Die IT-Branche hat etliche Karrieren von CIOs auf dem Gewissen, die nicht verstanden haben, dass erstklassige Talente unverzichtbar sind, um in einer Welt ständiger technologischer Veränderung wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht - im Gegenteil: "Wir erwarten kein kurzfristiges Ende des Fachkräftemangels", sagt Marc Tanowitz, Managing Director bei der Beratungsfirma West Monroe. "Die Pandemie hat viele Menschen dazu veranlasst, ihre Prioritäten, Ziele und ihren Lebensstil neu zu bewerten. Im Vergleich zu den letzten 20 Jahren stehen weniger Fachkräfte zur Verfügung."
Um die besten IT-Fachkräfte zu gewinnen, ohne dabei das Gehaltsgefüge aus den Angeln zu heben, braucht es eine Kombination aus Mut, Kreativität und Ausdauer. Die folgenden sieben Taktiken haben sich für IT-Führungskräfte als äußerst erfolgreich erwiesen, wenn es darum geht, die für den Erfolg notwendigen Fachkräfte zu verpflichten.
1. Selbstdarstellung
Hochqualifizierte Fachkräfte wollen nicht mit zweitklassigen Arbeitgebern in Verbindung gebracht werden. Das weiß auch Tecla Palli-Sandler, Chief Human Resources Officer bei Capgemini North America: "Bei der Entwicklung von Strategien zur Gewinnung von IT-Fachkräften sollten sich Unternehmen darüber bewusst sein, dass erstklassige IT-Talente mit anderen erstklassigen IT-Talenten arbeiten wollen."
Palli-Sandler rät Unternehmen, ihre führenden IT-Profis regelmäßig in Social-Media-Kanälen zu präsentieren und Plattformen bereitzustellen, auf denen interne Experten ihre Erfahrungen mit externen Kollegen und Freunden teilen können: "Dieser Ansatz ist effektiv, weil er persönlich, agil und vertrauensorientiert ist. Es zeigt Ihre Mitarbeiter in bestem Licht."
2. Offen sein
IT-Talente gibt es in vielen Ausprägungen. Die Anwältin Lori B. Rassas, Autorin und ehemalige stellvertretende Personalchefin am Metropolitan Museum of Art, empfiehlt Unternehmen deshalb, sämtliche Stellenausschreibungen unter Diversity-Aspekten zu überprüfen, um nicht unbeabsichtigt qualifizierte Kandidaten auszuschließen.
Rassas empfiehlt außerdem, die Rekrutierungsquellen zu erweitern, um Standorte wie beispielsweise Universitäten mit einzubeziehen: "Um sicherzustellen, dass Sie Top-Talente an sich binden können, sollten Ihre Workflows und Arbeitsplätze allen Ansprüchen der modernen Arbeitswelt gerecht werden."
3. Eigenmarketing
Hochtalentierte Bewerber sind in der Regel sehr wählerisch, wenn es darum geht, welchem Unternehmen sie sich anschließen wollen. Daher sollten Sie bei der Ansprache von Spitzenkandidaten unbedingt die Werte Ihres Unternehmens hervorheben, wie Loralie Thostenson, Senior Vice President und Technology Talent Officer bei Liberty Mutual Insurance, rät: "Stellen Sie Informationen über das Unternehmen, den Tech-Stack sowie die sozialen und kulturellen Aspekte der Arbeit in Ihrem Unternehmen zusammen. Nehmen Sie nicht nur die Perspektive des Unternehmens, sondern auch die der Mitarbeiter ein."
Wenn Spitzenkandidaten das Gefühl haben, die gleichen Werte wie ihr potenzieller Arbeitgeber zu teilen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach ihrer Einstellung länger im Unternehmen bleiben, erklärt Thostenson. Mehr noch: Sie werden in ihren sozialen Netzwerken zu Fürsprechern für ihr Unternehmen und geben möglicherweise auch Empfehlungen für künftige Jobangebote ab. "Wenn Stellenausschreibungen ein klares Bild von der Kultur und den benötigten Fähigkeiten vermitteln, macht das Ihren Einstellungstrichter effizienter. Bewerber, die etwas anderes suchen, werden sich wahrscheinlich nicht bewerben oder während des Auswahlprozesses aussteigen."
- Trendence Absolventenbarometer
Auch in diesem Jahr ermittelte das Berliner Marktforschungsinstitut Trendence die beliebtesten Arbeitgeber der IT-Studenten. - Platz 1: Google
Seit Jahren dominiert der amerikanischen Suchmaschinenkonzern Google das Ranking der beliebtesten Arbeitgeber der IT-Studenten. - Platz 2: Apple
Apple kann Platz 2 behaupten und verzeichnet mit einem Zuwachs von 4,7 Prozent sogar die größte Steigerung aller Arbeitgeber. - Platz 3: Tesla
Tesla ist der Shooting-Star des Trendence Absolventenbarometers 2021. Erstmals in der Wertung schaffte es der US-amerikanische E-Automobilhersteller von Elon Musk aus dem Nichts auf Platz drei der Beliebtheitsskala. - Platz 4: Microsoft
Microsoft - letztes Jahr noch die Nummer drei - musste den Podiumsplatz zwar an Tesla räumen, konnte unter den teilnehmenden IT-Studenten in der Beliebtheit aber dennoch um 1,3 Prozent zulegen. - Platz 5: Amazon
Amazon - ein Profiteur der COVID-19-Pandemie - rangiert wie im Vorjahr auf Platz 5, konnte aber hinter Apple mit 3,1 Prozentpunkten den zweitgrößten Zuwachs in der Beliebtheit als Wunscharbeitgeber erzielen. - Platz 6: Daimler/Mercedes Benz
Der Stuttgarter Automobilkonzern konnte den bayrischen Konkurrenten BWM überholen und gab mit 2,3 Prozent mehr Zustimmung als im Vorjahr kräftig Gas. - Platz 7: BMW Group
BMW büsste zwar einen Platz gegenüber dem Vorjahr ein, konnte seine Attraktivität als Arbeitgeber aber dennoch um 1,9 Prozent verbessern. - Platz 7: SAP
Der deutsche Softwarekonzern SAP teilt sich Rang 7 mit BMW. Die Walldorfer mussten leichte Verluste in der Popularität als Arbeitgeber hinnehmen und fielen von Rang vier im Vorjahr um drei Plätze zurück. - Platz 9: Porsche
Porsche legt in der Gunst als Arbeitgeber zwar um 1,2 Prozent zu, wird aber von Rang 8 auf Rang 9 ausgebremst. - Platz 10: Audi AG
Obwohl der Ingolstädter Automobilhersteller auf dem Wert des letzten Jahres stagniert, konnte die Marke von Rang elf in die Top Ten aufrücken. - Platz 11: Bosch Gruppe
Die Bosch Gruppe verlor mit 0,3 Prozent leicht an Anziehungskraft und rutscht im Ranking damit aus den Top Ten. - Platz 12: Siemens
Siemens gewinnt 0,4 Prozentpunkte in Sachen Anziehungskraft als Arbeitgeber hinzu und kann die Position des letzten Jahres halten. - Platz 13: BSI
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gewinnt als potenzieller IT-Brötchengeber weiter an Ansehen und schiebt sich um einen Rang im Vergleich zum Vorjahr nach vorne. - Platz 14: BND
Mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) beweist eine weitere Behörde, dass der öffentliche Dienst bei IT-Spezialisten als Arbeitgeber an Attraktivität (0,8 Prozent) zulegt. Damit schafft die Organisation eine Verbesserung von Platz 16 auf Platz 14. - Platz 15: IBM
Das IT-Urgestein IBM verliert mit 0,4 Prozent etwas an Glanz und reiht sich im Vergleich zum Vorjahr um zwei Plätze weiter hinten ein. - Platz 16: Blizzard Entertainment
Blizzard Entertainment ist mit 2,6 Prozent Verlust an Sympathiepunkten ein Verlierer des Trendence Absolventenbarometers 2021. Im Vorjahr noch unter den Top Ten auf Platz 8 wurde das Unternehmen um acht Plätze nach hinten durchgereicht. - Platz 16: NVIDIA
Der Prozessorhersteller NVIDIA springt von Platz 20 um vier Ränge auf Platz 16 vor, gleichauf mit Blizzard Entertainment. - Platz 18: Fraunhofer-Gesellschaft
Die Fraunhofer-Gesellschaft wird besonders bei Frauen als Arbeitgeber geschätzt. Dennoch schnitt die Organisation für anwendungsorientierte Forschung geringfügig schwächer als im Vorjahr ab und musste Platz 15 gegen Platz 18 eintauschen. - Platz 18: Ubisoft
Das französisches Videospielunternehmen schafft als Neueinsteiger sofort den Sprung unter die Top 20 und teilt sich mit der Fraunhofer-Gesellschaft Rang 18. - Platz 20: Airbus
Flugzeugbauer Airbus stagniert bei den Zustimmungswerten als Traumjob-Arbeitgeber. Damit fällt der Konzern von Platz 17 auf Platz 20 zurück.
4. Von innen aufbauen
Ein sehr effektiver Weg, um Top-Talente zu akquirieren, sei es, sie intern aufzubauen, sagt Katerina Bannikova, Leiterin der Personalbeschaffung beim Softwareunternehmen DataArt: "Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern helfen, ihre Fähigkeiten zu verbessern und neue zu erwerben, indem sie sie auf andere Stellen im Unternehmen versetzen und sie in neue und interessante Projekte einbinden."
Bannikova erklärt, dass die interne Unterstützung Karrierewege aufbaut, die für jedes Teammitglied maßgeschneidert sind und inidviduelle Faktoren berücksichtigen. Zu den Nachteilen gehörten die Kosten sowie die notwendige Unterstützungsarbeit und Geduld.
5. Sinn und Herausforderung bieten
IT-Superstars erwarten, auch als solche behandelt zu werden, beobachtet Kelby Zorgdrager, CEO und Gründer von Develop Intelligence: "Talentierte Menschen mögen anspruchsvolle Aufgaben, bei denen sie mitbestimmen können. Sie wollen in ihren Rollen wachsen und sich mit neuen Technologien beschäftigen, um ihre Fähigkeiten auf dem aktuellen Stand zu halten."
Zorgdrager rät, sowohl Top-Bewerbern als auch geschätzten Mitarbeitern mitzuteilen, dass Ihr Unternehmen in die Karriereentwicklung und Weiterbildung investiert. "Für einige Mitarbeiter sind Autonomie, Schulungen und berufliche Herausforderungen wichtiger als die Vergütung, die Sozialleistungen und die Benefits."
6. Optimale Recruiting-Prozesse
Ein schlampiger, verwirrender oder langsamer Einstellungsprozess rückt Ihr Unternehmen in ein schlechtes Licht, noch bevor der Kandidat zum ersten Vorstellungsgespräch erscheint. "Qualitativ hochwertige Stellenbeschreibungen, eine klare Erläuterung Ihres Einstellungsprozesses, vorbereitete Interviewer und die Kommunikation mit dem Kandidaten während des gesamten Prozesses sind ein Muss, um die besten Talente finden und binden zu können", weiß John Riganati, Senior Executive Advisor beim Beratungsunternehmen Think Systems. Es bedeute aber auch, sehr reaktionsschnell zu sein: "Qualitativ hochwertige Fachkräfte werden nicht wochenlang warten, bis Sie Ihre Optionen geprüft haben. Und die Konkurrenz auch nicht."
Ein intuitiver, schneller Rekrutierungsprozess verschaffe Unternehmen einen Vorsprung gegenüber weniger sorgfältigen Mitbewerbern, meint Riganati: "Wenn Sie Ihre Prozesse richtig gestalten, heben Sie sich ab und zeigen, dass Sie die Dinge im Griff haben, die Zeit der Bewerber respektieren und sie als Profis behandeln. Solche Dinge bleiben im Gedächtnis und können letztendlich ausschlaggebend bei der Wahl des Arbeitgebers sein."
7. Entschlossen handeln
Das bestmögliche Angebot für Ihr Unternehmen zu verhandeln, nimmt normalerweise viel Zeit in Anspruch. Angesichts der Tatsache, dass IT-Profis derzeit ein rares Gut darstellen, dürften Unternehmen keine Chance verpassen, einen begehrten Mitarbeiter zu verpflichten, sagt Rowan O'Grady, President of Americas bei Jefferson Frank, einem auf AWS-Experten spezialisierten Recruiter: "Fast jeder Kandidat, den Sie ansprechen, wird ein Gegenangebot haben. Wenn Sie ohne triftigen Grund zögern, erhöht sich nur die Wahrscheinlichkeit, dass er ein besseres Angebot annimmt."
Letztendlich sei das angebotene Gehalt der potenziell überzeugendste Faktor, um einen IT-Spezialisten zum Jobwechsel zu bewegen, erklärt O'Grady: "Die Erfolgsquote ist höher, wenn Sie sagen, was Sie sich leisten können und nicht, was Sie bereit sind zu zahlen. Es zeigt den Fachleuten auch, was Ihnen ihre Skills wert sind."
Wenn kein Spielraum für weitere Gehaltsverhandlungen über das ursprüngliche Angebot hinaus besteht, schlägt O'Grady vor, das Leistungspaket so zu ändern, dass es mit dem Gegenangebot des Bewerbers übereinstimmt oder es sogar übertrifft. (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.