Mit Produkten wie dem Acrobat Reader und Photoshop hat Adobe Softwaregeschichte geschrieben. Es dürfte kaum einen Rechner geben, auf dem Designer und andere kreative Menschen Bilder oder Videos bearbeiten, Animationen oder Grafiken bauen oder Texte sowie Layouts entwickeln, auf dem keine Software von Adobe läuft. Diesen bemerkenswerten Status hat sich Adobe über Jahrzehnte erarbeitet. Jetzt im Dezember 2022 feiert die Software-Company ihren 40. Geburtstag.
Alles begann Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. John Warnock und Charles Geschke forschten im Palo Alto Research Center (PARC) von Xerox an Grafiksystemen, die geräteunabhängig arbeiten sollten. Sie erfanden die Seitenbeschreibungssprache "Interpress". Da ihr Arbeitgeber jedoch nicht gewillt war, ihre Erfindung weiter zu vermarkten, beschlossen Warnock und Geschke ihr eigenes Ding zu machen. Sie kündigten und gründeten im Dezember ihr eigenes Unternehmen - Adobe.
Den Firmennamen liehen sich die Gründer vom Adobe Creek, einem Bach, der hinter Warnocks Haus im kalifornischen Los Altos verlief. Der Lehm in seinem Bett gab dem Flüsschen seinen Namen - Adobe bedeutet im Spanischen "Lehmziegel". Damit wollten Warnock und Geschke einen Bezug herstellen zwischen ihrem Softwareunternehmen und handfester Kreativität, egal ob Bauen mit Lehmziegeln und Bauen am Computer. Das stilisierte A im Firmenlogo entwickelte Warnocks Frau Marva, eine Grafikdesignerin. Von ihr wusste John immer aus erster Hand, was die kreativen Köpfe benötigten.
Das Computerzeitalter bricht an
Damals herrschte Aufbruchsstimmung. Die ersten Computer kamen auf. Steve Jobs hatte 1976 ebenfalls in Los Altos gemeinsam mit Steve Wozniak Apple aus der Taufe gehoben. Beide arbeiteten an ihren Macintosh-Rechner mit den ersten grafischen Benutzeroberflächen. Jobs erkannte früh das Potenzial von Adobe und der mittlerweile in Postscript umbenannten Seitenbeschreibungssprache. Er wollte Adobe kaufen, für fünf Millionen Dollar. Doch Warnock und Geschke lehnten ab. Ihre Geldgeber forderten jedoch, dass Adobe die Gelegenheit, mit Apple ins Geschäft zu kommen, nicht so einfach beiseite wischen dürfe. So erhielt Jobs einen Anteil an Adobe sowie eine Fünf-Jahres-Lizenz für Postscript. Damit begann eine beispiellose Erfolgsgeschichte.
Postscript war die Basis. Die Sprache beschreibt, wie eine Seite "gezeichnet" wird, indem alles auf der Seite in mathematische Vektorkurven übersetzt wird. Allerdings musste man am Anfang ein Programmierer sein, um Postscript schreiben zu können. Das änderte sich mit dem "Illustrator". Kreative erhielten damit erstmals eine Software an die Hand, mit der sie am Computer zeichnen konnten. Illustrator übersetzte alles im Hintergrund in Postscript-Code.
Weitere Meilensteine folgten Schlag auf Schlag: 1989 veröffentlichte Adobe die Bildbearbeitung Photoshop, 1991 folgte mit Premiere eine Software für Video-Editing und 1993 führte der Hersteller das Portable Document Format (PDF) ein, das sich gemeinsam mit dem Acrobat Reader zu einem Standard für das Handling von Dokumenten entwickeln sollte.
Übernahme von Macromedia macht den Weg frei
Adobe hat über die Jahre sein Softwareportfolio kontinuierlich ausgebaut und dabei auch auf Akquisitionen gesetzt. Mit der Übernahme von Aldus (440 Millionen Dollar) kam 1994 das Layout-Programm PageMaker zu Adobe, das später durch InDesign ersetzt wurde. 2005 schluckte der Softwarehersteller mit Macromedia (3,6 Milliarden Dollar) den Hauptkonkurrenten im Kreativmarkt. Damit kamen Produkte wie Adobe Flash, Acrobat Connect (zuvor Macromedia Breeze) und Adobe Dreamweaver ins Rollen. 2009 legte Adobe mit dem Kauf des Internet-Analysespezialisten Omniture (1,8 Milliarden Dollar) die Grundlage das spätere Standbein Marketing-Software.
Mit dem Beginn des neuen Jahrtausends veränderte sich einiges in der Strategie von Adobe. Die Gründer zogen sich zurück und Bruce Chizen übernahm das Ruder von Warnock, der das Unternehmen bis dahin als CEO geleitet hatte. Um Ordnung in seiner immer breiter werdenden Softwarepalette zu schaffen, begann Adobe seine Produkte zu bündeln. 2003 kam die erste Creative Suite heraus. In der Folge konnten Anwenderinnen und Anwender unter verschiedenen Ausprägungen wählen: Design, Web, Video oder der kompletten Master-Collection.
Die nächste Ära in Adobes Geschichte begann mit Shantanu Narayen, der 2007 den Chefposten von Chizen übernahm, und Adobe bis heute als CEO, President und Chairman leitet. Narayen erkannte früh den Umbruch in Richtung Cloud und steuerte Adobe von Anfang sehr konsequent in diese Richtung. 2011 stellte der Konzern seine erste Creative Cloud vor und baute seine Geschäftsmodell radikal vom Lizenzverkauf auf ein Mietmodell um. Es folgten die Document Cloud und die Marketing Cloud.
Subscription-Modell kompromisslos durchgesetzt
Mit dem Umstieg auf das Subscription-Modell in der Cloud machte sich Adobe nicht nur Freunde in der Kreativ-Szene. Viele trauerten ihren klassischen Softwarepaketen nach. Außerdem treibt das Abonnement-Modell immer neue Blüten - auch zum Ärger der Nutzer. Erst im Herbst 2022 hatte Adobe angekündigt, dass Nutzerinnen und Nutzer künftig für Farbbibliotheken, die sogenannten Pantone-Farbbücher, extra bezahlen müssen. Wer nicht zahlt, sieht schwarz - im wahrsten Sinne des Wortes.
Doch Adobe-Chef Narayen ließ sich nicht beirren und hielt an dem Mietmodell kompromisslos fest. Darüber hinaus baute er das Portfolio immer weiter aus - vor allem durch Übernahmen. Mit den Zukäufen von Magento (1,7 Milliarden Dollar) und Marketo (4,75 Milliarden Dollar) brachte Adobe 2018 seine Marketing-Lösungen eine großen Schritt voran.
Adobe und Oracle investieren in ihre CDPs
Erst im September 2022 folgte der teuerste Deal der Firmengeschichte. Um sich im Collaboration-Bereich zu verstärken, will Adobe den Konkurrenten Figma für rund 20 Milliarden Dollar in bar und in Aktien übernehmen. Figma entwickelt Cloud-basierte Design-Software, die es Teams ermöglicht, in Echtzeit zusammenzuarbeiten. Gemeinsam werde man die Zukunft der Kreativität und Produktivität neu gestalten, die Kreativität im Web beschleunigen, das Produktdesign vorantreiben und globale Gemeinschaften von Kreativen, Designern und Entwicklern inspirieren, gab Adobe bekannt.
Teure Wette auf die Zukunft
Das ist eine teure Wette, die Narayen auf die Zukunft Adobes eingeht. Auch wenn der Zukauf aus produktstrategischer Perspektive durchaus Sinn mache, sei der Preis zu hoch, so das Urteil vieler Analysten. Das 2012 gegründete Unternehmen, das sich auch in diesem Jahr wieder im Top 100 Cloud Ranking von Forbes platzieren konnte - auf Rang fünf -, wurde zuletzt mit etwa zehn Milliarden Dollar bewertet.
Blick in die Vergangenheit: Adobe-Chef Shantanu Narayen im CW-Exklusiv-Interview - 2011
Bis dato hat Narayen Adobe gut durch alle Krisen gesteuert. Zwar hat auch Adobe wie viele anderen Tech-Werte zuletzt deutlich an Marktkapitalisierung eingebüßt. Der Wert der Aktie hat sich von ihrem Höchststand von etwa 680 Dollar Mitte November 2021 auf aktuell rund 340 Dollar halbiert. Doch zumindest die Zahlen stimmen. Mitte Dezember hat Adobe seine Bilanz für das Ende November abgelaufene Geschäftsjahr 2022 vorgelegt. Mit Einnahmen von 17,6 Milliarden Dollar stieg der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 12 Prozent. Unter dem Strich stand ein Gewinn von etwa 4,76 Milliarden Dollar, nur geringfügig weniger als im vorangegangenen Geschäftsjahr (4,82 Milliarden Dollar).
Adobe setzt zudem verstärkt auf Kooperationen, um sein Standing im globalen Softwaregeschäft abzusichern. Im Dezember 2021 kündigten Microsoft und Adobe an, ihre Software stärker miteinander verzahnen zu wollen. Adobe wird seine PDF-, Signatur- und Dokumenten-Tools eng mit Microsoft 365 verknüpfen, hieß es. Die hybride Arbeitswelt soll einfacher werden, versprachen die Softwarekonzerne. Im Mai 2020 hatte Adobe eine Partnerschaft mit ServiceNow verkündet. Der Plan: Die "Adobe Experience Platform" mit dem "Customer-Service-Management"-Produkt von ServiceNow verknüpfen, um Marketing- und Kundenservice-Teams die nahtlose Zusammenarbeit in einem digitalen Workflow zu ermöglichen.
Adobe scheint also mit einem blauen Auge durch die Krise zu kommen. Die Nachfrage nach Lösungen für Kreative scheint ungebrochen. "Wir empfinden große Demut darüber, dass mehr als eine Milliarde Menschen in über 150 Ländern unsere Anwendungen nutzen", hatte Narayen kurz vor dem Geburtstag Adobes in einer Mitteilung an die Beschäftigten geschrieben.
Avatar - Meilenstein der Filmgeschichte
Immer wieder ist Adobe-Software mit im Spiel, wenn Meilensteine in kreativen Genres gesetzt werden. Gerade kam der zweite Teil des erfolgreichsten Kinofilms aller Zeiten in die Filmtheater, "Avatar - The Way of Water". Schon beim ersten Teil hatte Regisseur James Cameron 2009 seine Konzeptstudien mit Adobe Photoshop entworfen, damit auch die Texturen seiner Fabelwesen gestaltet. Und mit Adobe After Effects hat Cameron das Compositing des Films in Echtzeit entwickelt.