Die Zeiten, in denen die IT-Abteilung (buchstäblich) sich selbst überlassen war und sich mit der technischen Seite diverser Projekte begnügte, sind vorbei. Heute gehen IT-Organisationen zu produktbasierten Methoden über - hierbei konzentrieren sich funktionsübergreifende Teams aus Technologie und Business auf ein bestimmtes Produkt- oder Serviceangebot. Dieser organisatorische Wandel hat dem Produktmanager - der ein solches Team leitet und während des gesamten Produktlebenszyklus als Ansprechpartner fungiert - neue Bedeutung verliehen.
Wegen des neuen Stellenwerts von Produktmanagern sollten auch IT-Führungskräfte wissen, was gute Produktmanager ausmacht. Andere Mitarbeiter sind unter Umständen auch neugierig darauf, was für den Sprung ins Produktmanagement nötig ist.
Produktmanager werden: Diese 6 Skills brauchen Sie
Wir haben mit diversen Experten darüber gesprochen, was fähige Produktmanager auszeichnet:
1. Ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit
Die Arbeit eines Produktmanagers besteht zu großen Teilen darin, sicherzustellen, dass die verschiedenen Rollen innerhalb interdisziplinärer Teams gut zusammenarbeiten. Das erfordere in erster Linie, ein guter Kommunikator zu sein, ist Dan Ciruli, VP Product Management beim Softwaredienstleister D2iQ, überzeugt: "Von der engen Zusammenarbeit mit der Technik bis hin zum Umgang mit manchmal schwierigen Kunden - Kommunikation ist ein wichtiger Teil des Produktmanager-Jobs. Man muss in der Lage sein, seine Produkte gut zu präsentieren, sei es vor dem CEO, Vorstand oder auch im Rahmen von Konferenzen. Dokumente zu Produktanforderungen und außergewöhnliche Präsentationen erstellen zu können, ist ebenfalls eine wichtige Fähigkeit im Produktmanagement." Besonders wichtig sei es nach Meinung von Circuli dabei, die Informationen auf spezifische, unterschiedliche Zielgruppen zuzuschneiden.
Wie Tal Laufer, VP of Products beim Sicherheitsanbieter Perimeter 81, erklärt, wirkt ein Job als Produktmanager sowohl 'nach oben' als auch 'nach unten': "Der Job beinhaltet sowohl, auf Augenhöhe mit den Ingenieuren zu sprechen, als auch weniger geschultem Personal komplexe Sachverhalte verständlich darlegen zu können." Tatsächlich bestehe ein Großteil der Produktmanagertätigkeit darin, als Vermittler zu fungieren, um Zielgruppen dazu zu bringen, miteinander zu kommunizieren, so der Produktexperte.
"Ein Produkt besteht aus einer Vielzahl von Komponenten und Knowhow, die die Mitwirkung vieler Menschen im Unternehmen und seiner Geschäftspartner erfordert - etwa wenn es um Entwicklung und Lieferkette geht, aber auch in Sachen Sicherheit, Marketing, Vertrieb, Kundendienst oder Finanzen", meint Charles Paumelle, Chief Product Officer und Mitbegründer von Microshare, einem Spezialisten für intelligente Gebäudelösungen und fügt hinzu: "Produktmanager müssen mit all diesen konkurrierenden Agenden jonglieren und die Zustimmung all dieser Parteien einholen, um ein erfolgreiches Produkt auf den Markt zu bringen."
Nach Auffassung von Cait Porte, Chief Marketing Officer beim Softwareunternehmen Digibee, sind Kommunikationsfähigkeiten so gefragt, dass auch Menschen ins Produktmanagement einsteigen könnten, die vor allem gute Kommunikatoren sind: "Hier bietet sich eine echte Chance, weil diese Mitarbeiter aus diversen Bereichen stammen können - etwa Customer Success, Sales, Marketing oder Entwicklung. Maßgeblich ist die Fähigkeit, sich in die Benutzer hineinversetzen zu können und die Prioritäten an das Unternehmen zu kommunizieren", weiß die Managerin.
2. Emphatie
Es mag für einige Augen und Ohren ungewohnt sein, aber Einfühlungsvermögen ist ein Business Skill und gehört zu den wichtigsten Eigenschaften guter Produktmanager. Das sehen auch so gut wie alle Produktmanagement-Experten, mit denen wir uns unterhalten haben so.
"Einfühlungsvermögen ist unerlässlich, denn Produktmanager müssen immer die Daseinsberechtigung ihrer Produkte im Auge behalten. Wer wird sie nutzen und warum werden die Kunden ihre Gewohnheiten ändern, um ein neues Produkt anzunehmen? Zu viele Produkte scheitern, obwohl sie technisch brillant und ästhetisch sind. Der Grund: Sie decken keinen Bedarf, beziehungsweise lösen kein Problem und finden daher keine Kundenakzeptanz", meint Microshare-CPO Paumelle.
Dabei ist Emphatie für potenzielle Kunden jedoch nur ein Teil des Bildes, wenn es nach Shane Quinlan, Leiter Produktmanagement beim Softwareunternehmen Kion, geht: "Man muss auch die Perspektiven verschiedener Funktionsbereiche - etwa Entwicklung, Stakeholder oder Design - und Persönlichkeiten verstehen, ausgleichen und gestalten. Ob man das nun Emotionale Intelligenz nennt oder einen etwas weniger hochtrabenden Begriff verwendet ist einerlei. Es sind die Soft Skills, die einen guten Produktmanager ausmachen."
Nicht zuletzt sei Emphatie nicht unbedingt eine angeborene Eigenschaft, sondern ein Skill, den man auch nachträglich entwickeln kann, wie Vincent Paquet, CPO beim TK-Unternehmen Dialpad, erklärt: "Ein guter Produktmanager verspürt den Drang, die Dinge für seine Nutzer einfacher und leichter zu machen. Ein guter Weg dorthin ist es, sich vorzustellen, wie man die Funktion einem guten Freund oder einem Familienmitglied erklären würde. Das hilft Produktmanagern, zum richtigen Mindset zu kommen und verdeutlicht, wo noch gefeilt werden muss."
3. Data- und Analytics-Knowhow
Ein fähiger Produktmanager braucht natürlich nicht nur weiche, sondern auch harte Skills, wie Casey McGuigan, Produktmanagerin beim Softwarehersteller Infragistics, unterstreicht: "Daten sollten immer im Vordergrund stehen und im Mittelpunkt aller Entscheidungen stehen. Mein mathematischer Hintergrund hat mir sehr geholfen, die Wege meiner Kunden und die Punkte, an denen sie Verbesserungen benötigen, wirklich zu verstehen. Die Fähigkeit, Metriken zu analysieren und zu verstehen, ist für das Growth Hacking als Produktmanager unerlässlich." Auch McGuigans Karriereweg zeigt also: Sich mit Daten auszukennen, kann einer Karriere als Produktmanager zuträglich sein. "Diese Datenkenntnisse waren ausschlaggebend für meinen Aufstieg von der Empfangsdame zur Produktanalystin", verrät sie.
Darüber hinaus sollte bei Produktmanagern aber auch der kreative Aspekt in den Analysen nicht zu kurz kommen - meint zumindest Holly Hester-Reilly, Gründerin und CEO des Beratungsunternehmens H2R Product Science: "Produktmanager sollten Probleme kritisch betrachten können und danach streben, auch Dinge zu messen, die schwer zu messen sind."
4. Entscheidungsfreudigkeit und -flexibilität
Ausgerüstet mit emotionalen und analytischen Insights sollten gute Produktmanager keine Angst davor haben, ihre Teams zu schnellen Ergebnissen zu führen, meint Quinlan: "Sie müssen bereit sein, auch mit unvollständigen Informationen schnell Entscheidungen zu treffen und eine Kultur aufzubauen, die den Auswirkungen dieser Entscheidungen gewachsen ist. Dazu gehört auch, Pläne wenn nötig im Handumdrehen zu ändern, um auf neue Informationen, Marktveränderungen oder -probleme reagieren zu können."
Auch Luke Gannon, Produktmanager bei Neo4j, sieht Flexibilität als onligatorische Eigenschaft im Produktmanagement an: "Hürden wie etwa verspätete Auslieferungen oder schlechte Enablement-Inhalte überwindet man nur, wenn man entsprechend flexibel ist. Es gilt, das Gesamtziel im Blick zu behalten und es zu erkennen, wenn der ursprüngliche Plan geändert werden muss, um die Vision zu erreichen."
5. Business-Intelligenz
Alle bisher behandelten Skills sollten dazu eingesetzt werden, die Geschäftsziele des Unternehmen zu unterstützen. Das geht allerdings nur, wenn Sie die Ziele und die Position Ihres Produkts und Ihres Unternehmens auf dem Markt verstehen.
"In meiner Wahrnehmung sind Produktteams besonders erfolgreich, wenn die Produktmanager ihre Ziele strategisch mit den Gesamtzielen des Unternehmens verknüpfen", konstatiert Trisha Price, CPO beim Softwareunternehmen Pendo. "Es gibt so viele Produktteams, die nur über Funktionen sprechen - egal, ob es sich um eine Funktion handelt, um die der Kunde sie gebeten hat, oder um etwas, das sie selbst entworfen haben. Produktmanager müssen sich mit dem 'So what' dieser Funktionen befassen. Was ist das Ergebnis, das Sie durch den Bau dieser Funktion erreichen? Welches Problem werden Ihre Kunden durch die Nutzung dieser Funktion lösen? Welches Geschäftsergebnis werden Ihre Kunden aufgrund Ihrer Investition erzielen? Produktmanager müssen vorausschauend denken und die Geschäftsstrategie mit der Produktstrategie verknüpfen, anstatt sich nur auf die mechanische Entwicklung neuer Funktionen zu konzentrieren."
Laut Ciruli sollte eine solche übergeordnete Analyse dazu beitragen, allen Beteiligten die Rolle des Produkts zu vermitteln: "Der Kunde ist hier nicht der einzige Akteur. Aufgabe des Produktmanagers ist es auch, ein Geschäft aufzubauen und Rendite zu sichern. Ob sich dieser Wert nun in Daten, Geld oder etwas ganz anderem manifestiert - es ist die Aufgabe eines Produktmanagers, ihn zu verstehen. Es geht nicht nur darum, ein tolles Produkt zu entwickeln, sondern auch zu verstehen, wie der Austausch von Werten zu dieser Entstehung beiträgt."
6. Enthusiasmus, der antreibt
Es sollte inzwischen klar sein, dass die Aufgabe des Produktmanagers darin besteht, zwischen den Kunden und den verschiedenen Interessengruppen im Unternehmen zu vermitteln. Mona Ghadiri, Leiterin Product Management beim Sicherheitsanbieter BlueVoyant, formuliert es folgendermaßen: "Gutes Produktmanagement beinhaltet auch, die Kultur rund um das eigene Portfolio sowie die Herzen und Köpfe der anderen Entscheidungsträger zu managen."
Um diese Vermittlerrolle zu erfüllen, ist es laut Quinlan unabdingbar, die Begeisterung für sein Produkt und sein Unternehmen aufrechtzuerhalten: "Wenn Sie das Interesse verlieren - oder es nie finden - werden Sie minderwertige Lösungen liefern."
Deswegen zeichneten sich fähige Produktmanager auch durch eine grenzenlose Neugier auf ihren Job und ihr Geschäft aus, ergänzt Hester-Reilly: "Das führt dazu, dass sie immer die richtigen Fragen stellen und versuchen, besser zu verstehen, wie Menschen mit Technologie und der Welt um sie herum interagieren." (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.