Schlechtes Timing

8 folgenschwere Fehler in IT-Großprojekten

12.06.2023
Von 
John Edwards ist freier Autor für Themen rund um die Business-IT.
Für den Erfolg einer IT-Initiative ist das richtige Timing wichtiger, als man denkt. Wer Fehler macht, ruiniert nicht nur das Projekt.
Schlechtes Timing kann IT-Großprojekte ins Wanken bringen. Dagegen hilft eine gründliche Planung und das Vermeiden typischer Fehler.
Schlechtes Timing kann IT-Großprojekte ins Wanken bringen. Dagegen hilft eine gründliche Planung und das Vermeiden typischer Fehler.
Foto: Ground Picture - shutterstock.com

Die Planung und Realisierung einer strategischen IT-Initiative zählt zu den größten Herausforderungen für den CIO. Alles muss stimmen: Technologie, Ziele, die finanzielle Grundlage und vor allem der Zeitpunkt. Wird eine Initiative zu früh gestartet, kann die Technologie unreif und fehlerbehaftet sein. Wird das Projekt hingegen nicht rechtzeitig gestartet, kann dies bedeuten, dass man gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen gerät.

Um genau bestimmen, wann eine kritische IT-Initiative gestartet werden sollte, ist umfassendes Fachwissen zum Unternehmen, den Märkten und den geplanten Technologien erforderlich. Die meisten CIOs sind darauf vorbereitet, doch es ist ebenso wichtig, potenzielle Fallstricke auf dem Weg zu erkennen. Diese acht typischen Fehler beim Timing von IT-Großprojekten sollten Sie vermeiden:

Fehler 1: Unzureichende Führung

Für Suneet Dua, Chief Revenue and Growth Officer für Produkte und Technologie bei der Beratungsfirma PwC, ist die Führung eine Schlüsselkomponente, um größere Transformationsprojekt zeitlich korrekt zu planen - noch vor Strategie und Technologie. Unzureichende Führung und mangelndes Engagement des Teams können zu Verzögerungen und zeitraubenden Fehlern führen. "Wenn Sie schnell erkennen, wo Fehler gemacht wurden, und Ihre Mitarbeiter in die Lösung einbeziehen, kann dies eine gute Maßnahme zur Schadensbegrenzung sein", erklärt er.

Viele Fehler beim IT-Timing lassen sich auf Spannungen zwischen der IT-Organisation und anderen Abteilungen zurückführen. "Um IT-Initiativen erfolgreich voranzutreiben, müssen IT-Entscheider über die Grenzen der IT-Abteilung hinaus agieren und alle Manager auf ihre digitale Reise mitnehmen", rät Dua.

Fehler 2: Schlechte Planung

Mangelhafte Planung führt häufig zu einem schlechten Timing. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Initiative mit etablierten Prozessen kollidiert. "Sehr oft versäumen es IT-Teams, Nicht-IT-bezogene Aktivitäten zu berücksichtigen, die sich auf die Benutzer und deren Fähigkeit zur Zusammenarbeit auswirken können", erläutert Seth Lively, US Digital Lead beim IT-Beratungsunternehmen PA Consulting. Das führe zu Turbulenzen, wenn die Initiative andere Abteilungen in ihrer Arbeit stört. Schlecht getimte Initiativen hätten letztlich eine geringere Akzeptanz zur Folge, warnt der Berater. "Wenn Abhängigkeiten und Initiativen richtig geplant sind, werden Business-Stakeholder während der wichtigsten Phase der Lösungsentwicklung einbezogen."

Lively zufolge gibt es einen erprobten Ansatz, um große IT-Initiativen zeitlich passend zu planen: die Einrichtung eines Transformations-Management-Büros (TMO - Transformation Management Office) oder einer ähnlichen Institution, die alle Aktivitäten und Abhängigkeiten koordiniert. "Ein TMO schafft den Rahmen, um die Vorteile großer Transformationsprogramme zu nutzen. Es stellt ein zentrales Team bereit, das die an der Transformation beteiligten Unternehmensbereiche miteinander verbindet", erklärt er.

Fehler 3: Volle Zeitpläne

IT-Führungskräfte haben schon heute zu viel zu tun, beobachtet Kevin Shuler, CEO der Technologieberatungsfirma Quandary Consulting Group. Folglich konzentrierten sich die meisten CIOs auf geschäftskritische Vorgänge, weil die Aufrechterhaltung bestehender Systeme oberste Priorität hat. "Es geht darum, nicht zu ertrinken, um dann die übrige Zeit und die Ressourcen der IT-Abteilung für andere Anforderungen zu nutzen."

Um sich die nötige Zeit für eine Transformationsinitiative zu verschaffen, sollten CIOs laut Shuler nach Möglichkeiten zu suchen, wie sie ihr Personal aufstocken können, ohne dass zusätzliche Kosten oder Teammitglieder anfallen. Er empfiehlt etwa den Einsatz von Low-Code-Plattformen. "Sie können die Leistung der Entwickler durch vorgefertigte Code Snippets verstärken", sagt Shuler. "Dadurch wird die Entwicklungszeit drastisch verkürzt, und die IT-Abteilung kann ihre Aufgaben schneller erledigen.

Ein Citizen-Developer-Programm könne ebenfalls zusätzliche Zeit freischaufeln, obwohl Governance-Rahmenwerke geschaffen werden müssen, um sicherzustellen, dass das Programm auf Kurs bleibt. "Das Delegieren weniger wichtiger Aufgaben an Mitarbeiter, die in Low Code geschult sind, kann die Leistung verbessern, ohne die IT-Ressourcen zu überfordern", bilanziert der Berater.

Fehler 4: Schwaches Engagement für das IT-Projekt

Unentschlossenheit und mangelnde Risikobereitschaft sind zwei zentrale Gründe, warum CIOs eine wichtige IT-Initiative hinauszögern. "Vorausschauende Führungskräfte stellen die Umsetzungsgeschwindigkeit in den Mittelpunkt der Diskussionen. Unentschlossene IT-Leiter hingegen neigen dazu, sich auf Konsensentscheidungen und langwierige Risikobewertungen zu verlassen", berichtet Colm Sparks-Austin, Präsident und Managing Director der Unternehmensberatung Capgemini Canada.

Um den richtigen Zeitpunkt für eine größere IT-Initiative zu bestimmen, muss der Entscheidungsträger die Initiative mit den geschäftlichen Zielen abstimmen. "Wenn das Business die Initiative nicht anführt oder sie gar nicht kennt, ist klar, dass etwas nicht stimmt", sagt Sparks-Austin. CIOs sollten auch sicherstellen, dass sie alle IT-Ausgaben durch die Brille der Geschäftsziele bewerten. Diese Technik - in Kombination mit Erfolgsmessungen, die über einen bestimmten Zeitraum an den Geschäftszielen ausgerichtet sind - könne den Schaden einer schlecht geplanten IT-Initiative eindämmen.

Fehler 5: Unzureichende Finanzierung

Eine unrealistische Finanzierung spielt fast immer eine entscheidende Rolle bei der zeitlichen Planung von Initiativen, beobachtet Ravi Malick, CIO beim Tool-Anbieter Box. Und natürlich auch beim Scheitern. "Es ist immer besser, abzuwarten, als eine unterfinanzierte Initiative zu starten." Die Unterfinanzierung entstehe nicht einfach aus dem Nichts, sagt Malick. Sie ergebe sich aus einer Kombination von Faktoren wie Hardware-, Software- und Arbeitskosten. "Zu wissen, worauf man seine Verhandlungsenergie konzentrieren muss, um den niedrigsten Preis zu erzielen, ist der Schlüssel, um das Budget einzuhalten. Schließlich will man sicherzustellen, dass später keine Kompromisse eingegangen werden müssen, durch die sich die Initiative verzögert."

Fehler 6: Zuviel Vertrauen in die Stabilität des Umfelds

Optimistische IT-Führungskräfte gehen davon aus, dass das Geschäftsumfeld während des gesamten Entwicklungs- und Einführungsprozesses einer Initiative im Großen und Ganzen gleich bleibt oder sich vielleicht sogar verbessert. Dies kann jedoch eine gefährliche Annahme sein. "Makroökonomische Ereignisse und interne Rentabilitätsprobleme wirken sich dramatisch auf die Bereitschaft eines Unternehmens aus, weiterhin in große, teure, mehrjährige und anbieterübergreifende Initiativen zu investieren", warnt Eric Lefebvre, CTO von Sovos, einem Anbieter von Steuersoftware.

Um unangenehme finanzielle Überraschungen zu vermeiden, schlägt er vor, die Initiative in überschaubare Teile zu segmentieren, die während der gesamten Projektlaufzeit einen inkrementellen Wert liefern. "Anstatt drei Jahre auf den Erfolg zu warten, sollten Sie beispielsweise nach sechs Monaten mit dem ersten Deliverable einer Kernfunktion des Minimum Viable Product (MVP) beginnen", empfiehlt er.

Schließlich bringe die vierteljährliche Steigerung der Fähigkeiten einen gewissen Nutzen, selbst wenn die Initiative noch Monate oder Jahre von der vollständigen Implementierung entfernt sei. CIOs sollten zudem mit der Möglichkeit planen, dass die Finanzierung plötzlich im Umfeld schlechter Quartalsergebnisse versiegen könnte, rät er. "Diese Haltung stellt sicher, dass der Plan belastbar ist und leicht pausiert werden kann, bis die Bedingungen für Investitionen wieder günstiger sind."

Fehler 7: Unzureichende Koordination der Business-Stakeholder

IT-Initiativen wirken sich häufig auf kritische Geschäftsprozesse aus, und das nicht immer in positiver Weise. Das Timing einer Initiative ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass sich die betroffenen Stakeholder mit auf Änderungen einstellen und diese akzeptieren können, sagt Ola Chowning, Partner beim Forschungs- und Beratungsunternehmen ISG. "Ein Beispiel wären Änderungen an einem Finanzsystem während der Budgetsaison, vor dem Monatsende oder, was noch schlimmer ist, vor dem Jahresende."

Fehler 8: Zu viel um die Ohren haben

IT-Führungskräfte sind für eine Reihe kritischer Aufgaben verantwortlich. Das kann dazu führen, dass sie in Zeitnöte geraten. Das Erledigen vieler dringender Aufgaben im Tagesgeschäft kann bewirken, dass IT-Initiativen falsch geplant werden. Wenn ein CIO mit anderen Aufgaben beschäftigt ist, tendiert er zu einem reaktiven Management-Fokus, sagt Jeremy Richard, Leiter der IT- und Sicherheitsabteilung des Asset Intelligence-Plattformanbieters Armis. "Heutzutage müssen IT-Führungskräfte jedoch Visionäre mit starken Planungskompetenzen sein, die stets die Unternehmensziele im Blick haben, um den richtigen Zeitpunkt und die Realisierung wichtiger Initiativen sicherzustellen."

Richard zufolge kann der Schaden durch eine falsch getimte Initiative mit der richtigen Planung und einer offenen Kommunikation gemildert und manchmal sogar repariert werden. "Die Teams sollten sich klare, messbare Ziele setzen, um das Missgeschick zu beheben." Zudem seien IT-Leiter gut beraten, Fehler und Verbesserungspotenziale in der Planung von Initiativen zu analysieren, um künftige Projekte besser zu stemmen.

Der letzte Countdown

Im Grunde genommen gibt es nie den perfekten Zeitpunkt für den Start einer größeren IT-Initiative, insbesondere nicht für ein Projekt, das sich auf mehrere Abteilungen oder das gesamte Unternehmen auswirkt. Der beste Weg, um Störungen zu vermeiden, sei einfach eine sorgfältige Planung, sagt Malick von Box.

"Beginnen Sie damit, den Mitarbeitern das Gefühl zu geben, dass sie alle auf einer Linie sind und unterstützt werden. Zweitens sollten Sie sicherstellen, dass die Governance vorhanden ist, um den Fokus aufrechtzuerhalten. Und drittens müssen Projekte verschoben werden, die keine Priorität haben", rät er. "Jetzt können Sie die notwendige Finanzierung sichern - und nicht die minimale."

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation cio.com