Bitkom warnt vor wirtschaftlichen Folgen

82.000 IT-Stellen sind unbesetzt

21.12.2018
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Zahl der nicht besetzten IT-Stellen ist gegenüber dem Vorjahr noch einmal deutlich angestiegen. Viele Unternehmen sehen in dem Fachkräftemangel inzwischen ein massives Problem für ihren Betrieb. Der Bitkom warnt vor ernsten wirtschaftlichen Folgen für den Standort Deutschland.

Der Mangel an IT-Fachkräften habe einen neuen Höchststand erreicht, meldet der ITK-Branchenverband Bitkom. In Deutschland gebe es derzeit 82.000 offene Stellen für IT-Spezialisten. Nach Angaben des Lobbyverbands der hiesigen IT-Anbieter entspricht das einem Anstieg um 49 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2017 seien 55.000 Stellen offen gewesen. Die Zahlen resultieren aus einer aktuellen Studie des Verbands zum Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte. Dafür wurden mehr als 800 Geschäftsführer und Personalverantwortliche in Unternehmen aller Branchen befragt.

IT-Spezialisten - verzweifelt gesucht!
IT-Spezialisten - verzweifelt gesucht!
Foto: durantelallera - shutterstock.com

Demnach konstatieren acht von zehn Managern (82 Prozent) einen Mangel an IT-Spezialisten. Vor einem Jahr waren es noch rund zwei Drittel (67 Prozent). Die Unternehmen gehen ­davon aus, dass die Zahl unbesetzter Stellen weiter steigen wird. Sechs von zehn Betrieben erwarten, dass sich der Fachkräftemangel in Zukunft noch verschärfen wird. Im Durchschnitt dauere es fünf Monate, eine offene IT-Stelle zu besetzen. Fachkräftemangel bremst Firmen Jedes dritte Unternehmen (31 Prozent) berichtet, dass IT-Jobs langsamer besetzt würden als andere Positionen.

IT-Spezialisten händeringend gesucht

"Quer durch alle Branchen werden IT-Spezialisten hände­ringend gesucht", sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Der Fachkräftemangel könne schon bald zur bedrohlichen Wachs­tumsbremse werden. Jede unbesetzte Stelle bedeute einen Verlust an Wertschöpfung und Innovation, so der Bitkom-Sprecher. Der Fachkräftemangel lässt die Gehaltsvorstellungen der Bewerber explodieren. Drei von vier Unternehmen (76 Prozent) erklären, die Bewerber verlangten zu viel Geld. Vier von zehn (38 Prozent) bemängeln die unzureichende fachliche Qualifikation und ein gutes Drittel der Befragten (35 Prozent) vermisst Soft Skills wie etwa Sozialkompetenz.

Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der nicht besetzten IT-Stellen noch einmal deutlich gewachsen.
Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der nicht besetzten IT-Stellen noch einmal deutlich gewachsen.
Foto: Bitkom

Die besten Aussichten auf dem IT-Arbeitsmarkt haben dem Bitkom zufolge Software-Entwickler. Drei von zehn Unternehmen aller Branchen (29 Prozent) mit mindestens einer offenen IT-Stelle suchten Programmierer. Dahinter folgen Projektmanager (17 Prozent), Anwendungsbetreuer (13 Prozent), Qualitätsmanager (neun Prozent) und Sicherheitsexperten (acht Prozent). Einen aufsteigenden Trend gibt es bei den vergleichsweise neuen Profilen Data Scientist (sieben Prozent) und Virtual Reality Designer (sechs Prozent). "Die IT-Berufe differenzieren sich immer weiter aus und es entstehen immer neue Berufsbilder", sagt Rohleder.

Bei der Personalsuche setzten die Unternehmen vor allem aufs Internet, konstatieren die Bitkom-Verantwortlichen. Neun von zehn (92 Prozent) Unternehmen veröffentlichten Job-Angebote auf der eigenen Webseite beziehungsweise einer zugehörigen Karriereseite. Sieben von zehn (70 Prozent) suchten über die Arbeitsagentur nach Mitarbeitern, etwa ebenso viele (69 Prozent) verlassen sich auf Mund-zu-Mund-Propaganda beziehungsweise persönliche Kontakte. Jedes zweite Unternehmen nutzt Online-Stellenbörsen (51 Prozent) oder Business-Netzwerke wie LinkedIn oder Xing (50 Prozent), jeder vierte Betrieb Soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter (28 Prozent).

Immer mehr Unternehmen sehen in dem Fachkräftemangel ein Problem für ihren Geschäftsbetrieb.
Immer mehr Unternehmen sehen in dem Fachkräftemangel ein Problem für ihren Geschäftsbetrieb.
Foto: Bitkom

Für das künftige Recruiting werden in den Erwartungen der Unternehmen Online-Medien und direkte Kontakte immer wichtiger, prognostiziert der Lobbyverband. An Bedeutung gewinnen würden zudem Online-Stellenbörsen wie Monster oder Stepstone (69 Prozent), Karrieremessen (61 Prozent), Personalvermittlungen beziehungsweise Headhunter (54 Prozent) und Kooperationen mit Hochschulen und deren Netzwerken (51 Prozent). Dagegen würden klassische Kanäle wie Zeitungen (87 Prozent), Fachmagazine (70 Prozent) und Arbeitsagentur (45 Prozent) an Bedeutung verlieren.

Vor diesem Hintergrund begrüßte der Bitkom den Entwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, den das Bundeskabinett am 19. Dezember verabschiedet hat. "Der Gesetzesentwurf hat das Potenzial, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken, indem er qualifizierte Einwanderung ermöglicht und den Fachkräftemangel lindert", sagte Rohleder. Positiv sei hervorzuheben, dass die Vorrangprüfung künftig entfallen soll, und IT-Fachkräfte auch ohne formalen Abschluss Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten sollen. Gerade in der IT spielten Studienabschlüsse eine nachrangige Rolle.

Deutsche Sprachkenntnisse eher nachrangig

Nachbesserungen erwartet der Verband bei der Anforderung guter deutscher Sprachkenntnisse. In vielen Unternehmen der digitalen Wirtschaft arbeiteten internationale Teams, "man spreche und schreibe Englisch", konstatiert der Verbandspräsident. Ein Software-Entwickler müsse coden können, "darum geht es und nicht um geschliffenes Deutsch". Außerdem müssten die Antragsverfahren durchgängig digital ablaufen und so der bürokratische Aufwand gesenkt und die Bearbeitungszeit beschleunigt werden.

Der Bitkom verweist außerdem auf eine eigene Umfrage unter 1000 Personen über 18 Jahren, wonach 87 Prozent der befragten Bürger quer durch alle Altersklassen dafür sei, dass die Politik die Zuwanderung von auf dem Arbeitsmarkt gefragten nicht-akademischen Berufen, wie etwa Pfleger oder Handwerker, fördern sollte. Auch die Zuwanderung in akademischen Mangelberufen, wie etwa IT-Spezialisten oder Ärzte, sollte nach Ansicht der Befragten gezielt gefördert werden. Drei Viertel aller Befragten (75 Prozent) sind dafür. Zwei Drittel aller Befragten (67 Prozent) seien außerdem der Meinung, dass Zuwanderung sogar dringend nötig sei, um Wohlstand und Wirtschaftswachstum in Deutschland zu halten. Dabei gebe es kaum Unterschiede zwischen den Altersgruppen.