FAQ Digitaler Euro

Alle Fakten zur virtuellen Währung

27.10.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Nachdem schon jahrelang darüber spekuliert wurde, soll er nun kommen, der digitale Euro. Doch was bedeutet die virtuelle Währung für Konsumenten und Unternehmen? Hier die wichtigsten Antworten.
Die EZB arbeitet am digitalen Euro. Doch bis die virtuelle Währung wirklich kommt, dürften noch etliche Jahre ins Land gehen.
Die EZB arbeitet am digitalen Euro. Doch bis die virtuelle Währung wirklich kommt, dürften noch etliche Jahre ins Land gehen.
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Was ist der digitale Euro? Der digitale Euro ist eine virtuelle Version des realen Euro. Dementsprechend ist auch der Wert identisch: Ein digitaler Euro ist genauso viel wert wie eine Ein-Euro-Münze. Der digitale Euro wird genauso wie der reale von der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgegeben. Er wäre also offizielles gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt. Jeder Händler und jedes Geschäft im Euro-Raum müssen dann das virtuelle Geld annehmen. Inwieweit kleine Geschäfte davon ausgenommen werden, weil sich für sie Anschaffung und Unterhalt der dafür notwendigen technischen Infrastruktur nicht lohnt, ist noch unklar.

Was ist der Unterschied zu anderen Kryptowährungen?

Der zentrale Unterschied zu Bitcoin und Co. ist die Tatsache, dass der digitale Euro von der Zentralbank gestützt wird, die als Währungshüter auch für die Stabilität des digitalen Geldes einsteht. Anders als solch eine FIAT-Währung unterliegen unabhängige Kryptowährungen wie der Bitcoin starken Schwankungen und bergen viele Risiken. Panikreaktionen beispielsweise infolge erfolgreicher Hackerangriffe oder millionenschwere Diebstahl-Coups können ein ungedecktes System von Kryptowerten schnell in Schieflage bringen. Der digitale Euro wird eine stabile, staatlich gedeckte Währung sein, kein Spekulationsobjekt.

Warum braucht es den digitalen Euro?

Die EU-Politiker sind der Auffassung, dass eine zunehmend digitalisierte Wirtschaft auch eine digitale Währung braucht. Außerdem befürchten sie, angesichts des tiefgreifenden digitalen Wandels ins Hintertreffen zu geraten. So hatte die Facebook-Mutter Meta Platforms mit ihrem letztendlich vergeblichen Vorstoß, die eigene Währung Libra herauszubringen, für tiefe Verunsicherung auch in Brüssel gesorgt.

Solche Bigtech-Unternehmen mit ihrer großen Kundenbasis im Rücken könnten globale Stablecoins einführen und der Politik sukzessive die Geld-Kontrolle entziehen, ließ die EZB durchblicken. "Dadurch steigt das Risiko, dass unser Zahlungsverkehrsmarkt von Zahlungslösungen und -technologien aus Ländern außerhalb Europas dominiert wird."

Was die Europäische Zentralbank zum digitalen Euro sagt

Außerdem planen auch andere Zentralbanken eigene digitale Währungen, sogenannten Central Bank Digital Currencies (CBDCs). Schätzungen zufolge arbeiten weltweit über 100 Länder an einer eigenen CBDC. Gerade große Volkswirtschaften mit der entsprechenden Marktmacht könnten dafür sorgen, dass sich ihr virtuelles Geld schnell grenzüberschreitend verbreitet. Letztlich könnte dies die internationale Rolle des Euro untergraben, befürchten die EZB-Verantwortlichen. Denn mit einer digitalen Variante werde die Attraktivität einer Währung steigen. Solche Währungen hätten bessere Chancen, als globale Zahlungseinheiten verwendet zu werden.

Wie funktioniert der digitale Euro?

Ausgegeben wird der digitale Euro von der Europäischen Zentralbank an die jeweiligen Geschäftsbanken in den Euro-Ländern. Dort können Verbraucherinnen und Verbraucher Konten (eines oder auch mehrere) für digitale Euros anlegen. Nutzen lässt sich das digitale Geld dann online wie offline. Im Online-Shopping dürften für die Konsumenten kaum Unterschiede spürbar sein - nur dass Zahlungen nicht mehr per Online-Überweisung oder über Dienstleister wie PayPal laufen, sondern direkt über das eigene Digital-Konto.

Unterwegs benötigen Verbraucher für ihre digitalen Euros eine digitale Geldbörse - neudeutsch Wallet. Das kann eine Smartphone-App sein oder - als Offline-Version - eine Smartcard oder möglicherweise auch eine Zusatzfunktion auf dem Ausweis. EU-Bürgerinnen und -Bürger dürfen allerdings nicht unbegrenzt Euros in so einer Wallet ablegen. Auf welchen Höchstbetrag sich die Beteiligten einigen werden, steht noch nicht fest. Diskutiert wird ein Wert zwischen 500 und 3000 Euro.

Welche Technik steckt hinter dem digitalen Euro?

Hinter der Technik stehen noch etliche Fragezeichen. Die EZB erklärte, sie teste gerade verschiedene Ansätze und Technologien zur Bereitstellung, darunter auch zentrale und dezentrale Lösungen wie die Distributed Ledger Technology. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen.

Wie unterscheidet sich der digitale Euro von anderen digitalen Bezahlplattformen?

Der digitale Euro ist ein virtuelles Pendant zum Bargeld. Hinter den Diensten von PayPal und Co. steht dagegen nach wie vor eine Kreditkarte, ein Konto und damit letztendlich reales Bargeld. Das ist beim digitalen Euro anders. Hier handelt es sich wirklich um virtuelles Geld. Um den digitalen Euro zu nutzen, braucht es keine Internetverbindung. Konsumenten können digitale Euros in einer "Peer-to-Peer"-Verbindung auch direkt untereinander austauschen, ohne dass eine Bank oder irgendein anderer Finanzdienstleister in die Transaktion eingeschaltet ist.

Was kostet der digitale Euro den Bürger?

Grundlegende Dienstleistungen wie das Eröffnen und Schließen eines digitalen Euro-Kontos, die Abfrage von Kontoständen, die Einzahlung und Auszahlung von Geldern auf andere Konten sowie Überweisungen und Zahlungen sollen kostenlos sein. Nutzerinnen und Nutzern würden bei Einkäufen keine Gebühren in Rechnung gestellt, so die EZB. Privatbanken könnten ihre Kunden allerdings Gebühren für Geschäftskonten berechnen, mit denen der digitale Euro verknüpft werden kann, sowie für über die Basisdienste hinausgehende Dienstleistungen. Die EZB erwartet, dass die digitale Währung den Online-Einkauf günstiger machen wird, weil keine Gebühren für Zahlungsdienstleister mehr anfallen.

Wie sieht es mit dem Datenschutz beim digitalen Euro aus?

Der digitale Euro sei kein Big-Brother-Projekt, versprechen die EU-Vertreter. Der Datenschutz werde genauso ernst genommen wie bei privatwirtschaftlichen digitalen Zahlungsmitteln. Man habe kein Interesse daran, die Zahlungsdaten einzelner Personen zu erheben, deren Zahlungsverhalten nachzuverfolgen oder Daten an staatliche Stellen und andere öffentliche Einrichtungen weiterzugeben.

Mit einem digitalen Euro könnten die Menschen bezahlen, ohne ihre Daten an Dritte weitergeben zu müssen - es sei denn, die Daten würden benötigt, um illegale Aktivitäten zu verhindern. Anwender müssten sich beim ersten Zugriff auf Dienstleistungen rund um den digitalen Euro wahrscheinlich identifizieren. Bei den Zahlungen selbst aber würden dann unterschiedliche Datenschutzstufen eingehalten, heißt es bei der EZB.

Manche Skeptiker befürchten allerdings, dass die Technologie dazu missbraucht werden könnte, die Finanzen von EU-Bürgern in einem nie gekannten Ausmaß zu überwachen, zu begrenzen und zu kontrollieren. Ihre Kritik im Einzelnen:

  • Während man Bargeld jederzeit anonym annehmen und ausgeben kann, soll man digitale Euros nur noch mit einem Konto gegen Ausweisvorlage erhalten und ausgeben können. Für manche Bevölkerungsgruppen, zum Beispiel Geflüchtete ohne Papiere, sei das problematisch.

  • Während die Menschen unbegrenzt Bargeld besitzen und weitergeben dürfen, soll die Menge an digitalen Euros auf den virtuellen Konten limitiert werden.

  • Während mit Bargeld auch vertrauliche Zahlungen und kontroverse Spenden anonym und ohne Furcht vor Bekanntwerden möglich sind, hinterlassen Zahlungen mit dem digitalen Euro immer online Spuren.

Welche Kritik gibt es am digitalen Euro?

Neben Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und einer angeblich unzureichenden Anonymität könnte der geringe Zuspruch in der Bevölkerung zum Problem werden. Laut einer Umfrage im Auftrag des Bankenverbandes BdB stimmen drei Viertel von rund 1.000 befragten Deutschen der Aussage zu, ein digitaler Euro sei nicht notwendig, weil vorhandene Zahlungsmöglichkeiten mit Bargeld, Kredit- und Bankkarten sowie diversen Online-Bezahlservices wie PayPal, Klarna oder ApplePay ausreichten. Ferner gibt es Bedenken hinsichtlich der technischen Sicherheit.

Zudem sehen viele die Gefahr einer tiefer werdenden digitalen Spaltung. Nicht alle Menschen hätten Zugang zu den notwendigen Tools oder seien in der Lage, damit richtig umzugehen. Das könne dazu führen, dass Menschen vom digitalen Finanzsystem ausgeschlossen würden. Kritiker warnen außerdem vor möglichen destabilisierenden Folgen für das gesamte Finanzsystem. Ihrer Ansicht nach könnte ein digitaler Euro die Kontrolle über die Geldmenge erschweren und damit zu einer höheren Inflation führen.

Bedeutet der digitale Euro das Ende des Bargeldes?

Das Bargeld soll mit dem digitalen Euro nicht abgeschafft werden.
Das Bargeld soll mit dem digitalen Euro nicht abgeschafft werden.
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Der digitale Euro soll das Bargeld ergänzen, nicht ersetzen, betonen die Verantwortlichen der EU-Kommission und der EZB. Auch in Zukunft sollen die Europäer wie gewohnt mit Euro-Münzen und -Scheinen bezahlen können. Bargeld bleibe ein wichtiger Eckpfeiler für die strategische Autonomie Europas im Zahlungsverkehr und die Währungssouveränität. Gerade im Fall geopolitischer Spannungen oder wenn Sanktionen gegen Europa verhängt würden, biete Bargeld eine alternative Bezahlmöglichkeit. Die meisten elektronischen Zahlungslösungen würden derzeit von Unternehmen betrieben, deren Sitz außerhalb der EU liege, konstatieren die EU-Politiker.

Wann kommt der digitale Euro?

Das steht noch in den Sternen. Im Oktober 2023 wurde die vor zwei Jahren gestartete Untersuchungsphase abgeschlossen. Hier wurde grundsätzlich geprüft, wie ein digitaler Euro aussehen und wie er ausgegeben werden könnte. Darauf folgend beginnt am 1. November 2023 die Vorbereitungsphase, um den Weg für eine mögliche zukünftige Entscheidung über die Ausgabe eines digitalen Euro zu ebnen. Darüber hinaus sollen das Regelwerk fertiggestellt und Anbieter für die Entwicklung von Plattform und Infrastruktur ausgewählt werden. Auch die Vorbereitungsphase ist zunächst auf zwei Jahre angelegt.

Geprüft wird auch, welche Auswirkungen ein digitaler Euro auf den Markt haben könnte. Liegen die Ergebnisse vor, wollen die EU-Gremien entscheiden, ob und wann mit der Entwicklung eines digitalen Euro begonnen werden soll. Bis dann alle technischen und organisatorischen Herausforderungen gelöst sind und sich die Wallets auf unseren Smartphones mit digitalen Euros füllen, dürften allerdings noch viele Jahre vergehen. Die EU-Kommission geht davon aus, dass die virtuelle Währung frühestens 2028 starten könnte.

Wie regieren die Banken auf den digitalen Euro?

Mit Skepsis und teils deutlicher Kritik. Der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) fordert etwa, dass sich die wichtigsten Eigenschaften des Bargelds, Offline-Fähigkeit und Anonymität, auch bei einem digitalen Euro wiederfinden müssten. Außerdem dürfe die Arbeitsteilung zwischen Zentralbank und Geschäftsbanken nicht angetastet werden. Die BVR-Verantwortlichen befürchten zu viel Macht für die EZB, wenn der digitale Euro als Quasi-staatliches Girokonto ausgestaltet wird. Das käme aus Sicht der Banker einer Teilverstaatlichung des privaten Finanzsektors gleich und würde die Privatbanken zum Filialnetz der EZB degradieren.