicht vernachlässigt werden. Ein erfolgreiches digitales Nebengeschäft erspart dem Kerngeschäft nicht die digitale Transformation. Allerdings ist es eine aussichtsreiche Möglichkeit, um anfangs Ressourcen zu sparen und sich auszuprobieren. Sobald sich der Erfolg in der neuen Geschäftseinheit abzeichnet, kann das Projekt als Vorbild und Best Practice gesehen werden, um die unternehmensinternen Hindernisse des Hauptgeschäfts zu überwinden.

Wem der Greenfield-Ansatz zu innovativ oder risikoreich erscheint, kann alternativ einen bimodalen Ansatz verfolgen. Hierbei existieren sowohl Greenfield- als auch Brownfield-Projekte nebeneinander und das Unternehmen vereint die Vorzüge beider Welten: neue Technologien und Prozesse mit Branchenwissen und Sicherheit der aktuellen Systeme.

Ob Greenfield-Approach oder bimodaler-Ansatz: So oder so könnten Banken noch den nächsten Zug mit Ziel Digitalisierung erwischen und dafür sorgen, dass sie nicht einsam am Bahnsteig der Abgehängten stehen bleiben müssen. (mb)