Stille Nacht, smarte Nacht: Spätestens seit Weihnachten ist die digitale Revolution auch in deutschen Kinderzimmern angekommen. Loks, Rennautos, Kräne, Miniroboter - kaum ein Spielzeug mehr, das die Kinder nicht auch per Smartphone steuern können.
Gleichzeitig kommt es manchem Geschäftsführer in Deutschland noch wie Zukunftsmusik vor, dass sich heute auch Maschinen und Fabriken per Tablet oder Smartphone steuern lassen. Schlimmer noch: Mancher Manager sieht in der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft noch immer eine Art Modeerscheinung.
Das ist grundfalsch. Egal, ob von "Industrie 4.0", "Internet of Things" oder "Smart Factory" die Rede ist: Die Digitalisierung ist eine zwingende Marktvoraussetzung geworden, um in Zukunft überhaupt noch Geschäft zu machen. Denn für die fertigende Industrie geht es bei der Digitalisierung um harte, erfolgskritische Fakten: um höhere Produktivität, um einen höheren Return on Investment, um mehr Wettbewerbsfähigkeit, um höhere Standort- und Arbeitsplatzsicherheit.
Es tut sich viel, aber wir sind noch zu langsam
Zum Glück bewegt sich viel im digitalen Deutschland. Innovative und global tätige Unternehmen haben schon vor Jahren das Zeitalter der Smart Factory in ihren Fabriken eingeläutet. Auch bei Forschungsinstituten, Ministerien, Verbänden und Kammern steht die Industrie 4.0 inzwischen ganz oben auf der Agenda, die Zahl der Industrie-4.0-Events steigt rasant. Lernfabriken und ein Netzwerk von Industrie-4.0-Zentren in wissenschaftlichen Einrichtungen für den Mittelstand sind entstanden oder im Aufbau.
Das alles ist gut so. Doch wir sind noch viel zu langsam. Zwar sieht eine Mehrheit der mittelständischen Unternehmen in der Digitalisierung die derzeit größte Herausforderung. Gleichzeitig aber, so zeigen Umfragen ebenfalls, setzt bisher nur eine Minderheit der Unternehmen tatsächlich digitale Technologien wie Big-Data-Verarbeitung oder Cloud Computing ein.
10 Tipps von Praktikern für Praktiker
Wie lässt sich das ändern? Voranbringen würde den Standort Deutschland ein regelmäßiger und institutionalisierter Erfahrungsaustausch von Praktikern für Praktiker in jedem Bundesland - konkret, schnell, kostengünstig. Denn nichts ist glaubwürdiger als der Rat von versierten Praktikern an interessierte Unternehmer. Ein Knowhow-Transfer von Kollege zu Kollege ist nach aller Erfahrung der beste Weg, Hemmschwellen gegenüber neuer Hightech schnell abzubauen.
Beispiel für solche Praxistage sind vorhanden - und damit Antworten auf viele Fragen, die sich zögernde Unternehmen noch stellen. Mein Unternehmen hat sehr gute Erfahrung mit Knowhow-Transfer von Praktikern für Praktiker gemacht. Folgende Antworten gaben verantwortliche Projektmanager aus Unternehmen bei unseren Produktivitätskongressen:
Was zeichnet eine Smart Factory aus?
In der Smart Factory kommunizieren Teile und Maschinen untereinander sowie mit den browserfähigen Endgeräten der Bediener. Sie können Fehler sofort erkennen und beheben. Eine einheitliche Steuerung auf einer IT-Plattform mit Echtzeit-Transparenz wird möglich, Planung und Produktion (Top und Shop Floor) laufen synchronisiert, auch über Länder-, Sprach- und Zeitzonengrenzen hinweg.
- Die IT hat bei Industrie-4.0-Projekten die Hosen an
Mehr als drei Viertel der ITler messen dem Thema eine sehr hohe (38,5 Prozent) oder hohe Bedeutung (35,9 Prozent) bei. Unter den Produktionsmitarbeitern sagen nur 7,8 Prozent, Industrie 4.0 habe eine sehr hohe Bedeutung, immerhin 39,1 Prozent räumen dem Thema eine hohe Bedeutung ein.
Zunächst einmal zeigte sich dass der Wissensstand zum Thema Industrie 4.0 in Produktion und IT unterschiedlich ist. Während drei Viertel der ITler mit dem Begriff etwas anzufangen wissen, zeigen die Mitarbeiter in der Produktion zu 60 Prozent Erkenntnisdefizite.
Mehr als drei Viertel der ITler messen dem Thema eine sehr hohe (38,5 Prozent) oder hohe Bedeutung (35,9 Prozent) bei. Unter den Produktionsmitarbeitern sagen nur 7,8 Prozent, Industrie 4.0 habe eine sehr hohe Bedeutung, immerhin 39,1 Prozent räumen dem Thema eine hohe Bedeutung ein.
Auf die Frage, ob sich das Thema langfristig in produzierenden Unternehmen durchsetzen werde, sagten 36 Prozent der ITler, sie seien sich diesbezüglich „absolut sicher“. Nur elf Prozent der Produktionsbeschäftigten waren der gleichen Ansicht.
Wer treibt die Industrie-4.0-Projekte in den Unternehmen? Die IT-Profis sehen sich zu knapp 72 Prozent selbst im Driver Seat, während sich die Produktionsmitarbeiter nur zu 26,6 Prozent verantwortlich fühlen.
Was sind nun die IT-Themen, die von den Befragten als relevant im Zusammenhang mit Industrie 4.0 gesehen werden? IT-Security, Produktions-IT und Mobility gelten laut Umfrage in dieser Reihenfolge als die Topthemen, wenn es um die Einführung und Umsetzung geht.
Kennzeichen der Smart Factory sind Echtzeit-Spiegelbilder der Produktion am Computer. Mit solchen Cyber-Physical-Systems können Unternehmen ihre Fabriken virtuell analysieren und real optimieren. Dazu wird eine Hochleistungstechnologie benötigt, die "Big Data" in Höchstgeschwindigkeit in "Smart Data" verwandelt sowie web- und cloudbasiert arbeitet.
Wie erreiche ich die Akzeptanz der Belegschaft?
Es ist ein komplexes Projekt, eine "Erlebnisreise", die eine gute Planung und gutes Management benötigt. Hauptaufgabe ist es, die Belegschaft davon zu überzeugen, dass es eine Lösung für den Standort ist, nicht gegen ihn. Gute Argumente dafür sind, dass die neue Technologie keine Kapazitäten bindet, sondern welche schafft. Künftig kann man disponieren statt zu improvisieren.
Das Projekt muss Chefsache sein. Es gilt, einen modernen Change-Prozess zu organisieren und in der Produktionslogistik aufzuräumen, was über Jahrzehnte in den Fabrikhallen ,gewachsen´ ist. Alle Führungskräfte und Mitarbeiter sind frühzeitig über den Transformationsprozess einzubeziehen, zu informieren und zu schulen. Die Mitarbeiter verstehen sehr schnell, dass das Arbeiten mit neuer Technologie leichter und besser wird. Organisiert werden sollte das Projekt cross-funktional unter Einbindung von Lieferanten.
- Change-Projekte steuern
Nur gut jedes zweite Change-Projekt klappt. Weil Argumente alleine so wenig nutzen wie das reine Gefühl, haben die Berater von Strategy& zehn Prinzipien aufgestellt. - 1. Mit der Firmenkultur arbeiten, nicht gegen sie.
Wer Veränderung will, darf die bestehende Unternehmenskultur nicht als Legacy betrachten. Die Art, wie Menschen kommunizieren, soll beibehalten werden. Manchmal können Entscheider diese Kultur aber nur schwer benennen oder haben bloß ein vages Gefühl dafür. Dann hilft ein alter Trick: die Mitarbeiter fragen. Führungskräfte können die Belegschaft bitten, zu beschreiben, in welcher Art sie arbeiten. Die Antworten helfen bei der Gestaltung des Change-Managements. - 2. Oben anfangen:
Strategy& stimmt der These zu, dass Change nur gelingt, wenn er auf allen Hierarchiestufen eines Unternehmens umgesetzt wird. Aber der Firmenleitung kommt eine Vorbildfunktion zu. Dass sie diese übernimmt, muss im Unternehmen sichtbar sein. - 3. Jeden mitnehmen:
Nach Schritt zwei folgt Schritt drei: Jeder Mitarbeiter muss in den Change einbezogen werden. Das ist aber kein einseitiger Prozess. Zwar beginnt die Veränderung oben, aber das Feedback von unten ist unabdingbar. Das kann zum Beispiel über eine firmeninterne Website geschehen, auf der jeder Kommentare abgeben, Erfahrungen mitteilen und Vorschläge machen darf. - 4. Rationale und emotionale Aspekte einbringen:
Entscheider setzen oft nur auf Argumente. Aussagen wie "diese Umstrukturierung wird den Umsatz in den kommenden drei Jahren um 20 Prozent steigern" mögen überzeugen - emotional berühren werden sie kaum. Die gefühlsmäßige Seite der Mitarbeiter spricht auf symbolträchtige Aktionen an. Wer etwa die Grenzen bisher getrennter Teams aufheben will, kann Trennwände in Büros einreißen lassen oder Schreibtische neu gruppieren. Solche Bilder erreichen die Mitarbeiter emotional. - 5. Gemäß der neuen Denke handeln:
Es ist wichtig, Policies und Direktiven zu erstellen. Auch Incentives unterstützen den Change. Noch wichtiger sind aber Handlungen. Will beispielsweise eine Bank den Kundenservice verbessern, muss die Führungsriege nicht nur die Schalteristen nach ihren Erfahrungen befragen - sondern sich auch einmal selbst in die Schalterhalle begeben. - 6. Drüber reden:
Kommunikation ist für Strategy& ein Schlüsselwort. Das bedeutet, dass die Firmenleitung ihre oberen Stockwerke verlassen und sich den Fragen der Belegschaft stellen muss. Nach dem Modell interner Messen können Entscheider zu bestimmten Zeiten im Foyer stehen und Fragen beantworten oder kurze Präsentationen zeigen. - 7. Spezialkräfte einsetzen:
Führung hat innerhalb jeden Unternehmens mindestens zwei Aspekte: Menschen mit formalen Titeln und solche mit informellen. Das kann ein Projekt-Manager sein, mit dem jeder gern zusammenarbeitet - oder die Empfangsdame, die schon 25 Jahre im Hause ist. Strategy& rät, diese Spezialkräfte zu Botschaftern des Changes zu machen. Sie genießen Respekt und Vertrauen innerhalb der Firma und können viel bewirken. - 8. Formale Mittel nutzen:
Sichtbar wird Veränderung an Formalem wie Trainings und Belohnungs-Systemen. Verbale Anerkennung für Mitarbeiter, die dem Change folgen, ist nötig, aber alleine nicht ausreichend. Sie sollten auch eine formale Belohnung erhalten. - 10. Die Wirkung messen und nachbessern:
Letztendlich nützen alle Change-Initiativen ohne Erfolgskontrolle nichts. Das heißt: Unternehmen müssen Metriken für das Gelingen ihrer Projekte festlegen und diese auch anwenden. Nur so ist es möglich, die Vorgehensweise immer wieder nachzubessern.
Was muss eine smarte Technologie können?
Das grundlegende Kriterium für die Einführungtsphase einer Smart-Factory-Technologie sollte sein, dass die Hauptproduktion reibungslos weiterlaufen kann. Die Lösung muss daher ein modulares Konzept bieten - also die Möglichkeit, flexibel und in Schritten eine neue IT-Architektur aufzubauen. Zweitens muss die neue Technologie heterogene Maschinenparks, also Maschinen unterschiedlicher Hersteller und Jahrgänge, problemlos an eine Plattform anbinden können.
Drittens sollte die Technologie Big-Data-Verarbeitung in Echtzeit sowie alle wichtigen Schnittstellen wie MTConnect bieten - ein internationaler Kommunikationsstandard für das Lesen von Informationen von Werkzeugmaschinen und anderen Anlagen. Viertens muss die Lösung eine größtmögliche Visibilität bieten: Jeder in seinem Verantwortungsbereich muss anhand genauer Kennzahlen in Echtzeit am seinem Computer sehen, wo etwas hakt. Fünftens sind historische Maschinendaten wichtig - ohne historische Analysen kann ein Fabrikteam nicht besser werden.
Für Unternehmen, die international an mehreren Standorten produzieren, kommt als sechste Anforderung hinzu, dass die Technologie reibungslos alle Sprachen, Zeitzonen und Rechneruhren berücksichtigen können muss.